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              gibt viele Möglichkeiten, an der Börse zu gewinnen oder 
              zu verlieren. Irgendeine Aktie wird sich immer gerade als Kursrakete 
              erweisen, und ebenso rasch werden Sie eine Aktie finden, die in 
              Ungnade gefallen ist. Graham zitierte mit Vorliebe Horaz: "Vieles 
              harrt der Wiedergeburt, was schon dahinstarb; vieles wird hinsterben, 
              was jetzt an Worten in Geltung ist." Die meisten Leute, darunter 
              auch Investmentmanager, springen von einer Strategie zur anderen, 
              weichen im Zuge dessen vom eingeschlagenen Kurs ab und lassen sich 
              letztendlich, von Unsicherheit und Gier geleitet, durch die stürmischen 
              Gewässer der Finanzwelt treiben. Warren 
              Buffett wurden die Lehren Grahams zur Religion. Durch ihn gelangte 
              Warren zu der Überzeugung, dass man den Zweifeln, die ein Kursverfall 
              selbst bei den wagemutigsten Börsen-Kämpfern aufkommen 
              lassen kann, standhalten sollte. Die Erkenntnis, dass das Gute jene 
              heimsucht, die darauf warten können und wissen, was sie tun, 
              mag ein wenig biblisch anmuten, doch genau diese Erkenntnis hat 
              Warren in Grahams Philosophie des streng unternehmensbezogenen Investierens 
              gefunden. Und Warren hat diese spezielle Strategie mit dem Eifer 
              eines nach Mekka ziehenden Pilgers verfolgt. In Zeiten, in denen 
              diese Strategie keinerlei Chancen bietet, also nicht anwendbar ist, 
              lehnt Warren sich zurück und wartet. Sicher ist auch, dass 
              er niemals sehr lange warten musste, bis ihm der Markt eine genau 
              auf ihn zugeschnittene Chance zu bieten hatte, in deren Rahmen er 
              seine besondere Strategie des Business Perspective Investing in 
              die Praxis umsetzen konnte. Warren 
              vergleicht seine Strategie mit einem Ballspiel, bei dem nur perfekte 
              Würfe pariert werden. Warren wartet mit dem Schläger in 
              der Hand aufmerksam auf den perfekten Wurf, und nur wenn dieser 
              kommt, wird er mit seinem "Schläger des unternehmensbezogenen 
              Investierens" zum Schlag ausholen. Ganz 
              gewiss wird nach einer Vielzahl von Würfen und ein bis zwei 
              Jahren des Wartens auf den perfekten Wurf - das ist ein Unternehmen 
              mit Verbrauchermonopol und ausgezeichnetem Management zu einem phantastischen 
              Preis zu haben ist - der Ball in idealer Flugbahn auf Warren zukommen 
              und von ihm kraftvoll pariert werden. Ein voller Erfolg für 
              den Schlagmann und eine weitere Milliarde Dollar für das Berkshire 
              - Hathaway - Team. Können 
              Sie soviel Geduld aufbringen? Die meisten Menschen wollen eine Investmentchance 
              lieber gestern als heute wahrnehmen. Nehmen wir an, Sie hätten 
              gerade eine Million Euro geerbt. Eine der ersten Fragen, die Sie 
              sich stellen sollten, lautet: "Wie soll ich dieses Geld anlegen?" 
              Würde ich ihnen darauf antworten, Sie sollten sich daraufsetzen 
              und warten, bis Sie auf ein Wertpapier stoßen, das zu einem 
              attraktiven Kurs zu haben ist, so würden Sie mich wahrscheinlich 
              für verrückt halten. Ihr Wertpapiermakler würde Ihnen 
              sicher eine ganze Palette von Ideen unterbreiten. Das hat seinen 
              guten Grund: Wenn er Ihnen diese vielen guten Ideen nicht unterbreitet, 
              werden Sie so lange suchen, bis Sie jemanden finden, der Ihnen diese 
              Ideen liefert. Fondsmanager 
              und Einzelanleger haben allesamt ihre Schwierigkeiten mit dem geduldigen 
              Warten auf den perfekten Wurf. Sie wissen zweifelsohne, wie ein 
              perfekter Wurf auszusehen hat, doch Warten ist eine Beschäftigung, 
              der man auf Flughäfen nachgeht. Nach einiger Zeit schickt ihre 
              Ungeduld sie auf die Reise und lässt sie in Gedanken neue Vorstellungen 
              des perfekten Wurfes entwickeln. Bevor sie sich dessen bewusst werden, 
              haben sie die alten Vorstellungen über Board geworfen und stürmen 
              dem neuesten Trend hinterher. Würden 
              die Leute ihre Ehepartner in der gleichen Weise auswählen wie 
              ihre Aktien, so würde keine Ehe auch nur eine Woche halten. 
              Können Sie sich vorstellen, sämtliche wünschenswerten 
              Eigenschaften eines zukünftigen Ehepartners aufzulisten und 
              sich dann nur eine Frist von einer Woche einzuräumen, um den 
              geeigneten Kandidaten oder die geeignete Kandidatin zu finden? Gewiss 
              würden Sie das nicht tun. Und jedem, der Ihnen einen derartigen 
              Vorschlag unterbreitet, würden Sie erklären, er sei verrückt. 
