| Wovon 
              deutsche Zeitungsverlage nur träumen können, ist in Japan 
              Realität: die dortigen großen Zeitungen erreichen Millionenauflagen. 
              Auf 1000 Einwohner kommen 570 Exemplare, das ist umgerechnet mehr 
              als eine Zeitung pro Haushalt. So kommen denn auch die zwei größten 
              Zeitungen der Welt aus Japan: die "Yomiuri Shimbun" hat 
              eine Auflage von 10,2 Millionen Exemplaren mit der Morgenausgabe 
              (und immerhin noch 4 Millionen mit der Abendausgabe), die Morgenausgabe 
              der "Asahi Shimbun" kommt auf 8,3 Millionen Exemplare. 
              Und sogar die Wirtschaftszeitung "Nihon Keizai" bringt 
              es noch auf 3 Millionen. Dabei 
              stehen diese Zeitungen dem Boulevard fern, haben durchaus Niveau 
              und betonen auch ihre Seriösität, konzentrieren sich dabei 
              allerdings auf deskriptive Berichterstattungen und führen selten 
              einen intellektuellen Diskurs. Wie 
              jetzt, werden Sie sich als Leser fragen, können diese hohen 
              Auflagen erreicht werden? Die 
              Antwort ist einerseits in dem Phänomen der japanischen Gesellschaft 
              zu finden. Lesen gehört nach wie vor zum guten Ton für 
              den Bildungsbürger der Mittelschicht, was nach japanischem 
              Selbstverständnis so ziemlich jeder ist. Das Zeitungsabonnement 
              ist so traditionell und selbstverständlich wie die tägliche 
              Schüssel Reis und wird oftmals regelrecht vererbt. Statistisch 
              gesehen verbringt jeder Japaner täglich 40 Minuten mit der 
              Zeitungslektüre, das ist mehr als in fast jeder anderen Nation. Auf 
              der anderen Seite finden sich Besonderheiten in der Art und Struktur 
              der Zeitungsverlage selbst. Die Zeitungen selbst sind oftmals in 
              ein kompliziertes Konzerngeflecht eingebunden, was sie weniger anfällig 
              für Krisen macht. Die 
              politisch konservative "Yomiuri Shimbun" gehört zum 
              Beispiel - zusammen mit dem Privatsender NTV - zum Kerngeschäft 
              eines Konzerns, der daneben noch einen Vergnügungspark besitzt 
              ("Yomiuriland" genannt), eine Computerschule betreibt, 
              ein Symphonieorchester besitzt, mit Immobilien handelt und sowohl 
              im Baseball wie im Fußball größere Vermögenswerte 
              unterhält. Darüber hinaus gibt es Beteiligungen an Stiftungen, 
              an einer privaten Hochschule, einem Golfklub, Buchverlagen, Regionalzeitungen, 
              Fernsehen und Radio. Dazu kommen noch Dutzende anderer Unternehmungen, 
              Firmen und Tochtergesellschaften im In- und Ausland, die nur zum 
              Teil mit der Medienbranche verknüpft sind. Die 
              politisch liberale "Asahi Shimbun" beschränkt sich 
              ebenfalls nicht auf die Zeitung allein. Ihr Name steht für 
              Kulturzentren, Volkshochschulen, Versicherungen, Immobilien und 
              Tourismusunternehmen. Sie unterhält Wochenzeitungen, Monatszeitschriften 
              sowie Fachmagazine und ist darüber hinaus Anteileigner an dem 
              Privatsender TV Asahi. Man 
              erkennt also, dass die Zeitungen aufgrund der großen Anzahl 
              zeitungsfremder Unternehmensbereiche in diesen externen Bereichen 
              starke Präsenz zeigen können, und so der Bevölkerung 
              im Gedächtnis bleiben.Wie ist es nun um die wirtschaftliche Lage der Verlage bestellt. 
              Die Konjunktur macht natürlich auch den Verlegern zu schaffen, 
              jedoch bei weitem nicht so wie z.B. in Europa. Das Zeitungsgeschäft 
              ist in Japan noch eine gesunde Branche. Als Gründe sind zu 
              nennen die stabile Leserschaft mit den vielen Abonnements und der 
              relativ günstige Zulieferservice frei Haus, weil das Land von 
              engmaschigen Vertriebsnetzen überzogen ist. Außerdem 
              sind japanische Zeitungen im Vergleich zu Europa weit weniger abhängig 
              von Anzeigenverkäufen: Nur ein Drittel des Gesamtumsatzes wird 
              mit Anzeigen generiert, die Hälfte des Umsatzes kommt allein 
              von Zeitungsverkäufen.
 Während 
              nun die japanischen Zeitungen führend sind in der Auflage, 
              hinken sie beim Journalismus hinterher. Aufgrund der relativ gesicherten 
              Leserschaft findet kaum Wettbewerb statt, es gibt fast keine Konkurrenz 
              um exklusive Nachrichten und brillante Analysen. Stattdessen gibt 
              es eine Masse von Informationen aus dem Einheitstopf sowie unreflektierte 
              Äußerungen von Bürokraten, Regierungssprechern und 
              Funktionären.Zwar garantiert Art. 21 der japanischen Verfassung die Freiheit 
              der Meinungsäußerung, die japanischen Medien machen aber 
              nur selten davon Gebrauch, üben sich vielmehr in Selbstzensur. 
              Die etablierten Zeitungen erscheinen nicht als kritische Wächter, 
              vielmehr als eine Art Servicedienst für die Masse der Bevölkerung. 
              Je höher die Auflage, umso mehr Interessen müssen berücksichtigt 
              werden.
 Eine Ursache könnte in den Kisha Clubs liegen, jenen institutionalisierten 
              Presseclubs der einheimischen etablierten Medien, die fern echter 
              Konkurrenz von Seiten der Regierung und der Ministerien mit Informationen 
              gespeist werden, und in kleiner Runde Absprachen darüber treffen, 
              was berichtenswert ist und was nicht. Sicherlich ist der Einfluß 
              dieser Clubs nicht mehr so groß wie früher, aber er ist 
              immer noch bei den zahnlosen Medien erkennbar. Wer gegen die Regeln 
              des Clubs verstößt, muß befürchten, vom Informationsfluß 
              abgeschnitten zu werden. Und dies leisten sich in der Regel nur 
              diejenigen, die ohnehin nicht dazu gehören, wie zum Beispiel 
              Wochenmagazine oder reißerische Boulevardblätter.
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