Wie
von der modernen Wirtschaftswissenschaft dargelegt, bewegt sich
der Konjunkturzyklus weitgehend nach einem Standartmuster.
Der
erste Abschnitt ist der Konjunkturaufschwung oder die Expansion,
danach folgt die wirtschaftliche Hochphase, anschließend kommt
es zu einem Abschwung oder Rezession und endet schließlich
in einer Wirtschaftsflaute. Im Durchschnitt dauert die Aufschwung-
oder Expansionsphase des 20. Jahrhunderts ungefähr vier bis
sechs Jahre. Rezessionen sind in der Regel viel kürzer, im
Durchschnitt ungefähr ein oder zwei Jahre. Entsprechend sind
auch Bärenmärkte von kürzerer Dauer als Bullenmärkte.
(Die 30er- und 70er-Jahre waren die Ausnahme von der Regel. Die
30er-Jahre waren zwar mit ein paar sporadischen konjunkturellen
Erholungsphasen durchsetzt, aber im Großen und Ganzen war
es eine Dekade der Rezession. Die 70er-Jahre waren ein sehr unbeständiges
Jahrzehnt, das zwischenzeitlich sowohl schnelle Erholungsphasen
als auch scharfe Konjunktureinbrüche inne hatte.)
Sehr
allgemein gesprochen bringt eine Rezession in der Regel niedrigere
Zinsen mit sich; sie fallen, weil die konjunkturelle Abschwächung
die Notenbanken davon überzeugt, dass die Inflation, das pure
Gift für die Existenz des Anleihemarktes, mit der Abkühlung
der Wirtschaft verschwindet, und deshalb die Zinsen gesnkt werden
(außerdem kann man - z.B. in Amerika, da dort auch, im Gegensatz
zu Europa, die Notenbank das Wirtschaftswachstum im Auge hat - Zinssenkungen
zum Ankurbeln der Wirtschaft nutzen). Anleihen nehmen die wirtschaftliche
Abschwächung oder Rezession durch eine Kurserholung vorweg
(weil die Anleger ihr Geld aus "unsicheren" Aktien abziehen
und "sichere" Anleihen kaufen). Mit steigenden Anleihekursen
sinken die Anleiherenditen, worin die abnehmende Inflationswirkung
der Anleger zum Ausdruck kommt.
Der Aktienmarkt, der sein Stichwort von den sinkenden Zinsen erhält,
beginnt aufzuholen, in manchen Fällen auf fast mysteriöse
Weise, da die Investoren oder Normalbürger nicht um die beflügelnde
Wirkung von sinkenden Zinsen wissen (sinkende Zinsen schmälert
die Anleiherendite, so daß ab einem bestimmten Punkt Aktien
für die Investoren wieder interessant werden).
Schließlich
beginnen im Zuge einer erstarkenden Wirtschaft und anziehender Nachfrage
die Preise von Gütern und Dienstleistungen zu steigen. Es ist
die neu entfachte Nachfrage, die bewirkt, dass sowohl Unternehmen
als auch Verbraucher mehr für ihr "Zeug" bezahlen.
Der Prozess setzt sich fort, bis die Notenbanken in den steigenden
Preisen eine Gefahr für das wirtschaftliche Wachstum sehen.
Die Inflationsangst veranlasst die Notenbanken, die Zinsen zu erhöhen.
Die Zinssteigerungen drosseln das Wirtschaftswachstum oder führen,
wenn die Notenbanken aggressiv gegen die Inflation vorgehen müssen,
zur Rezession.
Und
so beginnt der Zyklus von neuem......
Der
immer noch berühmt-berüchtigte Karl Marx gehört
zu den ersten Nationalökonomen, welche die systemimmanenten
Auf- und Abschwungtendenzen in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung
erkannte. Marx war der Meinung, dass die starken Konjunkturschwankungen
des kapitalistischen Wirtschaftssystems letztendlich zu seinem Untergang
führen würde. Er hatte Unrecht.
Nikolai Kondratieff, ein Volkswirtschaftler der Lenin-Ära,
der von den Bolschewiken angeheuert wurde, um Marx zu bestätigen,
untersuchte Anfang 1900 die Konjunkturzyklen der westlichen Länder.
Anhand von bis ins England des 17. Jahrhunderts zurückreichende
Preisdaten für Güter wie Weizen und Mais fand Kondratieff
heraus, dass die kapitalistischen Wirtschaften wellenförmig
verlaufen waren. Und es gab ungefähr alle 60 Jahr, so entdeckte
er, lange Wellen allgemeiner Prosperität mit abschließenden
massiven Abschwüngen.
In gewisser Weise konnte er Marx bestätigen. Kapitalistische
Wirtschaften tendieren dazu, regelmäßig von Aufschwung
zu Rezession oder von Boom zu Baisse zu pendeln. Aber zum Verdruss
der russischen Regierung beobachtete er auch, dass in jeder Rezession
der Keim des Wiederaufschwungs angelegt war. Dies traf sowohl für
die regelmäßigen Rezessionen und Aufschwünge als
auch für die im Westen erreichten längeren Wellen zu.
(Bedauerlicherweise brachte Kondratieff die Tatsache, dass er nicht
beweisen konnte, dass der Kapitalismus bald unter der Last seiner
bourgeoisen Exzesse zusammenbrechen würde, statt des Nobelpreises
für Ökonomie einen Platz im Gefängnis ein.)
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