Um
welche Aktie handelt es sich? Der Höchststand betrug 387 Euro
am Ende des Jahres 2000. Vor einem Jahr bewegten sich die Titel
noch bei 292 Euro. Macht immerhin vom Top schon knapp 30 Prozent
Verlust. Innerhalb der anschließenden sechs Monate fielen
die Titel weiter auf Werte um 150 Euro, was einem Verlust von knapp
50 Prozent entspricht. Vor vierzehn Tagen dann, lag der Kurs bei
82,90 Euro. Nochmals mehr als 40 Prozent Kursverlust. Aber was dann
folgte...
Na,
wissen Sie es? Tippen Sie mal. Ich hatte auch zuerst an einen Neuen
Markt-Wert gedacht, allerdings sind solche Euro-Größenordnungen
dort schon seit geraumer Zeit nicht mehr an der Tagesordnung. Also,
ein Nasdaq-Wert. Aber auch hier lag ich falsch. Dow Jones? Nein...
Welcher Branche könnte das Unternehmen mit einem derartigen
Kursverfall innerhalb dieses Zeitraums angehören? Hochtechnologie,
Internet, Medien, Biotechnologie, Software? Nein, es ist ein Versicherungswert.
Um genau zu sein, der weltgrößte Rückversicherer.
Richtig, die Rede ist von der Münchener Rück. Als Aktionär
eines deutschen Versicherungskonzerns konnte man sich die letzten
Jahrzehnte eigentlich beruhigt zurücklehnen und sich ob seiner
gelungenen Investmententscheidung ein Mützchen Schlaf á
la Kostolany gönnen. Doch das war einmal. Fielen die Versicherungswerte
erst sehr spät der anhaltenden Börsenbaisse zum Opfer,
scheinen sie die verlorengegangene Zeit jetzt nachholen zu wollen.
Sowohl die Allianz, als auch die Titel der Münchener Rück
wiesen in der jüngeren Vergangenheit Prozentverluste an einem
Tag auf, die sie sonst zum Objekt von Dividendenjägern machte.
Wer
trotzdem den Abwärtstrend aussitzen wollte, könnte nun
endgültig aufgeschreckt worden sein. Innerhalb von nicht einmal
10 Tagen büßten die Aktien des Münchener Rückversicherers
runde 40 Prozent ein. Für ein stockkonservatives Anlageinvestment
eine enorme Ausbeute - negativ betrachtet. Das Tief der Aktie bei
53,20 Euro markierte gleichzeitig einen Stand, den die Aktien seit
mehr als einer Dekade nicht mehr gesehen hatten. Anders ausgedrückt:
Wer vor etwas mehr als zehn Jahren Münchener Rück-Aktien
erworben und sie beim Hoch von 387 Euro Ende 2000 nicht verkauft
hat (was bei aller Liebe zu Stopp-Kursen und Börsenpsychologie,
wohl die Mehrheit der Aktionäre sein dürfte), hat sein
Geld für die Katz angelegt. Klingt hart, aber aus charttechnischer
Sicht betrachtet, dürfte die jüngste Gegenreaktion auch
noch nicht den Wendepunkt darstellen. Leider.
Derzeit
bewegen sich die Anteilsscheine der Münchener bei Werten um
65 Euro. Ein schöner Zuwachs, wenn man als Trader beim Tief
eingestiegen sein sollte. Was allerdings auch die wenigsten getan
haben dürften. Auf lange Sicht wäre vom Einsteigen oder
Zukaufen in großem Maße erst einmal abzuraten. Bei 75
Euro haben die Aktien einen Seitwärtstrend ausgebildet, der
Ausschläge nach oben und unten ausweist, was bedeutet, dass
erst bei Kursen um bzw. über 80 Euro von einem Trendbruch gesprochen
werden kann, der sich dann auch mittelfristig behaupten könnte.
Auf die Kurse von einst wird man wohl oder übel, wie bei so
vielen anderen Titeln, noch mehrere Jahre, vielleicht sogar wieder
mehr als eine Dekade lang warten müssen.
Der
Absturz der Kurse in den vergangenen beiden Wochen hatte mehrere
Gründe. Zum einen hatten Händler und Experten ein besseres
Jahresergebnis erwartet. Die veröffentlichten 1,1 Mrd. Euro
lagen dank hoher Wertberichtigungen und Abschreibungen weit unter
den veranschlagten 1,8 Mrd. Euro. Der Aktienkurs erlitt damit den
ersten Tiefschlag. Die Ratingagentur Standard&Poor´s setzte
noch eins drauf und senkte die Bonität des Unternehmens von
AA+ auf AA-, was eine Finanzierung des Unternehmens über die
Anleihemärkte deutlich verteuern dürfte. Als Begründung
führte die Agentur "die schwache Ergebnislage im vergangenen
Geschäftsjahr" und die Tatsache, dass sich die Münchener
Rück vom schwachen Marktumfeld nicht "schnell genug erholt
habe" an. Der Fall des Aktienkurses ging weiter. Als dann bekannt
wurde, dass der Rückversicherer eine Milliarden-Anleihe am
Markt platzieren wolle, kannte der Fall kein Halten mehr. Ausschlaggebend
für die Emission dieser Anleihe sei auch der starke Rückgang
des Eigenkapitals gewesen. Innerhalb von einem Jahr sank das Eigenkapital
der Münchener Rück von 19,5 Mrd. Euro um fünf Mrd.
