Vaterlandslose
Gesellen so titelte der Präsident des Deutschen
Bundestages. Bezeichnet wurden damit aber nicht, wie man vorschnell
meinen könnte, Mehrstaatler, oder flüchtige Terroristen,
sondern deutsche Großkonzerne und Mittelständler. Warum?
Weil sie nach den Worten Thierses, des Bundestagspräsidenten
- in Deutschland eine gute wirtschaftliche Infrastruktur verlangen,
ihre Betriebs- und Produktionsstätten aber in Ländern
mit niedrigen Steuern und Sozialabgaben verlagern und so ihre Ausgaben
senken. Sie nehmen viel, und geben wenig, und damit sind sie eben
vaterlandslose Gesellen.
Das
bei den Personen, die sich zur Zeit in Deutschland in einflußreichen
politischen Positionen befinden, der wirtschaftliche Sachverstand
nicht sonderlich ausgeprägt ist, dürfte all denen, die
sich ein wenig mit wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten
beschäftigen, nicht verborgen geblieben sein. Das aber, was
hier der Bundestagspräsident von sich gegeben hat, offenbart,
mit allem gebührenden Respekt, einen ziemlich großen
Mangel an wirtschaftlichem Sachverstand.
Wenn
es doch so einfach wäre, daß man einfach nur nach Steuern,
Sozialabgaben und niedrigen Lohnkosten zu schauen hätte, und
dann ein Unternehmen erfolgreich führen könnte, dann wären
wohl schon viel mehr Unternehmen aus Deutschland verschwunden. So
einfach ist es aber nicht. Die oben genannten Faktoren sind nur
ein paar aus der Masse der für Unternehmen zu berücksichtigen
Standortfaktoren. Natürlich gehören sie zu den wichtigsten,
da sie sich unmittelbar auf der Kostenseite auswirken, aber sie
sind eben nicht die einzigen.
Unternehmen
suchen sich ihre Standorte nicht allein nur nach der Kostenseite
aus. Genauso wichtig ist der Absatz und die Faktoren, die die Innovationen
beeinflussen, wie zum Beispiel Anbindungen an die Forschungseinrichtungen
oder die informationstechnologische Infrastruktur.
Und
genau da ist das Problem in Deutschland zu sehen. Deutschland ist
ein einfach in der Masse der zu bedenkenden Standortfaktoren nicht
mehr wettbewerbsfähig genug, um die hohen Kosten, die hier
von hohen Steuern und Sozialabgaben sowie Lohnkosten geschaffen
werden, wieder wett zu machen. Lange Zeit war es nämlich so,
daß Deutschland beispielsweise in der Forschung, in der Verkehrsinfrastruktur
oder in der Krankenversorgung Weltklasse war. Und heute? Genau in
diesen Bereichen wird gespart ohne Ende, um unsere umlagebasierten
Sozialsysteme aufrecht zu erhalten.
Das,
was unsere Politiker verkennen, ist, daß in einer globalisierten
Welt eben auch ein Wettbewerb der einzelnen Länder stattfindet,
und daß besonders die Unternehmen inzwischen viel mehr Möglichkeiten
haben als noch vor 30 Jahren, in den unterschiedlichsten Ländern
zu forschen, zu entwickeln, und zu produzieren, und dann die dort
gefundenen Ergebnisse wieder in anderen Ländern zusammen zu
führen. Und bei diesem Prozeß spielen dann natürlich
die Kosten eine große Rolle. Wo Deutschland nun mal schlecht
abschneidet. Aber Unternehmen an die lange Leine zu nehmen ist in
einer freien Wirtschaft schwer möglich.
Und
während die Politiker noch diskutieren, verlagern die Unternehmen
weitere Betriebsstätten. Wacht auf!, möchte
man unseren Politikern zurufen, denn vaterlandslos sind nicht nur
die, die sich die Vorteile sichern, sondern dann auch die, die die
Möglichkeiten zu Veränderungen in der Hand haben, aber
diese nicht nutzen, und damit die Abwanderung ermöglichen!
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