In
der letzten Woche gab es meiner Meinung nach drei erwähnenswerte,
hoch interessante Wirtschaftsmeldungen. Da hieß es z. B.:
Den deutschen Brauereien fehlen etwa eine Million Bierkästen
samt Mehrwegflaschen. Dank des Dosenpfands sei der Run auf das gute
alte Flaschenbier enorm hoch gewesen, sodass es jetzt zu einem Engpass
kommen und manche Brauereien nicht mehr liefern können. Und
so etwas in Deutschland, der Biernation Nummer Eins. Die zweite
Meldung dreht sich um das US-Wirtschaftswachstum. Das fiel im ersten
Quartal diesen Jahres deutlich bescheidener aus, als erwartet. Statt
1,9 Prozent Wachstum, lag es nur bei 1,4 Prozent. Der Ausblick für
das zweite Quartal sehe nicht viel besser aus, so amerikanische
Experten. Die dritte beeindruckende Meldung war folgende: Die Schulden
der öffentlichen Haushalte in Deutschland haben sich bis Ende
März diesen Jahres auf 1,29 Billionen Euro erhöht. Eine
Zunahme von 5,9 Prozent innerhalb eines Jahres. Dabei entfallen
735 Mrd. Euro auf den Bund, knapp 400 Mrd. Euro auf die Länder
und mehr als 82 Mrd. auf die Gemeinden. Diese Zahlen erschrecken
einen noch mehr, wenn man weiß, dass Genosse Eichel im kommenden
Haushalt erneut mit 23,8 Mrd. Euro neuen Schulden rechnet. Das Ausgabevolumen
für 2004 beträgt, so es abgesegnet wird 251,1 Mrd. Euro.
Diese
Zahlen mögen erschreckend sein, aber folgendes birgt noch mehr
Zünd- und Brennstoff. In den USA gibt es zwei halbstaatliche
Immobilien-Finanzierer, Freddie Mac und Fannie
Mae. Während es um letztere etwas ruhig ist, hat die amerikanische
Staatsanwaltschaft und die Börsenaufsicht SEC nicht nur ein
Auge auf Freddie Mac geworfen Da wären zum Einen die seit dem
Fall Enron bestens bekannten, noch angeblichen, Bilanzmanipulationen
und zum Anderen der überraschende Rauswurf bzw. Rücktritt
der gesamten Führungsriege, ohne Angabe triftiger Gründe.
Das noch mehr Parallelen zu Enron und WorldCom bestehen, wird überdeutlich:
Wie bei Enron wurden die Bücher und Bilanzen von Freddie Mac
von Arthur Andersen "geprüft". Auch bei Freddie Mac
sollen dabei Fehler gedeckt worden sein. Die Spitzenmanager gingen
ohne große Erklärungen von Bord. Etwaige Probleme kommen
wenn überhaupt, dann nur sehr bruchstückhaft ans Licht
und zu guter Letzt scheinen auch die Ratingagenturen bis zum bitteren
Ende an der Freddie Mac-Bewertung festzuhalten.
Nun
ist Freddie Mac nicht irgend eine "Hinz-oder-Kunz"-Firma.
So sagte der Präsident der Zentralbank von St. Louis, Mississippi,
beispielsweise: "Sollte Freddie Mac erschüttert werden,
könnte das Ergebnis eine Krise der Finanzmärkte sein,
die der Eigenheimbranche und der Wirtschaft erheblichen Schaden
zufügt." In den Büchern von Freddie Mac stehen 1,3
Billionen US-Dollar, also 1.300 Mrd. US-Dollar an Hypotheken, Anleihen
und sonstigen Wertpapieren. Das ist nahezu vergleichbar mit den
öffentlichen Schulden Deutschlands. Nimmt man Fannie Mae noch
hinzu, erhöht sich die Hypothekensumme in den Büchern
der beiden auf 3,1 Billionen US-Dollar. Peanuts kann man das wohl
nicht mehr nennen.
Fannie
Mae und Freddie Mac wurden von der US-Regierung vor mehr als 30
Jahren ins Leben gerufen, um den Häusermarkt anzukurbeln. Das
geschieht folgendermaßen: Zuerst vergeben die US-Geschäftsbanken
Hypothekenkredite an Privathaushalte. Diese wiederum verkaufen sie
an Freddie Mac und Fanny Mae. Die beiden Hypotheken-Finanzierer
besorgen sich das nötige Kleingeld über die internationalen
Finanzmärkte durch z. B. Anleihen. Dank des Top-Rating der
beiden Firmen geschieht dies zu sehr günstigen Konditionen.
