Spotlight: Umdenken ist gefragt!
von Oliver Lexa

Geht es uns gut? Sicher. Aber wie finanzieren wir uns? Das regeln wir später.

So oder so ähnlich könnte man das Denken und Handeln unserer Politiker beschreiben. Während die europäischen Nachbarstaaten handeln um mit der globalisierten Welt mithalten zu können, legen unsere Politiker die Hände in den Schoß und warten. Wir werden deshalb mit ausgeruhten Politikern belohnt, die träge ihre Wohlstandsbäuche vor sich her schieben. Unsere europäischen Nachbarn erhalten weniger Arbeitslosigkeit und höheres Wirtschaftswachstum.

Die Folgen für Deutschland sind fatal:
Die Arbeitslosigkeit steigt, die Wirtschafts lahmt aufgrund drückender Steuerlast. Die deutsche Wirtschaftswettbewerbsfähigkeit sinkt im weltweiten Vergleich. Die hohe Staatsquote (also das Verhältnis der Staatsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt) von 50 Cent pro Euro zwingt viele Arbeitnehmer in die Schwarzarbeit. Die Neuverschuldung wächst. Die Kosten des Gesundheitswesen steigen, die Rentenzusagen können nicht eingehalten werden. Das Sozialsystem ist in dieser Form nicht finanzierbar. Langfristig gesehen! Trotz der offensichtlichen Reformnot scheinen die Politiker nicht handeln zu wollen. Der Grund? Man befürchtet eine Verschlechterung der momentanen Situation. Aber wie weit schlechter könnte es noch werden?

Richtig (und wichtig) ist:
Die Deutschland AG ist von der Leistungfähigkeit mit einem "Mangelhaft" zu bewerten, aber Spitzenreiter bei den Kosten. Damit steht die drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt vor dem Abstieg in die Armut. Wie kommt es dazu? Allen ist bewußt, das die deutsche Bürokratie, der Bildungsnotstand und die Massenarbeitslosigkeit Schuld daran sind. (Aber dies sind nur einige der Missstände. Die Liste ist noch viel länger.)

Wie könnte man nun versuchen diese Not zu lindern?
Die Massenarbeitslosigkeit zu senken wäre ein großer Fortschritt. Es muß eine dezentrale Lohnfindung auf der Ebene der Betriebe möglich sein. Deshalb müssen Arbeitslose und Arbeitnehmer größere Freiheiten für die individuelle Vertragsgestaltung mit den Arbeitgebern erhalten, einschließlich Lockerungen beim Kündigungsschutz und der Lohnhöhe. Zudem muß das Niveau der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe gesenkt werden. Aber traut sich ein Politiker an solche heiklen Themen heran? Er müßte es dringend versuchen. Auch wenn er dabei auf Widerstand stößt. Die Beiträge zur Sozialversicherung haben sich in den letzten vierzig Jahren um 50 Prozent erhöht. Folge? Schwarzarbeit. Natürlich ist dieses Problem auch den Politikern bewußt. So wundert es auch nicht, wenn der Grundtenor der Parteien gleich lautet: z.B. weniger Steuerbelastung, niedrigere Krankenkassenbeiträge. Aber wann? Wie lange? Und vor allem, wie???
Der Reformdruck wächst. Und haben unsere Nachbarstaaten England, Niederlande und USA uns nicht gezeigt, das auch in schwierigen Zeiten unpopuläre Reformen, wie z.B. die Liberalisierung des Arbeitsmarktes möglich sind? Die Folge dort? Die Wirtschaft und der Aktienmarkt boomt. Reformen könnten auch unseren Branchen helfen. Natürlich gibt es auch einige Verlierer dabei.

