Sagt
Ihnen Napster noch irgendetwas, die einstmals bekannteste Online-Tauschbörse
für Musik? Nein? Macht nichts. Sicherlich kennen Sie aber Steve
Jobs, den Apple-Gründer und Computer-Revolutionär? Dieser
Name geistert wieder einmal weltweit durch die Gazetten. Aber erst
einmal kurz zu Napster. Napster war einstmals der Hauptfeind der
etablierten Musikindustrie. "Piraterie" war noch eine
harmlosere Bezeichnung für das Geschäft, welches Napster
betrieben hat. Während des allgemeinen Internetbooms Ende der
neunziger Jahre des vergangenen Jahrtausends kümmerte sich
die oligopolistisch angelegte Musik- und Plattenindustrie noch kaum
um die kleinen Musiktauschbörsen im Internet. Erst als die
Verkaufszahlen drastischer einbrachen und die Gewinne wegschmolzen,
erkannten die großen Musikunternehmen BMG, EMI, Warner, Sony
und Universal eine Gefahr, ausgehend von den Musiktauschbörsen.
Napster war deren Speerspitze. Die Klagen der "fünf Schwestern"
gegen die deutlich kleinere Firma Napster häuften sich und
führten letzten Endes dazu, dass BMG Napster mehr oder weniger
übernommen hat. Doch die Probleme mit dem Downloaden von Musikfiles
vornehmlich im MP3-Format des Fraunhofer Institutes ging weiter.
Hinzu kamen noch hausgemachte Probleme, wie beispielsweise Fusionen
(AOL Time Warner) oder Umstrukturierungen (Bertelsmann und Vivendi
Universal), die die Gewinne der fünf weitgehend auffraßen.
Trotz der enormen Marktanteile gelang es Universal (24 Prozent),
Sony (16 Prozent), Warner (12 Prozent), BMG (10,5 Prozent) und EMI
(10 Prozent; jeweils Geschäftsjahr 2002) nicht, den Musiktausch
via Internet, auch juristisch, zu unterbieten.
Jetzt
scheint sich allmählich eine Lösung abzuzeichnen. Während
Napster nur noch ein Schatten seiner selbst ist und Kazaa mittlerweile
die Nummer Eins der Musik-Tauschbörsen darstellt, greift nun
auch das für seine Innovationen bekannte Computerunternehmen
Apple an. Und hier kommen wir zu Steve Jobs. Mit seiner Musik-Plattform
i-tunes will er ein neues Geschäftsfeld etablieren.
Und es scheint zu funktionieren. Während die großen Fünf
der Musikindustrie mit ihren Plattformen floppten, scheint die Apple-Plattform
von den Internetnutzern angenommen zu werden. Hilfreich dabei könnte
wohl das Image des Computerherstellers mit dem angebissenen Apfel
sein. Schon immer musste es sich gegen die großen, teilweise
Monopol-Unternehmen am Markt durchsetzen. Erst war IBM die große
Konkurrenz, dann Microsoft. Ohne Apple gäbe es heutzutage keine
kleinen, handlichen Desktops und auch das Betriebssystem Windows
von Microsoft würde nicht über einen Marktanteil von 97
Prozent, sondern wohl eher 100 Prozent verfügen. Das klingt
zwar banal, aber es zeigt deutlich, dass noch Hoffnung für
alle Windows-geplagten Computerbesitzer besteht. Kurz um, Apple
nahm immer die Position Davids im Kampf gegen die diversen Goliaths
dieser globalen Ökonomie ein.
Innerhalb
nur einer Woche verkaufte Apple mehr als eine Million Songs á
99 Cent über i-tunes. Keiner hatte mit diesem Erfolg gerechnet.
Schon gar nicht die Plattenindustrie selbst. 200.000 Songs bietet
Apple-Boss Steve Jobs über seine Plattform an. Die Quantität
soll stetig ausgeweitet werden. Der Vorteil von i-tunes liegt auf
der Hand. Zum einen bietet er Songs aller großen Labels an
und zum anderen verzichtet man bei i-tunes auf eine monatliche Grundgebühr.
