Anleihen, Aktien, Inflation und die Rendite
von Jan Blaess

Unser Vermögen verliert Jahr für Jahr 3% Kaufkraft, wenn die Inflation bei 3% liegt. Aus eben diesem Grund legen wir unser Geld an. Würden wir das nicht tun, so würde unser in bar gehaltenes Vermögen rasch an Kaufkraft verlieren. Sinkt der Wert unseres Geldes mit einer Rate von 3%, müssen wir zumindest 3% Rendite nach Steuern erzielen, um die Inflation abzufangen. Doch das bringt uns ein reales Kaufkraftwachstum von 0%. Das ist eindeutig zu wenig. Die Rendite muss daher so weit wie möglich über 3% nach Steuern liegen. Der wahre Zusammenhang zwischen Aktien und Anleihen zeigt sich in den jeweiligen Kupons als Summe der jährlichen Renditen, die sich der Anleger von der einzelnen Geldanlage verspricht.

Bei einer Anleihe steht die Verzinsung fest: Ausgezahlt wird der Betrag, zu dessen jährlicher Ausschüttung (in Prozent vom Nennwert der Anleihe) sich das Unternehmen oder der Staat verpflichtet hat.Da die jährliche Kuponzahlung in ihrer Höhe unverändert bleibt, sind für den Preis, den ein Anleger für eine Anleihe zu zahlen bereit ist, drei Faktoren ausschlaggebend:

  • die erwartete Inflationsrate für die restliche Laufzeit der Anleihe
  • die aktuelle Rendite bei Staatsanleihen (Risikoloseste Anlageform und daher Maßstab für den Risikovergleich jeder anderen Anlageform), die zu demselben Termin fällig werden
  • der Risikozuschlag, den die Anleihebesitzer nach eigener Einschätzung der finanziellen Stabilität des Emittenten erwarten

Die ersten beiden Faktoren ergänzen einander. Die erwartete Inflationsrate müsste sich bereits in den Kursen für Staatsanleihen niederschlagen. Wenn Anleihenhändler in den nächsten zehn Jahren mit einer steigenden Inflation von beispielsweise 4% jährlich rechnen, müsste eine Staatsanleihe mit einer Laufzeit von zehn Jahren eine Mindestrendite von 6% (4% erwartete Inflationsrate + 2% für unvorhergesehene Risiken) abwerfen. Für eine Unternehmensanleihe hoher Bonität dürfte dann eine Rendite von 6,5% (6% + 0,5% Risikozuschlag falls das Unternehmen seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen kann) gezahlt werden. Die Anleihe bietet somit vollen Inflationsschutz - solange die Zinsen während der 10-jährigen Laufzeit der Anleihe nicht steigen. Wenn die Zinsen sich aber verändern, werden die Anleihenkurse steigen oder fallen, um für den erlittenen Kaufkraftverlust zu entschädigen.

Stammaktien bieten dem Anleger eine besondere Form von Kuponrendite: die vom Unternehmen erwirtschafteten Jahresgewinne. Was immer das Unternehmen an Gewinnen im Jahr erzielt, muss Ihnen irgendwann ausgezahlt werden. In diesem Sinne fungieren die Jahresgewinne als Kupon. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die Gewinne nicht sofort, sondern zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt werden. So wie es bei Anleihen eine Fälligkeitsrendite gibt, so besitzt eine Aktie eine Gewinnrendite, die einen Vergleich mit Anleihen, Zinssätzen und Inflationsraten zulässt. Damit gilt derselbe Zusammenhang, der zur Beurteilung der Attraktivität von Anleihen herangezogen wird, auch für die Bewertung von Aktien. Ihr vorrangiges Ziel ist die Ermittlung von Unternehmen, deren Jahresgewinnkupons die Inflation schlagen können. Ihr sekundäres Ziel besteht darin, dass Sie sich einem Gewinnstrom anschließen, der Ihnen mehr bietet als die aktuelle Rendite bei Staatsanleihen. Wenn Sie keine Unternehmen finden, die anleiheübertreffende Renditen abwerfen, tun Sie gut daran, Ihr Geld so lange in Anleihen zu investieren, bis der Zeitpunkt gekommen ist, zu dem wieder Aktien mit attraktiven Renditen gehandelt werden.

Oberstes Ziel einer Kapitalanlage ist daher die Inflation zu schlagen und zusätzlich eine Rendite zu erwirtschaften. Hierzu sind Staatsanleihen mit dem Rating AAA meistens geeignet, da sie neben der inflationsbereinigenden Rendite auch das größte Maß an Sicherheit für die Anlage bieten. Um die Rendite der Investition jedoch über das Maß absoluter Sicherheit zu maximieren, muss man nach Alternativen Ausschau halten, die bei gleicher Sicherheit wie Staatsanleihen eine höhere Verzinsung versprechen. Das können z.B. Aktien von ertragsstarken Unternehmen sein. Ist das Risiko jedoch größer als bei vergleichbaren Staatsanleihen muss ein Risikoaufschlag in Form von höheren Renditen, wie es auch bei Unternehmensanleihen häufig der Fall ist, gezahlt werden. Dann ist die Anlage trotzdem gleichrangig zu betrachten wie Staatsanleihen, da man für die höhere Rendite ja auch eine höheres Risiko eingeht. Bei Aktien kann man gerade in Haussemärkte das Phänomen beobachten, dass dieses Gesetz nicht beachtet wird. Jüngstes Beispiel ist der Neue Markt. Hier wurden Unternehmen die ein wesentlich höheres Risiko aufgrund nicht besicherter Passiva bzw. sogar Negativrenditen vorwiesen, zu höheren Kurs-Gewinn-Verhältnissen gehandelt als solide ertragsstarke Unternehmen mit sehr geringer Verschuldung und vorhandenen Verbrauchermonopolen. Ein Unsinn der jetzt wieder korrigiert wurde.

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