Betrachtet man den Arbeitsmarkt, erkennt man, das nicht nur die Arbeitslosen durch die aktuellen Arbeitslosenzahlen betroffen sind. Ein Beispiel wäre, das über 70 Milliarden Euro aufgrund von direkter und indirekter Sozialkassenbelastung hier zu Buche schlagen. Dieser Betrag muß auf anderem Weg wieder eingeholt werden. Es wäre also dringend an der Zeit für eine flexiblere Arbeitsmarktlösung. Dies wird auch von den Parteien gefordert. Die Lösung könnte Zeitarbeit heißen. Hier springt die Hartz-Kommission ein ("Zeitarbeitsfirmen als Vermittler von Erwerbslosen"). Das Hartz-Model steht für eine Flexibilisierung der Vermittlungs- und Verleihgesetze. Dies ist neu. So ist es bisher in Deutschland nicht erlaubt, Zeitarbeiter für nur einen Einsatz anzustellen.In der Baubranche durften bisher noch keine Zeitarbeiter eingesetzt werden. Was wäre die Folge für eine solche Lockerung? Unternehmen wie z.B. Adecco oder Randstad, beides internationale Arbeitsvermittlerunternehmen sind in Deutschland nicht sehr aktiv. Vergleicht man dagegen Deutschland mit den Niederlanden, erkennt man, das die gleichen Unternehmen dort einen Anteil von fünf Prozent haben. In Deutschland sind nur knapp 0,9 Prozent aller Erwerbstätigen bei einer Vermittleragentur unter Vertrag. Auch eine Kürzung der Arbeitslosenunterstützung könnte helfen. Dies muß aber mit Vorsicht genossen werden, da es schwierig sein kann, die "schwarzen Schafe", also diejenigen, die nicht arbeiten wollen, von denjenigen, welche einfach keine Arbeit mehr finden, unterscheiden zu können. Auch hat Kanzler Gerhard Schröder entgegen seinem Versprechen nicht nur die Zahl der Arbeitslosen nicht gesenkt, sondern den Gewerkschaften zuliebe den deutschen Arbeitsmarkt - ganz der "Genosse der Bosse"- weiter stranguliert, indem er einen rigorosen Kündigungsschutz auch für Kleinbetriebe eingeführt, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhöht und die 630-DM-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umgebucht hat, was nur auf dem Papier zu einem Anstieg der Zahl der Beschäftigten geführt hat.

Wie steht es um das Steuersystem? Trotz eines schlechten Haushaltes die Steuern senken? Woher kriegt der Staat dann sein Geld? Steuersenkung unmöglich? Im Gegenteil. Auch bei den Parteien hat sich herumgesprochen, das Einkommenssteuersenkungen dem Einzelnen mehr Geld in den Taschen läßt. Und was machen die Haushalte mit mehr Geld? Sparen für schlechte Zeiten. Oder ausgeben. Und das stärkt den Konsum, davon profitiert die Wirtschaft. Dies berücksichtigen die beiden Koalitionen in ihren Programmen. Die Union und FDP etwas drastischer als die SPD/Grünen. Von einer Senkung des Spitzensteuersatz würden vor allem Topmarken wie z.B. Porsche, Mercedes und BMW profitieren. Aber nur den Spitzensteuersatz zu senken hilft nicht. Man muß die mittelständischen Betriebe, den mittelständischen Arbeitnehmer helfen. Dies hätte auch Auswirkungen auf Konsum-Aktien (z.B. KarstadtQuelle, Metro), die noch unter der Verbraucherzurückhaltung leiden. Ein Aussetzen der Öko-Steuer, wie von der Union/FDP gefordert, würde ebenfalls helfen. Die Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung sind nur deshalb nicht noch höher gestiegen, weil die Einnahmen aus der Ökosteuer umgeleitet wurden. Eine weitere, zugegeben drastische, Methode würde die Abschaffung aller Steuervergünstigungen beinhalten. Das würde den Stabilitätspakt nicht verletzen. Aber würde es wirklich etwas bringen? Höchstwahrscheinlich nicht. Abwanderungen aus Deutschland und vermehrte Insolvenzen wären die Folge. Dies ist kein Ziel, das die Regierung verfolgen sollte. Gerade weil es in Deutschland in den letzten Jahren zu ansteigenden Insolvenzzahlen kam.