Es gibt zwar keine formelle Staatshaftung für die beiden, trotzdem
sind viele Anleihenkäufer der Meinung, dass der amerikanische
Staat bei Schwierigkeiten mit Steuergeldern einspringen würde.
Sogenannte Mortgage Backed Securities sind ein weiteres Standbein
der beiden Unternehmen. Sowohl Fannie Mae als auch Freddie Mac vertreiben
hypothekenbesicherte Wertpapiere. In diesem Fall werden die Hypothekenkredite
nicht aufgekauft, sondern mit einer Garantie versehen, dann gebündelt
und an Versicherungen, Pensionsfonds oder Investoren aus dem In-
und Ausland verkauft, als festverzinsliche Wertpapiere. Freddie
Mac hat im MBS-Bereich ausstehende Verbindlichkeiten in Höhe
von nahezu 650 Mrd. US-Dollar, Fannie Mae von immerhin 528 Mrd.
US-Dollar. Seit 1994 hat sich der Wert der MBS-Verbindlichkeiten
mehr als verachtfacht. Da die Forderungen und Verbindlichkeiten
der beiden Unternehmen bzw. Institute mit unterschiedlichen Zinsraten
versehen sind, versuchen sie sich mit gegenläufigen "Finanzwetten"
mit Hilfe anderer Banken abzusichern. Eine ganz große Nummer
spielt hier J.P. Morgan. Die Crux besteht jetzt darin, dass es bereits
bei einer geringfügigen Zinserhöhung seitens der Fed zu
einem dominoartigen Zusammenbruch von Hypothekenkrediten, hypothekenbesicherten
Anleihen und Finanzderivaten kommen kann.
Aus
diesem Grund wurde bereits im Februar diesen Jahres von der zuständigen
Aufsichtsbehörde OFHEO (Office of Federal Housing Enterprise
Oversight) ein Bericht mit dem Titel "Systemisches Risiko:
Fannie Mae, Freddie Mac und die Rolle der OFHEO" veröffentlicht.
In ihm kommt man zum Schluss, dass bei einer Schieflage von einer
der beiden Firmen durchaus mit einem "systemischen Ereignis"
an den Finanzmärkten gerechner werden kann. "Solvenz-
und Liquiditätsprobleme" bei den Banken und Versicherern,
die den Gegenpart in diesem Geschäft innehaben, wären
die logische Folge. Die enorm hohen Häuserpreise würden
einbrechen, ein Ausverkauf bei den Anleihen der Hypothekenverkäufer
stünde bevor. Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit könnte
von dem Hypotheken-Finanzierern auf andere Sektoren des Finanzsystems
übergreifen. Banken wären deshalb ebenso gefährdet
wie Versicherungsunternehmen. Der gesamte Finanzsektor stünde
vor einer Zerreißprobe. Der Vertrauensverlust in der US-Bevölkerung
wäre enorm. Nicht nur die US-Wirtschaft, sondern auch die Weltwirtschaft
könnte in Mitleidenschaft gezogen werden.
Aufgrund
dieser Berichtsergebnisse wurde OFHEO-Chef Falcon von der US-Regierung
"gegangen". Nachfolger ist Marc Brickell, der zuvor mehr
als 20 Jahre Chef der Derivate-Abteilung bei J.P. Morgan gewesen
ist. Den Bock zum Gärtner machen, nennt man so etwas umgangssprachlich.
Das die beiden "F-M´s" in den USA eine Sonderstellung
genießen, erkennt man daran, dass beide Unternehmen keinerlei
Steuern an irgendwelche Bundesstaaten abführen müssen.
Ein Fehler, der sich jetzt bald rächen könnte ist jedoch
das Privileg, dass sowohl Freddie Mac, als auch Fannie Mae, beide
börsennotiert, bisher von den Offenlegungsvorschriften der
Börsenaufsicht ausgenommen waren. Ob zumindest dieser Fehler
schleunigst behoben wird, ist noch unklar.
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