Grundlagen der Unternehmensanalyse
von Jan Blaess

Jedes Unternehmen hat auf der einen Seite einen wahren Wert, auch "innerer Wert" genannt, und auf der anderen Seite einen börsennotierten Marktwert, also der Preis, der aktuell an der Börse für eine Gesellschaft bezahlt wird. Entscheidender Faktor ist der Unterschied des "wahren" bzw. "inneren" Wertes eines Unternehmens, zu dem an der Börse notierten Marktwert (Kurs). Oftmals liegt der "Markt" mit seiner Bewertung richtig - die Kunst des Investierens dagegen ist herauszufinden, wann der Markt völlig daneben liegt. Langfristig pendelt der Marktwert eines Unternehmens immer um seinen "wahren", "inneren" Wert.
Ziel ist es, ein Unternehmen mit einem fähigen Management, starker Ertragskraft und hervorragenden wirtschaftlichen Aussichten mit einem erheblichen Abschlag zu seinem inneren Wert zu kaufen, frei vom Aktienmarktbewegungen, Politik, Konjunktur und Wirtschaft.

  • Gute langfristige Aussichten
    Der langfristige Wert der Aktienbestände ist nur von dem wirtschaftlichen Fortschritt der Unternehmen bestimmt, nicht durch tägliche Marktnotierungen. Daher ist ein Investor gut beraten, wenn er ein Portfolio zusammenstellt, das ihm innerhalb von 10 Jahren den höchstmöglichen wirtschaftlich konsolidierten Gewinn bringt. Ein Ansatz dieser Art wird den Investor zwingen, über langfristige Unternehmensaussichten statt über kurzfristige Marktaussichten nachzudenken, eine Sichtweise, die wahrscheinlich die Ergebnisse verbessert. Kurzfristig ist die Börse eine Abstimmungsmaschine aber langfristig ein Wertermittlungsinstrument.
  • Kauf eines Unternehmensanteils
    Eine Aktie ist ein Teil eines Unternehmens, d.h. es wird kein Stück Papier, sondern ein Unternehmensanteil erworben!
    Also: Sie kaufen einen Unternehmensanteil, daher muss auch die Unternehmensanalyse und nicht die Marktanalyse im Vordergrund stehen. Wenn Sie in Aktien investieren, werden Sie zum Unternehmer! Denken Sie bei Ihrer Investitionsentscheidung immer unternehmerisch.
  • Investor statt Spekulant
    Der Spekulant versucht von meist kurzfristigen Kursänderungen zu profitieren und diese vorherzusehen. Der Investor hingegen versucht außergewöhnliche Unternehmen zu preiswerten Kursen zu kaufen, kurzfristige Marktbewegungen sind nicht vorhersehbar.
  • Kursverfall
    Man sollte nicht im Aktienmarkt tätig sein, wenn man Teile seiner Aktienbestände nicht um 50% fallen sehen kann, ohne in Panik zu geraten. Ein vorübergehender Kursverfall von Top - Aktien sollte zu Käufen bzw. Nachkäufen genutzt werden, um die Bestände zu "verbilligen". Kursrückschläge sollten begrüßt werden, um Aktien preiswert hinzuzukaufen. Der Kaufkurs bestimmt Ihre Rendite. Je besser sie einkaufen umso besser wird Ihr Resultat ausfallen, vorausgesetzt sie erwerben auch nachvollziehbare Werte.
  • Einfache Entscheidungen
    Gute Geschäfte verlangen eine einfache Entscheidung, schwierige Geschäfte verlangen schwere Entscheidungen. Wenn die Entscheidung, ein Unternehmen zu kaufen, nicht einfach ist, lassen sie es fallen!.

 

Wie identifiziert man hervorragende Unternehmen?

Unter der Vielzahl der börsennotierten Aktiengesellschaften richtet man den Fokus lediglich auf wenige Gesellschaften. Um ein optimales Chancen / Risiko - Verhältnis zu erreichen, kommen nur die besten Unternehmen in die engere Betrachtung. Diese müssen beständig, solide und wachstumsstark bzw. renditestark sein. Diese Gesellschaften sind sehr selten, aber dennoch ist es nicht schwierig sie zu identifizieren. Sie stoßen auf diese Marktführer oftmals in Ihrem täglichen Leben.


