Blickpunkt Unternehmen : Ein Blick auf die Deutsche Bank
von Thomas Badtke

"Vertrauen ist der Anfang von allem". Wer kann sich an diesen Leitspruch noch erinnern bzw. kann das dazugehörige Unternehmen beim Namen nennen? Es war einmal eines der zehn größten Finanzinstitute der Welt. Es immer noch die größte Bank Deutschlands. Na? Richtig. Der oben genannte Slogan stammte von der Deutschen Bank. Mittlerweile hat sich das Vertrauen vom Anfang nicht etwa ausgezahlt. Nein, nachdem der griffige Werbespruch von den Unternehmenszahlen und der jüngsten Entwicklung des Unternehmens quasi überholt wurde, heißt es jetzt: "Die Zukunft kann kommen". Egal, ob positiv oder negativ, sollte es weiter heißen.

Setzte das Finanzinstitut unter seinem Chef Herrhausen Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts - obwohl es sich anders anhört, solange ist das noch nicht her - zum globalen Sprung an die Spitze an, zur weltweiten Top Ten der Branche zählte es bereits, gab es unter dessen Nachfolger Kopper an, sich rührend um den Aufbau Ost zu kümmern. Auf die "blühenden Landschaften", die ein ihm sehr nahestehender Bundeskanzler versprochen hatte und die mit Geld der Deutschen Bank in erster Linie finanziert werden sollte, warten die meisten Bundesbürger in den neuen Ländern noch heute. Auf Kopper folgte Breuer. Aber geändert hat sich unterdessen nichts. Obwohl man dank der Rallye an den Aktien- und Finanzmärkten zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts auch Wachstum beim Umsatz und Gewinn propagieren konnte und im Geschäftsjahr 2000 dank eines Vorsteuergewinns von 6,869 Mrd. Euro ein Nettoergebnis von mehr als 2 Mrd. Euro der Öffentlichkeit vermelden konnte, blieb im allgemeinen alles beim alten. Das erkennt man jetzt. Während die britisch-asiatische Großbank HSBC den zweitgrößten amerikanischen Finanzdienstleister Household für schlappe 14 Mrd. US-Dollar kauft und damit auf eine Marktkapitalisierung von etwas mehr als 100 Mrd. US-Dollar kommt, dümpelt der Aktienkurs des deutschen Klassenprimus unterhalb der 50 Euro-Marke herum.

Nachfolger Breuers wurde ein Schweizer. Josef Ackermann sein Name, angelsächsisch seine Managementmethoden. Der Kurs der Aktien konnte zulegen, nachdem im Frühjahr Ackermann an die Spitze der Deutschen Bank gerückt war. Das Vertrauen, das am Anfang von allem steht - Sie verstehen? -, scheint aber auch bei ihm nicht lange vorgehalten zu haben. Die Stimmung hat sich gedreht. Und zwar gegen die Deutsche Bank. Schuld ist, wie soll es anders sein, die schlechte weltkonjunkturelle Lage und die damit einhergehenden schlechten Unternehmenszahlen. Im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres lag der Vorsteuergewinn im negativen Bereich, sprich es war ein Vorsteuerverlust von 181 Mio. Euro.
Das wäre noch nicht so dramatisch bei einer Bank, die im Jahr 1999 über stille Reserven (Überschuss von Markt- zu Bilanzwerten im Beteiligungsvermögen) von 16 Mrd. Euro verfügte. Allerdings sank dieser Wert in den darauffolgenden Jahren kontinuierlich. Im Jahr 2000 waren es noch 11,9 Mrd. Euro, 2001 schon nur noch 8,4 Mrd. Euro. Letzter Stand im September diesen Jahres: noch stolze 1,1 Mrd. Euro. Wie kommt es zu so einer Divergenz?

