Das Geheimnis der Stopp-Loss-Kurse
von Carsten Lexa
06.08.2003

Wenn ein Börsenmagazin, eine Börsenzeitung oder ein Analyst Aktien eines Unternehmens zum Kauf empfiehlt, dann ist normalerweise auch gleich die Rede davon, einen "Stopp zu setzen". Einen Stopp zu setzen dergestalt, dass sich die niemals auszuschließenden Verluste des eingesetzten Kapitals in möglichst engen Grenzen halten. Sollte der Kurs dann - wie erwartet - ansteigen, ist die Rede davon, "den Stopp nachzuziehen". Soweit so gut. Tatsache ist aber, dass das Setzen von sogenannten "Stopp-Loss-Marken" eine Kunst ist, die Anlegern oftmals große Probleme bereitet. Zum einen deshalb, weil der Sinn von Stopp-Loss-Marken nicht richtig erkannt wird, zum anderen, weil im Grunde in der einschlägigen Börsenliteratur kein eindeutiger Hinweis darauf zu finden ist, wo genau denn nun der Stopp-Kurs gesetzt werden soll. Vielmehr variieren die Meinungen: manchmal liest man von abstrakten prozentualen Verlustgrenzen, manchmal wird verklausuliert davon gesprochen, dass die Stopp-Loss-Marke individuell vom persönlichen Risikoprofil abhänge, und manchmal wird sogar einfach nur pauschal angemerkt, dass ein Stopp-Kurs möglichst knapp bemessen werden soll. All diese Aussagen helfen dem Anleger nicht wirklich weiter.
Wir von Investorweb wollen deshalb versuchen, dass "Geheimnis der Stopp-Loss-Kurse" zu lüften. Dazu werden wir in einem ersten Schritt dem Sinn von Stopps nachspüren, danach in einem zweiten Schritt zwei Möglichkeiten zum Setzen eines Stopps vorstellen, und schließlich noch ein paar Worte zu dem umgekehrten Fall verlieren, dem sog. "Stopp-Buy-Kurs".

Der Sinn von Stopp-Loss-Marken
Ein Stopp-Loss ist im Grunde nichts anderes als ein "automatischer Verkaufsauftrag". Der Anleger legt sich auf ein bestimmtes Kursniveau fest, bei dessen Erreichen das Papier sofort verkauft wird - entweder indem er schon vorher seiner Bank darüber informiert hat und sein Berater den Verkauf für ihn ausführt, oder indem der Anleger selber als Verkäufer tätig wird. Auf jeden Fall verlässt das Papier das Wertpapierdepot des Anlegers. Mit dem Setzen eines Stopps verfolgt der Anleger zwei Ziele: zum einen möchte er seine Verluste im Rahmen eines Investments reduzieren, zum anderen seine eingetretenen Gewinne sichern.
Wir wollen das an einem Beispiel verdeutlichen (wobei wir an dieser Stelle außen vor lassen, mit welcher Intention die Stopps gesetzt wurden, dies folgt im zweiten Teil):

Anleger A kauft Papiere eines Unternehmens X, 100 Stück zum Kurs von 80 Euro. Von Stopp-Kursen hat er noch nie etwas gehört, deshalb macht er sich auch dazu keine Gedanken. Der Kurs fällt zuerst etwas auf 75 Euro, steigt dann aber zügig auf 106 Euro - alles ist gut. Leider fängt dann der Kurs wieder an zu fallen, leider diesmal ohne sich wieder zu erholen, zuerst langsam, dann immer schneller: wieder auf 80, dann 60, 50, 40, 30, 20, 10 - bis zu einem Tief von 8 Euro. Von ehemals 8.000 Euro sind dem Anleger A gerade einmal 800 Euro geblieben (wenn Sie jetzt der Meinung sind, dass dieser Kursverlauf frei erfunden ist: werfen Sie mal einen Blick auf den Kursverlauf der Deutschen Telekom in den letzten 3 Jahren……).

Anleger B weiß dagegen um das Kursrisiko bei Aktieninvestments. Auch er kauft 100 Aktien desselben Unternehmens zu einem Kurs von 80 Euro, nur macht er sich schon beim Kauf Gedanken um eine Absicherung seines Investments. Er hat mal etwas von Stopps gehört, welche man 20% unter dem Kaufkurs platzieren solle. Bei Erreichen dieses Kurses wird sofort verkauft. Der Anleger B legt sich deshalb dahin fest, dass die 100 Aktien sofort verkauft werden sollen, wenn ein Kurs von 64 Euro erreicht ist. Alles Weitere läuft wie im ersten Beispiel: zuerst fällt der Kurs ein wenig. Dies aber ist für Anleger B kein wirkliches Problem, denn er hat ja diesbezüglich vorgesorgt: bis zum Erreichen seines Stopps kann er untätig bleiben. Nun beginnt der Kurs zu steigen. Bei einem Kurs von 90 Euro denkt Anleger B über seinen Stopp nach. Der Stopp bei 64 erscheint ihm zu weit weg vom derzeitigen Kurs, außerdem sollen sich ja auch irgendwann einmal Gewinne bei dem Investment ergeben. Er beschließt deshalb, den Stopp anzuheben - "nachzuziehen" - und zwar, da er der 20%-Regel treu bleiben will, auf nun 72 Euro (90 Euro minus 20%). Bei Erreichen eines Kurses von 100 Euro macht er es genauso: der Stopp liegt nun bei 80 Euro (seinem Kauf- oder Einstandskurs), und bei 105 Euro wieder: Stopp bei 84 Euro. Auch in diesem Beispiel beginnt bei einem Kurs von 106 Euro der Trend zu drehen, und der Kurs fällt. Bei 84 Euro jedoch verkauft Anleger B seine Anteile, wie er es vorher beschlossen hatte. Übrig bleibt ein kleiner Gewinn (die Gebühren vernachlässigen wir an dieser Stelle) von 400 Euro.

Soviel zu diesem Beispiel. Sie konnten daran sehr schön den Sinn und die Funktion von Stopp-Loss-Kursen erkennen. Zuerst dient der Stopp dem Begrenzen von Verlusten. Nachdem der Stopp aber soweit "nachgezogen" worden ist, dass er den Einstandskurs überschritten hat, dient der Stopp der Sicherung der Gewinne (das oben genannte Beispiel orientiert sich übrigens am Kursverlauf der Dt. Telekom; und darüber hinaus sind auch die beiden namenlosen Anleger dem Autor bekannt, so dass hier wirklich ein Beispiel aus dem richtigen Leben vorliegt).

Vielleicht sind Sie als Leser ja jetzt der Meinung, dass Anleger B ein schlechtes Geschäft gemacht hat, denn er hätte ja schon früher verkaufen können. Das ist natürlich richtig. Aber bedenken Sie bitte den Sinn des Stopp-Kurses: primär soll der Verlust minimiert werden. Und dies ist glänzend gelungen, wenn Sie noch einmal einen Blick auf Anleger A werfen, dem bei weiten nicht soviel von seinem Investment geblieben ist.

Wir halten also fest: Stopp-Loss-Marken dienen zuerst der Verlustbegrenzung, dann der Gewinnsicherung. Der Wechsel der Funktion erfolgt, wenn der Stopp-Kurs den Einstiegskurs überschritten hat.

zu Teil 2 (in Kürze)

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