              Doch genau das passiert in der Finanzwelt unentwegt. Sie wissen, 
              dass das stimmt, denn wenn ich ihnen morgen eine Million Euro in 
              die Hand drückte, würden Sie sich sofort auf den Weg machen, 
              um eine Anlagemöglichkeit zu finden. Vielleicht würden 
              Sie sich um ein Einlagenzertifikat bei ihrer Hausbank bemühen 
              oder Ihren Wertpapiermakler aufsuchen, der überglücklich 
              ein ganzes Spektrum von Ideen vor ihnen ausbreiten würde. Tag 
              für Tag würden Sie in der Financel Times über irgendeine 
              Aktie lesen, deren Wert im letzten Halbjahr auf das doppelte gestiegen 
              ist, und Sie würden sich fragen, warum Sie auf diesen Zug nicht 
              aufgesprungen sind. Nur eines ist wichtig: Sie müssen dieses 
              Geld arbeiten lassen. Inmitten 
              eines Anlageprozesses seine Anlagestrategie zu ändern hat große 
              Ähnlichkeit damit, während der Ausbildung das angestrebte 
              Berufsziel zu ändern. Nehmen wir an, Sie studieren Medizin 
              und lesen nach vierjähriger Ausbildung über einen Rechtsanwalt, 
              der einige Millionen Euro verdient hat. Sie gelangen zu dem Schluss, 
              Anwälte würden besser verdienen, und wollen nun Anwalt 
              werden. Sie brechen Ihr Medizinstudium ab und inskribieren an der 
              juristischen Fakultät. Nach ein oder zwei Jahren entdecken 
              Sie, dass Absolventen eines Wirtschaftsstudiums enorme Gewinne an 
              der Börse erzielen, und beschließen, Betriebswirt statt 
              Rechtsanwalt zu werden. Sie brechen Ihr Studium der Rechtswissenschaften 
              ab und schreiben sich an der Wirtschaftsuniversität ein. Dieses 
              Szenario ließe sich beliebig fortsetzen, und Sie würden 
              im Endergebnis mit leeren Händen dastehen. Wären Sie bei 
              Ihrem Medizinstudium geblieben, wären Sie nun Arzt und würden 
              gutes Geld verdienen. Gleiches gilt für die Geschäftswelt. 
              Sie werden ebenso wenig erleben, dass Ford Motor Company sich in 
              der Herstellung von Computern versucht, wie Sie erleben werden, 
              dass IBM den Schritt zum Automobilbau wagen wird. Jeder geht seinen 
              eigenen Weg, jeder führt seine eigenen Produkte, und jeder 
              hat Jahre damit verbracht, sein Geschäft zu erlernen. Gleiches 
              gilt für Anlagestrategien. Es erfordert viele Jahre, bis man 
              die Feinheiten seines Berufes erlernt hat und in der Lage ist, echte 
              Investitionschancen von Gelegenheiten zu unterscheiden, die bloß 
              in die Irre führen. Sind Sie ein Market - Timer, ein Arbitrageur, 
              ein Daytrader, ein Stratege für Wachstum auf sich entwickelnde 
              Märkten, ein Graham - Anhänger vom alten Schlag oder ein 
              Buffettologe neuren Typs? Jede Strategie folgt ihren Regeln, und 
              der ständige Wechsel zwischen den einzelnen Theorien gleicht 
              der immer wiederkehrenden Wiederholung des ersten Schuljahres. Warren 
              Buffett hat sich dieser Theorie des Wartens auf den perfekten Wurf 
              so sehr verschrieben, dass er im Jahr 1971, als der Markt boomte, 
              seinen Investmentfonds auflöste und seinen Anlegern erklärte, 
              die von ihm verfolgte Strategie sei auf den Markt, mit dem sie es 
              nun zu tun hätten, nicht länger anwendbar. Anstatt es 
              mit einer anderen Strategie weiter zu versuchen, bei der er sich 
              nicht sattelfest fühlte, liquidierte er die Gesellschaft und 
              bezahlte seine Anleger aus.Der Markt boomte noch weitere zwei Jahre, und viele Anleger verdienten 
              sich auf dieser atemberaubenden Fahrt goldene Nasen. Warren hingegen 
              wartete ab und beobachtete die Szene von außerhalb des Spielfeldes. 
              Eines Tages war es soweit. Der Markt brach zusammen, und die Aktienkurse 
              stürzten wie Felsbrocken in die Tiefe. Niemand anderer als 
              Warren wartete gut vorbereitet auf diese Situation an der Talsohle 
              dieses Abgrundes der Angst. Und plötzlich verschleuderte man 
              - wie er es auszudrücken pflegte - an der Wall Street so manches. 
              Seiner Strategie des unternehmensbezogenen Investierens folgend, 
              holte er mit seinem "Geld" - Schläger aus und traf 
              einige unglaubliche Bälle. Sein wahrscheinlich größter 
              Treffer während dieser Zeit war die Washington Post.
 Grundsätzlich 
              geht es hier darum, an der einmal gewählten Strategie festzuhalten 
              und nicht ins Wanken zu geraten, sondern standhaft zu bleiben, wenn 
              alle ungläubigen Thomase "Feuer" schreien und von 
              Board springen. Umgekehrt bedeutet die aber auch, dass Sie sich 
              dann, wenn alle Welt hinter jedem Felsen eine Goldader vermutet, 
              in Ihren Kaufentscheidungen ein solides Urteil nach dem Prinzip 
              des unternehmensbezogenen Investierens bilden und sich nicht vom 
              verrückten Enthusiasmus der breiten Masse anstecken lassen. Üben 
              Sie sich in Geduld und warten Sie auf den Wurf, der die Kaufgelegenheit 
              darstellt. Er wird kommen. Und denken Sie daran, dass die gewinnträchtigsten 
              Würfe nicht in einer optimistischen Börsensituation kommen, 
              sonder dann, wenn sich am Aktienmarkt Pessimismus breit macht. zurück |