Mit folgenden Fragen können Sie leicht eine erste Vorauswahl treffen:

  • Ist das Unternehmen einfach zu verstehen? Hat es eine beständige Betriebsgeschichte?
  • Werden die Produkte dringend benötigt? Gibt es keinen direkten Ersatz?
  • Gibt es Restriktionen die das Unternehmen behindern? Ist die Produktion einfach ausdehnbar?
  • Sind die Produkte eindeutig von den Konkurrenzprodukten zu unterscheiden?
  • Verfügt das Unternehmen über eine monopolartige Stellung?
  • Kann das Unternehmen noch genügend wachsen, hat es noch Wachstumsraum?
  • Kann die Nachfrage noch gesteigert werden?
  • Hat das Unternehmen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit der Preise?
  • Darf das Management Gewinne einbehalten und werden auf diese hohe Renditen erzielt?

Denken Sie bei diesen Fragen besonders an monopolähnliche Unternehmen wie z.B.: Coca Cola, Gillette, Walt Disney, Microsoft, Nokia, Philip Morris etc.
Schon auf den ersten Blick ist leicht erkennbar, dass es sich bei den o.a. Beispielen um erstklassige Unternehmen handelt, die aller Voraussicht nach auch in ferner Zukunft ihre führende Marktposition halten werden.

Diese teilweise noch subjektive allg. Unternehmensbeurteilung wird im nächsten Schritt durch konkret messbare "Qualitätskriterien" untermauert. Die Qualität wird somit quantifizierbar.
Die konkreten Kennzahlen ermöglichen Ihnen später auch das Vergleichen mehrerer Aktien untereinander. Folgende Qualitätskriterien sollten möglichst nachhaltig, und über mehrere Jahre erfüllt sein:

  • Kapitalrendite/Verschuldungsgrad
    Die Eigenkapitalquote sollte min. 30%, und die Eigenkapitalrendite min. 15% betragen. Auch die durchschnittliche EK-Rendite der letzten 10 Jahre sollte über 15% liegen
  • Managementbeurteilung
    Die Gewinnwachstumsrate sollte über 10% liegen, auch im 10 Jahresdurchschnitt. Sie sollte möglichst kontinuierlich sein und der 5 Jahresschnitt darf nicht stark vom 10 Jahresdurchschnitt nach unten abweichen.
    Das Unternehmen sollte möglichst viel Gewinn einbehalten, und nicht als Dividende ausschütten. Größenordnung > 50%.
  • Wie haben sich die einbehaltenen Gewinne verzinst?
    Oder anders ausgedrückt: Was hat das Management, aus den einbehaltenen Gewinnen, an zusätzlichem Wert für die Aktionäre (Value) geschaffen? Hierbei sollte sich jede einbehaltene Einheit in den 10 Folgejahren mit durchschnittlich min. 15% verzinst haben.
  • Finanzkraft (vgl. auch Gelfarth / Otte: Investieren statt spekulieren, München 2001, S.62 ff.):
    Die Umsatzrendite sollte min. 10% betragen und anwachsen.
    Die Cash Flow Marge min. 15% - besser 20% - betragen, und ebenfalls anwachsend verlaufen.
    Die Sachinvestitionen sollen höchstens 40% vom Cash Flow betragen.
    (vgl. auch Gelfarth / Otte: Investieren statt spekulieren, München 2001, S.62 ff.)

 

Wie bestimmt man den wahren Unternehmenswert?

Entscheidend für den Investitionserfolg ist, dass Sie diese Spitzenqualität zu einem vernünftigen Preis erhalten. Nur wenn der wahre Unternehmenswert deutlich über dem heutigen Marktpreis liegt und daraus eine überdurchschnittliche Renditeerwartung abgeleitet werden kann, sollte die Aktien des betreffenden Unternehmens für einen Kauf in Betracht kommen. Da nur äußerst beständige Unternehmen gut planbar sind, können Sie bei diesen Unternehmen eine Zukunftsprognose wagen. Ein Unternehmen welches die letzten 10 Jahre mit einer großen Beständigkeit seine Gewinne jährlich um beispielsweise 10% steigern konnte, wird in Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach beständiger wachsen als eine Gesellschaft, die sich in der Vergangenheit sehr ungleichmäßig entwickelt hat.

