Geht
man heute durch die Strassen italienischer Großstädte
und fragt die Bewohner, was sie von der aktuellen italienischen
Wirtschaft halten, kriegt man eine eindeutige Antwort: "Magnìfico!",
was so viel wie "herrlich, prächtig, toll" bedeutet.
Verwunderlich, würde man hier in Deutschland heimlich flüstern.
Schließlich sind die Italiener doch nur mit 0,2 Prozent mehr
Wirtschaftswachstum "gesegnet" als wir hier in Schröder-Country
(Deutschland liegt bei 0,2 Prozent). Sprich man die Italiener daraufhin
noch mal ernsthafter an, verschwindet zur deutschen Verwunderung
deren Einstellung nicht, und der Italiener wird uns wieder sein
herzerfrischendes Lächeln schenken und uns mit strahlenden
Augen ein fröhliches "Magnìfico" zurufen.
Nun
können manche sagen, das liegt an der lebhaften und netten
Art der Italiener, das Leben etwas einfacher und lockerer zu sehen,
aber wer sich einmal das Geschäftsleben in Italien genauer
angesehen hat, dem wird sicherlich aufgefallen sein, dass der Italiener
im Alltag sehr wohl Wert auf Etikette und Förmlichkeiten legt.
"Bizz is bizz" heißt es in Amerika und das gilt
auch in Italien. Was man in der Freizeit macht, steht in einem anderen
Buch......
Woher
kommt aber diese lockere Einstellung gegenüber doch bedrohlichen
wirtschaftlichen Nachrichten und Aussichten? Um einen kleinen Einblick
zu bekommen, schaut man sich einfach mal die Regierungen der letzten
58 Jahre an und bemerkt dann, dass es in diesen Jahren doch tatsächlich
auch 58 verschiedene Regierungen gab, auch wenn nicht jedes Jahr
eine andere "ausgewechselt" wurde. So überrascht
es nicht, wenn manche italienische Unternehmen meinen, dass sie
auch gut ohne die Regierung zurechtkommen.
Um es direkt zu sagen: Italien ist ein Land, welches unter ständigen
politischen Personalwechseln in den Führungsämtern zu
kämpfen hat, was zu ständigen politischen Lähmungen
führt. Darüber hinaus kämpfte Italiens Wirtschaft
mit einem furchtbaren Lirakurs (man munkelt, dass Italien deswegen
ohne Kompromisse den Euro wollte) und unvorhersehbarer Politik.
Dies bewirkte, das ein Manager in Italien viele Sorgen über
die Außenwelt "ausklammern" und sich auf andere
Gebiete spezialisieren mußte. Zum Beispiel die Suche nach
neuen Kunden und neuen Märkten.
In
Italien geht nichts so wie bei dem Rest der Welt, sagen viele Italienexperten.
Leicht zu verstehen, wenn man sich überlegt, dass selbst die
bestformuliertesten Verträge unsicher erscheinen, wenn ein
ziviles Gerichtsverfahren über zwanzig Jahre dauern kann, wenn
es so viele Gesetze gibt, die sich gegenseitig blockieren, so dass
niemand eine einheitliche Linie finden kann, wenn Gerichte jedes
Gesetz völlig selbständig interpretieren und auslegen
können und die Steuerhinterziehung so selbstverständlich
ist, wie die morgendliche Tasse Kaffee. Wer sich dann noch mit den
italienischen Behörden anlegen will, wird schnell feststellen,
dass viele Behörden einfach gar nichts machen und von den anderen
keine Entscheidungen zu erwarten sind. Wer dann noch nicht mal über
sehr gute Beziehungen verfügt, sollte erst gar nicht erwarten,
dass man ihn anhört. Da sollte man sich lieber in einem anderen
Land zur Ruhe setzen.
Aber
schlechte Laune ist dennoch in Italien nicht erlaubt, den schlechte
Laune stempelt einen als Verlierer ab und das ist in Italien niemand.