Bei Waigel sprach man damals von der "kreativen Buchführung". Belächelte man vor kurzem diesen Ausdruck noch, hat er seit dem Fall Enron oder WorldCom einen negativen Anhauch bekommen. Und genau diese "kreative Buchführung" befürchtet man nun auch bei der Deutschen Bank entdeckt zu haben. Allerdings heißt es hier "Schönrechnen" oder "Zahlenakrobatik". Was alle bereits wissen, scheint dies zu bestätigen, denn die Deutsche Bank verdient mit dem eigentlichen Bankgeschäft kaum Geld. Lediglich das Jahr 2000 (siehe weiter oben) bildet da eine Ausnahme. Rechnet man nämlich aus dem Ergebnis vor Steuern den Verkauf des Tafelsilbers ab, sprich den Gewinn aus den Verkäufen wichtiger Beteiligungen, kommt man in den vorangegangenen Jahren so Ach und Krach grad in die schwarzen Zahlen. Im Jahr 1999 liegt Ergebnis vor Steuern bei 2,351 Mrd. Euro, die Ertragssteuern bei 1,689 Mrd. Euro. Im Endeffekt beträgt das Nettoergebnis noch 62 Mio. Euro, denn die Gewinne aus dem Verkauf der Beteiligungen betrugen 600 Mio. Euro. Im Jahr 2000 steigt das Nettoergebnis auf über 2 Mrd. Euro. Im Jahr 2001 betrug das Ergebnis vor Steuern 1,596 Mrd. Euro; minus Ertragssteuern von 434 Mio. Euro und minus den Veräußerungsgewinn der Beteiligungen von 1 Mrd. Euro bleiben noch 162 Mio. als Nettoergebnis. Im bisherigen Rumpfjahr, das bisher drei Quartale umfasst, liegt das Ergebnis vor Steuern bei 3,312 Mrd. Euro, minus Ertragssteuern von 144 Mio. Euro. Dafür verkaufte man soviel Beteiligungen, dass man auf einen Gewinn von 3,8 Mrd. Euro kam. Diesen ebenfalls noch abgezogen, errechnet sich dadurch ein Verlust von 632 Mio. Euro in den ersten neun Monaten von 2002. Wenn man jetzt, was man eigentlich nicht darf, diesen Wert aufs Jahr hochrechnet, dann die stillen Reserven dagegenstellt, muss man kein Rechenkünstler sein, um sagen bzw. schreiben zu können, dass die Reserven in ein bis zwei Jahren spätestens aufgebraucht sein werden. Natürlich muss das noch nichts heißen. Verwundern könnte einen da schon eher, dass die Deutsche Bank die einzige ist, die die Gehälter ihrer Investmentbanker um ca. 10 Prozent erhöht hat, während der Umsatz dieser Sparte um etwa den gleichen Prozentsatz gesunken ist. Der weltweite Branchenprimus, die Citigroup (Marktwert lächerliche 180 Mrd. US-Dollar) machte da das ganze Gegenteil. Sie senkte die Gehälter der Investmentbanker und baute gleichzeitig die Umsätze dieser Sparte aus.

Ackermann, der mit dem Credo in das Chef-Amt der Deutschen Bank gestartet war, Kosten zu senken und den Aktienwert zu erhöhen, könnte schneller Schiffbruch erleiden, als er gedacht hat. Schon vor einigen Wochen musste man im Frankfurter Geschäftssitz Gerüchte dementieren, dass die Citigroup eine Übernahme der Deutschbanker plane. Auch ein Wechsel des Firmensitzes nach London wurde heftigst dementiert. Zusätzlich dürfte dem Finanzinstitut die Aussage des deutschen Finanzministers Eichel auf den Magen schlagen. Eichel kündigte jüngst an, Gewinne aus dem Verkauf von Aktien, Fondsanteilen und nicht selbst genutzten Immobilien ab März kommenden Jahres pauschal mit 15 Prozent zu versteuern. Auf Gewinne aus Anlagen, die vor diesem Zeitpunkt gekauft wurden, sollen immerhin noch 1,5 Prozent Steuern gezahlt werden. Für die Deutsche Bank und deren Anleger und Kunden bleibt zu hoffen, dass es auch bei diesem Plan Eichels Schlupflöcher und Ausnahmegenehmigungen geben wird. Ansonsten wird sich der negative Trend bei den Unternehmenszahlen der Frankfurter Bank noch weiter verschärfen.

Ein Blick gen Japan sollte genügen, um schnelle und heilsame Besserung zu geloben. Dort gab es unlängst Gerüchte, dass die japanische Regierung angeblich plane, einer der in Schieflage geratenen japanischen Großbanken zu verstaatlichen. Noch ist die Schieflage, falls es überhaupt eine werden sollte (immer positiv denken - das Glas ist halbvoll), abwendbar. Ein kränkelndes Quasi-Staatsunternehmen ist genug.

"Vertrauen ist der Anfang von allem". Spätestens bei den nächsten Quartals- und Jahreszahlen wird sich zeigen müssen, ob es der neue Slogan mit dem alten aufnehmen kann.

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