Um klare Signale zu erhalten haben gibt es drei verschiedene Verfahren. Diese Verfahren sind in: Gelfarth/Otte: "Investieren statt spekulieren" ausführlich und detailliert beschrieben. Sie finden dort auch eine ausführliche Musteranalyse und zahlreiche Berechnungsbeispiele.

Die drei Verfahren im kurzen Überblick:

  • DCF - Methode (Discounted Cash Flow Methode)
    Gemäß dem Diskontmodell wird der zu erwartende Netto-Cash-Flow (Cash Flow - Sachinvestitionen) mit dem akt. Zinssatz der 30ig-jährigen US-Rendite diskontiert. Das Ergebnis dieser Berechnung ist ein innerer Unternehmenswert. Beträgt der innere Wert des Unternehmen mehr als der Marktwert, handelt es sich um eine "Sicherheitsmarge". Der Cash-Flow und das Cash-Flow-Wachstum ist ein gutes Mittel um Unternehmen zu bewerten. Um aber das Problem hoher Investitionen zu berücksichtigen, werden von dem Cash Flow die Sachinvestitionen abgezogen, und wir erhalten ein "Netto-Cash-Flow" .

    Mathematisch sieht die Berechnung wie folgt aus:
    "Eine genaue Erfolgsplanung ist in der Regel nur für einen beschränkten Zeitraum möglich. Liegt eine derartige Erfolgsplanung vor bzw. ist sie erstellbar, werden für den Zeitraum die individuellen Periodenerfolge kapitalisiert; für alle nachfolgenden Perioden werden gleichbleibende Erfolge angesetzt, die als ewige Rente kapitalisiert und auf den Bewertungsstichtag abgezinst werden". [...] Das Ergebnis dieser Berechnung ist ein innerer Unternehmenswert. Beträgt der innere Wert des Unternehmen deutlich mehr als der Marktwert, handelt es sich um ein wichtiges Kaufsignal. Viele Investoren sprechen hierbei von einer "Sicherheitsmarge"..." (vergl. Mandl / Rabel: Unternehmensbewertung).
  • Unternehmenswert auf Basis der Gewinne pro Aktie und KGV:
    Hierbei werden die aktuellen Unternehmensgewinne mit der durchschnittlichen Wachstumsrate der Vergangenheit über einen Zeitraum der kommenden 10 Jahren versehen. Als Ergebnis erhalten Sie eine Gewinnprognose für das zehnte Jahr.
    Bei der Kursermittlung im 10. Jahr sollten Sie äußerst zurückhaltend vorgehen.
    Multiplizieren wir den prognostizierten Gewinn im zehnten Jahr mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis, erhalten wir eine begründete Annahme über den zukünftigen Unternehmenswert bzw. den Wert einer Aktie in zehn Jahren.
    Man verwendet hier lediglich das durchschnittliche KGV der letzten 10 Jahre. Bezogen auf den heutigen Marktwert kann unter Berücksichtigung des Zinseszins eine zu erwartende durchschnittliche Kursrendite ermittelt werden. Das prognostizierte KGV sollte jedoch niemals höher als 18 sein! Das müsste dann auch ein wirkliches Superunternehmen mit hoher Wachstumsdynamik und sehr hoher Sicherheit in Form von geringer Verschuldung und hoher Liquidität sein.
  • Unternehmenswert auf Basis der Eigenkapitalrendite
    Das aktuelle Eigenkapital pro Aktie wird mit der durchschnittlichen Eigenkapitalrendite der Vergangenheit versehen. Die einbehaltenen Gewinne werden jedes Jahr dem Eigenkapital zugeführt. Zur Kursermittlung im 10. Jahr wird das durchschnittliche KGV der letzten 10 Jahre verwendet.
    "...Bei der Berechnung des Unternehmenswertes auf Basis der Eigenkapitalrendite überlegen wir uns, wie das Eigenkapital des Unternehmens im Laufe der Zeit wächst, und welche Rendite das Unternehmen bisher auf sein Eigenkapital erzielt hat. Damit können Sie dann auch einen Unternehmensgewinn für das Jahr 10 berechnen und mit Hilfe eines geschätzten KGV den Unternehmenswert im zehnten Jahr bestimmen...." (vergl. Mandl / Rabel: Unternehmensbewertung).

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