Ein weiteres, gewichtiges Problemfeld ist die Rentenkasse. Trotz Abbau der Leistungen und Milliardenzuschüssen durch die Öko-Steuer, wird der Rentenkassenbeitrag 2003 um 0,2 Prozent auf 19,3 Prozent des Bruttolohns ansteigen. Rechnet man nun ein bißchen weiter, und berücksichtigt keine Reformen, so würde das Beitragsniveau auf 50 Prozent steigen. Dies riecht nicht nur, nein, dies stinkt schon nach dringend benötigten Reformen. Die als Ausgleich für sinkende Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenkasse eingeführte Riester-Rente ist auch keine Lösung. Die wenigsten Menschen überblicken dieses Rentensystem. Selbst viele Anlageberater haben nicht wirklich Ahnung davon. Dies sollte sich aber schnell ändern. Spätestens 2003. Wieso? Weil 2003 die Bundesbürger eine Benachrichtigung erhalten, in der stehen wird, wie groß ihre Rentenlücke sein wird.
Welcher Branche nutzt dies? Sicherlich den großen Versicherungskonzernen (z.B. Ergo, AMB Generali und Allianz). Sie haben genügend Finanzkraft um sich gegen kleinere Konkurrenten durchsetzen zu können. Auch wird die staatlich geförderte betriebliche Altersvorsorge an Bedeutung gewinnen. Nach Schätzungen werden in die betrieblichen Pensionskassen bis 2010 knapp 66 Milliarden Euro eingezahlt werden.

Nun muß man aber auch noch auf die Reformen der Krankenkassen schauen. Die Kosten für das Gesundheitswesen steigen raketenhaft an. Seit 1992 sind die Kosten in diesem Bereich um circa 40 Prozent gestiegen. Auf 200 Milliarden Euro pro Jahr. Und eine Erhöhung durch die neue, alte Regierung von 14 auf 14,4 Prozent des Bruttolohns scheint schon beschlossene Sache zu sein. Kein Wunder also, das bei Umfragen unter Krankenversicherten knapp 55 Prozent für eingreifende Reformen sind. Auch muß man sehen, das die Qualität im internationalen Vergleich nur noch im Mittelfeld angesiedelt ist. Reformen sollten also dringend geschaffen werden. Denn die Reformen könnten auch weitreichende Folgen haben und andere Branchen beeinflussen.
Ein wichtiger Punkt: Das Gesundheitssystem muß effizienter werden. Hier sollte vor allem ein Augenmerk auf die Krankenhäuser geworfen werden, da diese Branche mehr als 40 Prozent der Gesundheitsausgaben verbraucht. Ein guter Ansatz ist die ab 2004 eingeführte "Fallpauschale". Hierbei wird ein fester Betrag für ein bestimmtes Krankheitsbild veranschlagt. Im Vergleich zu heute ein Riesenfortschritt. Setzen sich heute noch die Kosten aus einzelner Posten wie Liegedauer, Untersuchungen, Operationen zusammen. Ab 2004 muß ein Beinbruchpatient einen festen Betrag bezahlen, egal ob er nun zwei oder zwölf Tage im Krankenhaus liegen muß. So eine Reform zieht natürlich auch eine bessere Organisation nach sich. Aber eine gute Organisation ist bisher nur bei privaten Krankenhäusern sichtbar. Private Kliniken könnten die großen Gewinner der Reform sein. Viele Kommunen und Länder können sich Krankenhäuser nicht mehr leisten und verkaufen diese an private Investoren. Und wenn man sich z.B. die Aktie des Krankenhausbetreibers Rhön-Klinikum anschaut, wird man feststellen, das diese schon seit Jahren Gewinn abwirft.
Aber auch die Arzneimittelpreise müßten geringer werden. Dies könnte durch das Umstellen auf Generika (billige, nachgemachte Produkte von Medikamenten bei denen der Patentschutz ausläuft) erreicht werden. Das würde sich auf Generikahersteller (z.B. Stada) stark auswirken. Auch Pharma-Unternehmen mit echten Innovationen, für die trotz allem immer noch hohe Preise gezahlt werden, zählen zu den Gewinnern. Aber im Moment gibt es keine wirklich neuen Medikamenten. Dies bereitet vor allem den großen US-Pharmakonzernen Probleme. Da sind einige deutsche oder europäische Werte (z.B. Schering, Altana und Aventis) besser gestellt, denn der Gesundheitsmarkt an sich bleibt ein Wachstumsmarkt: Schließlich dreht sich die Alterspyramide um. Mehr ältere Menschen, die (im Vergleich) von weniger jüngeren Menschen aufgefangen werden müssen.

Fazit: Die Zeit der ruhigen Hand scheint vorbei zu sein. Die Deutschland AG will schließlich in die Champions-League. Absteigen können andere! Damit dieses Ziel von Deutschland erreicht werden kann, braucht die Deutschland AG neue Spieler. Der Spielmacher sollte "Reformen" heißen.

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