Ein dritter überzeugender Punkt ist die Tatsache, dass man
die downgeloadeten Files ohne Probleme oder zusätzliche Kosten
nicht nur auf eine CD brennen, sondern auch auf tragbare Geräte
überspielen kann. Bei MusicNet von AOL Time Warner und Rhapsody
von listen.com funktioniert dies nicht. Bei dem gemeinsamen Angebot
von Universal und Sony mit Namen Pressplay besteht diese Möglichkeit
zwar, allerdings stehen hier Abo-Gebühren von 5,95 US-Dollar
bis 17,95 US-Dollar pro Monat und Download-Kosten von 5,95 US-Dollar
für fünf Musikstücke und 9,95 US-Dollar für
zehn Musikstücke dem Userglück im Weg. Bei i-tunes hat
der Nutzer die Möglichkeit ein gesamtes Album für 9,95
US-Dollar herunter zu laden und zu brennen. Bei normalen Preisen
von mehr als 15 Euro pro normal gekaufter Musik-CD stellt dies bereits
eine erhebliche Ersparnis dar. Auch wenn die kostenlosen Musikbörsen
weiterhin existent bleiben werden.
Das
Beispiel i-tunes von Apple zeigt der Musikindustrie überdeutlich
einen Weg aus ihrer Krise. Apple greift dabei auf ein bereits mehrfach
erprobtes System zurück. Um Netzwerkeffekte generieren zu können,
muss möglichst schnell eine große bzw. breite Basis von
Nutzern angesprochen, quasi installiert werden. Dies erreicht man
in erster Linie durch eine Kostenführerschaft, was eigentlich
nur bedeutet, billiger als die Konkurrenz zu sein. Schon die Mobilfunkgesellschaften
und auch diverse Softwarehersteller, allen voran Microsoft, nutzten
dieses ökonomische System. Der Wegfall der monatlich zu entrichtenden
Grundgebühr ist ein erster, vielversprechender Schritt in die
richtige Richtung. Bei den 99 Cent pro downgeloadetem Musikstück
wird es sicherlich nicht bleiben. Die Preise werden weiter sinken
und mit ihnen gleichzeitig die Nutzerzahlen steigen. Profitieren
werden alle. Die großen Fünf werden ihren Anteil am Internetkuchen
durch Tantiemen bekommen, die User werden Musik in besserer Qualität
erhalten. Zudem dürften die Störversuche der Plattenindustrie,
egal ob juristischer Natur oder per dem Selbstschutz dienenden präventivem
Erstschlag ad acta gelegt werden.
Fraglich
bleibt am Ende nur, inwieweit die Musikindustrie auf ihre Cash Cow
CD verzichten kann. Die billig hergestellten Silberlinge dienten
bisher dazu, unglaubliche Margen einzufahren, die dann jedoch durch
den enorm gestiegenen und betriebenen Marketingaufwand erodiert
wurden. Fraglich ist auch, ob der Apple-Dienst i-tunes auf die "normalen"
Windows-PC-Besitzer übertragbar ist. In den ersten drei Wochen
wurden zwar mehr als zwei Millionen Songs verkauft, aber bisher
gibt es i-tunes nur in den USA und für Apple-Rechner. Deren
Marktanteil liegt in den Staaten bei lediglich fünf Prozent.
In Europa ist er noch niedriger. Erst wenn Microsoft mitspielt,
könnte i-tunes ein durchschlagender Erfolg werden. Auch die
Musikindustrie, die die Internettauschbörsen als ihre Totengräber
betrachtet hat, denkt nun um. An i-tunes sind alle fünf großen
Musiklabels beteiligt. Pro Lied bekommen die Plattenfirmen 65 Cent
von Apple. Trotzdem können sie i-tunes sehr schnell den Garaus
machen, wenn sie keine "offiziellen" Songs mehr zur Verfügung
stellen, das Angebot also begrenzt bleibt.
Die
Entwicklung der Musikindustrie könnte mit Hilfe von i-tunes
revolutionär beeinflusst worden sein. In den nächsten
Jahren wird sich zeigen, inwieweit die nun eingeschlagene Richtung
die richtige gewesen ist. Die nötige Aufmerksamkeit wurde dem
Thema schon gewidmet. U. a. brachten "Die Zeit", "Der
Spiegel" und die "FTD" größere Artikel
zum Thema. Steve "The David" Jobs dürfte es gefreut
haben.
zurück
|