Euro auf jetzt nur noch 14,5 Mrd. Euro. Da die Ratingagenturen aber
besonders auf die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen, insbesondere
im Versicherungsbereich achten, war es zwingend notwendig eine Anleihe
zu offerieren. Diese kostet, dank der Herabstufung durch S&P
jetzt allerdings deutlich mehr und belastet damit den Rückversicherer
noch zusätzlich. Hier kann man bereits erkennen, welche Macht
Ratingagenturen haben und weshalb sie in der letzten Zeit so ins
Gerede gekommen sind. Als Beispiel sei hier nur kurz ThyssenKrupp
erwähnt.
Marco
Metzler, von der Ratingagentur Finch spricht von einer "dramatischen
Situation" in der Banken- und Versicherungsbranche, da selbst
die Branchenriesen enorme Mengen an frischem Kapital benötigen.
Auch die Allianz will eine Kapitalerhöhung durchführen,
nachdem sie im Vorjahr einen Milliarden-Verlust, dank der Tochter
Dresdner Bank eingefahren hat. Erst einmal sollen 4 Mrd. Euro per
Finanzierungsweg "neue Aktien" in den Konzern geholt werden,
dazu kommt noch eine Anleihenplatzierung, deren Höhe sich auf
1,5 Mrd. Euro belaufen soll.
Als
die Münchener Rück dann die geplante Platzierung einer
sogenannten "nachrangigen" Anleihe endlich bekannt gab,
bekamen die Kurse fast nichts davon mit. Das schlechte Marktumfeld
und das Kriegsszenario im Irak schienen sich urplötzlich gedreht
zu haben. "Nachrangig" bedeutet übrigens, dass die
Anleihe im Fall einer Insolvenz erst nach den anderen Schulden bedient
wird. Die Höhe dieser Anleihe soll 500 Mio. Euro und die Laufzeit
20 Jahre betragen.
Die
Händler an der Frankfurter Börse schoben die Kursgewinne,
die die Versicherer und Banken, allen voran die Münchener Rück
und die Allianz am Dienstag letzter Woche (25. März) "verkraften"
mussten, dann auch "technischen Reaktionen" zu. Das bedeutet,
nachdem die Titel soviel Terrain in so kurzer Zeit eingebüßt
hätten, seien sie auch mal wieder dran mit grünen Kursvorzeichen
das Glänzen in die Augen ihrer Aktionäre zurückzubringen.
Als nächste Meldung wurde dann bekannt gegeben, dass die Überkreuzbeteiligung
der beiden deutschen Versicherungsriesen Münchener Rück
und Allianz verringert worden seien. Beide halten nunmehr nur noch
jeweils rund 20 Prozent am anderen Unternehmen. Auch diese Meldung
schien positiv vom Aktienmarkt aufgenommen zu werden. Der positive
Trend der Aktienkurse wurde zudem durch Leerverkäufer verstärkt,
so manche Händler. Sie sollen sich zuvor, auf fallende Kurse
spekulierend, mit Leerverkäufen eingedeckt haben, die sie dann
bei noch tieferen Kursen aufgelöst hätten. Als die Kurse
sich aber dann schlagartig zu drehen begannen, mussten sie, um ihre
Verluste zu begrenzen bzw. ihre Gewinne mitzunehmen, um jeden Preis
Münchener Rück-Aktien kaufen. Der Kurs wurde also weiter
in die Höhe getrieben. Ebenso bei der Allianz.
Auf
den Gesamtmarkt bezogen, lässt sich sagen, dass die Kurssprünge
der letzten Tage wohl nur als Strohfeuer gelten bzw. enden werden,
wenn das politische Umfeld nicht endlich stabilisiert wird. Im Markt
sind immer noch Ungewissheiten bezüglich des Irak-Krieges und
der damit einhergehenden Verunsicherung in den Commodities-Märkten.
Als die amerikanische "Blitzkrieg-Offensive" ins Stocken
geriet und Saddam Hussein erste "Erfolge" vermelden konnte,
purzelten die Aktienkurse rund um den Globus. Als jedoch die Amerikaner
meldeten, sie stünden praktisch an den Stadtgrenzen von Bagdad
und auch die Einnahmen erster größerer Städte gemeldet
wurden, drehte das Kursbarometer auf "freundliche Tendenz".
Allerdings sollte man beachten, dass die Richtung auch genauso schnell
wieder drehen könnte. Zudem ist die "Krise der Finanzbranche"
immer greifbarer, wie die jüngst veröffentlichten Unternehmensdaten
zeigen. Zwar ist ein Gewinn von 1,1 Mrd. Euro noch immer eine enorme
Größe, aber das gleichzeitige Abschmelzen der Eigenkapitalreserven,
egal ob nun bei den Versicherern oder den Banken, deutet auf weitaus
Schlimmeres hin.
Kurzfristige
Anleger können die nervösen Wellen am Markt mitreiten.
Nach den jüngsten Kursanstiegen würde ich persönlich
erst einmal wieder mit Abgaben rechnen. Für die mittel- bis
langfristigen Anleger, die sicher sind, dass es nicht zu noch tieferen
Kursen, wie erst jüngst gesehen, kommen wird, lohnt sich der
erste Einstieg mit kleinen Positionen. Ein Nachkauf sollte aber
eingeplant werden. Ich denke, dass wir noch immer nicht die Tiefstkurse
gesehen haben. Aber ich hoffe auch, dass ich mich irre...es wäre
übrigens nicht das erste Mal.
Ach
ja, vielleicht kann man sich ja irgendwann mal gegen so etwas "versichern"?
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