Spotlight: Steuern runter - oder doch nicht?
von Oliver Lexa
07.07.2003

Was hörten unsere müden Ohren diese Woche? Steuern runter? Und das in Deutschland? Fast sollte man meinen, diese Behauptung wäre eine Zeitungsente, aber sie soll angeblich wahr sein. Eine vorgezogene Steuersenkung wäre möglich, so lautet es aus Regierungskreisen. Und schon sieht man "Papa Gerd" mit seinem fröhliches Grinsen durch die Gänge der Regierungsgebäude laufen, als wäre ihm der große Coup gelungen.
"Vorsicht", möchte man da sagen. Erstens ist eine Steuersenkung fast nur der nächstlogische Schritt (schließlich bricht der Bundesbürger unter der Abgabenlast sowieso schon zusammen) und zweitens rieten Wirtschaftsexperten schon vor Monaten zu dieser Maßnahme. Also Herr "Chefkanzler", das Ei des Kolumbus wurde immer noch von selbigen und nicht von Ihnen entdeckt.

Was trübt aber diese erfreuliche Mitteilung?
Da wäre zum einen, das diese Nachricht von dem mittlerweile extrem unglaubwürdigen Finanzminister erteilt wurde. Herr Eichel (wir erinnern uns, das war doch der, der an einem zweiprozentigem Wirtschaftswachstum festhielt, obwohl die aktuellsten Zahlen schon ein halbprozentiges Wachstum bezifferten) hatte sich doch noch vor einigen Tagen ausdrücklich gegen eine vorzeitige Steuersenkung ausgesprochen. Was ist also los mit unserem Finanzminister? Legt er die Tarotkarten? Liest er im Kaffeesatz? Oder würfelt er einfach seine Entscheidungen aus?
Jedenfalls meint man manchmal das Gefühl zu haben, als wären die Bundesfinanzen eine große Lotterie und Herr Eichel zieht wahl- und planlos Entscheidungen aus dem Hut (was für eine Karriere als Zauberer sprechen würde).

Was ist aber nun dran, an der Steuersenkung, sofern sie kommen sollte?
Einig ist man sich, dass eine Steuersenkung nur durch Einsparungen in anderen Bereichen möglich ist.Dafür sind drei Schritte vorgesehen.

  • In dem ersten Schritt legt Herr Eichel dafür eine Liste vor, die unter anderem die Streichung von Steuervergünstigungen vorsieht. Aber auch Renten- und Gesundheitsministerin Schmidt muß mithelfen und ein vernünfiges Konzept zur Aufpolierung des Sozialetats (immerhin 40% der Bundesausgaben) vorlegen. Sollte dies nicht geschehen (schließlich muß Eichel bis 25. Juni den Entwurf des Haushaltes 2004 vorlegen, in dem er ein Finanzloch von 15 Milliarden Euro stopfen darf) würde Eichel sein Veto einlegen, welches nur durch die Hilfe des Kanzlers umgestimmt werden kann. Minister Eichel droht aber mit Rücktritt, wenn man ihm in dieser Weise das Vertrauen aberkennt (also keine Sorge. Wer in der SPD mit Rücktritt droht, wird immer gestärkt, vgl. Kanzler Schröder und Agenda 2010).
  • In dem zweiten Schritt übernimmt der Finanzminister einen Plan der Ministerpräsidenten Koch (CDU-Hessen) und Steinbrück (SPD-NRW), welche zusammen eine Arbeitsgruppe gebildet haben. Diese erstellten eine Liste, um alle Finanzhilfen und Steuervergünstigungen in den nächsten zehn Jahren um 10 Prozent im Durchschnitt zu senken. Herr Eichel wird diese Liste übernehmen, aber noch weiter einschneiden. Die wichtigsten Wegfälle werden wohl die Punkte der steuerfreien Sonntags- und Nachtzuschläge sein, die Entfernungspauschal bei Fahrten zum Arbeitsplatz, die Finanzhilfe für Kohle und Windenergie, die Landwirtschaftssubventionen und eine Streichung der Eigenheimzulage sein.
  • In dem dritten Schritt will Minister Eichel diese Streichliste zusammen mit dem Vorschlag zur Vorziehung der dritten Steuerreformstufe auf 2004 (statt 2005) in einem Gesetz einbringen.

Genialer Schachzug, denn nun stehen plötzlich Union und FDP unter Druck. Sie können nur dann für vorzeitige Entlastungsschritte votieren, wenn sie auch eine Kürzung bei der Eigenheimzulage oder Pendlerpauschale zustimmen. Erschwerend kommt auf Herrn Eichel zu, dass er im Herbst in Brüssel den EU-Währungshütern erklären und dann noch überzeugen muß, dass die Haushaltslöcher trotz der Steuersenkung im Mittel nicht größer werden. Eichel kann sich dabei auf ein starkes Argument verlassen: Die vorgezogene Reform belastet die Haushalte nur ein Jahr.

Aus den Lagern der Wirtschaftsexperten erklingen derweil skeptische Töne. Der Grundgedanke ist richtig und logisch, aber die Steuerreform sei schon finanziert worden. Eine Subventionskürzung sei ebenfalls der richtige Weg, aber nur wenn man diese über zusätzliche Tarifsenkungen an die Bürger weitergibt, meinen Experten. Die Union erhebt ebenfalls Einsprüche. Man sei unter keinen Umständen bereit, eine Vorfinanzierung der Steuerentlastung mit höheren Schulden zu bezahlen, da schon jetzt 80 Prozent der Bundesländer Probleme hätte einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen. Ebenfalls Probleme könnten aus Brüssel kommen, da dort schon seit einiger Zeit ein weiterer blauer Brief liegt.

Aber trotz allem Mosern und Meckern bleibt eine freudige Erkenntnis:
Danke Herr Koch, Danke Herr Steinbrück. Sie zeigen uns, dass man nicht unbedingt gleicher Ansichten sein muß, um vernünftig und wirkungsvoll zusammenzuarbeiten und Ergebnisse vorlegen zu können. Daran sollten sich alle ein Beispiel nehmen.

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