Wenn sich ein Problem heute nicht lösen läßt, macht
man eben das Beste aus dem Tag, setzt ein Lächeln auf und brüllt:
"Magnìfico!" Dies
spiegelt auch die Tatsche wieder, dass die private Nachfrage in
Italien eher ein stabilisierendes Element für die Konjunktur
ist, anders als in Deutschland. Denn Italiener kennen kein "Angstsparen".
Das Geld wird immer noch in die Geschäfte getragen. Schließlich
ist alles Bestens in Italien.
Ein
weiterer Pluspunkt für Italien ist, dass radikale Steuersenkungen
in Aussicht gestellt wurden. Der oft kritisierte Haushalt für
das Jahr 2003 enthielt niedrigere Einkommenssteuersätze, Abschaffung
der Erbschaftssteuer unter Verwandten, einen 12,5-Prozent-Abschlag
für Dividenden und Zinsen. Darüber hinaus wird ein Gesetzesvorschlag
erarbeitet, in dem die Einkommenssteuer auf nur noch zwei Stufen
mit 23 bzw. 33 Prozent verringert werden soll. Was sagt unser fröhlicher
Italiener zu diesen Vorschlägen? Genau: "Magnìfico".
Aber
trotzdem hat Italien zwei massive Probleme, die mit Deutschland
geteilt werden und bei denen der fröhliche Italiener nur noch
"orrendo" rufen kann - "grauenhaft": der Arbeitsmarkt
und das überteuerte Rentensystem.
Aber das sind für Italiener an sich keine wirklichen Probleme,
schließlich ist man gutgelaunt und glaubt, dass sich immer
eine Lösung findet. Und mit einem kleinen Seitenhieb weist
uns dann der lustige Italiener auf die deutschen Reformprobleme
hin, welche in Italien nie entstehen könnten. So ist es unverstellbar,
das ein vierzigjähriger Italiener bei einer Behörde Sozialhilfe
verlangen würde. Er würde nur ein lautes "Parassita!"
hören. In Italien gibt es Sozialhilfe im arbeitsfähigen
Alter genausowenig wie Arbeitslosengeld nach einem Jahr. Und auch
in den Monaten Sieben bis Zwölf bekommt man nur 30 Prozent
des letzten Gehaltes. Um Kranke kümmert sich ein staatliches
Gesundheitswesen, das über einen minimalen Versorgungsstandard
verfügt. Trotzdem ist dieses Gesundheitswesen "magnìfico",
schließlich gibt es in Italien keine Kostenexplosion zu befürchten.
Und
dann gibt es da noch die abertausenden Kleinunternehmen, welche
sich (im Gegensatz zu z.B. Fiat) zusammengeschlossen haben und eine
"Zweckehe" eingegangen sind. Die interessante Kombination
von Konkurrenz, hohe Spezialisierung, Kostenvorteilen, hoher Stückzahlen
und Flexibilität bei kleinen Einheiten treffen sich hier. Ebenso
sind die meisten Kleinunternehmen Familienbetriebe und somit sehr
flexibel, da die Familienangehörigen nicht nach Gewerkschaftsvertretern
und Sonderkonditionen für Überstunden schreien (Deutschland
läßt grüßen) und im Zweifel den Gürtel
enger schnallen.
Ebenso
hat man in Italien erkannt, das nicht der Staatsbedinstete der Vorzeigeitaliener
ist, sondern das der Selbständige mittlerweile das Leitbild
Italiens ist. Dies hat man sogar in Süditalien anerkannt, als
man merkte, dass die früher üppigen Subventionen nicht
mehr so dick fließen.
Alles
in allem ist Italien zwar nicht "gerettet", aber man ist
sehr sorglos und positiv, was die Zukunft betrifft. Dadurch, dass
man in Italien praktisch alles schon mal erlebt hat, kümmert
man sich weniger und "macht sein eigenes Ding". Und wenn
man Abends in Italien an einem Strand die Sonne untergehen sieht,
hört man hier und dort ein leises "Meraviglioso"
aus den Häusern wispern: "Wunderbar"......
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