Blickpunkt Unternehmen: Freddie Mac/ Fannie Mae - Immobilienfinanzierer am Ende?
von Thomas Badtke

In der letzten Woche gab es meiner Meinung nach drei erwähnenswerte, hoch interessante Wirtschaftsmeldungen. Da hieß es z. B.: Den deutschen Brauereien fehlen etwa eine Million Bierkästen samt Mehrwegflaschen. Dank des Dosenpfands sei der Run auf das gute alte Flaschenbier enorm hoch gewesen, sodass es jetzt zu einem Engpass kommen und manche Brauereien nicht mehr liefern können. Und so etwas in Deutschland, der Biernation Nummer Eins. Die zweite Meldung dreht sich um das US-Wirtschaftswachstum. Das fiel im ersten Quartal diesen Jahres deutlich bescheidener aus, als erwartet. Statt 1,9 Prozent Wachstum, lag es nur bei 1,4 Prozent. Der Ausblick für das zweite Quartal sehe nicht viel besser aus, so amerikanische Experten. Die dritte beeindruckende Meldung war folgende: Die Schulden der öffentlichen Haushalte in Deutschland haben sich bis Ende März diesen Jahres auf 1,29 Billionen Euro erhöht. Eine Zunahme von 5,9 Prozent innerhalb eines Jahres. Dabei entfallen 735 Mrd. Euro auf den Bund, knapp 400 Mrd. Euro auf die Länder und mehr als 82 Mrd. auf die Gemeinden. Diese Zahlen erschrecken einen noch mehr, wenn man weiß, dass Genosse Eichel im kommenden Haushalt erneut mit 23,8 Mrd. Euro neuen Schulden rechnet. Das Ausgabevolumen für 2004 beträgt, so es abgesegnet wird 251,1 Mrd. Euro.

Diese Zahlen mögen erschreckend sein, aber folgendes birgt noch mehr Zünd- und Brennstoff. In den USA gibt es zwei halbstaatliche Immobilien-Finanzierer, Freddie Mac und Fannie Mae. Während es um letztere etwas ruhig ist, hat die amerikanische Staatsanwaltschaft und die Börsenaufsicht SEC nicht nur ein Auge auf Freddie Mac geworfen Da wären zum Einen die seit dem Fall Enron bestens bekannten, noch angeblichen, Bilanzmanipulationen und zum Anderen der überraschende Rauswurf bzw. Rücktritt der gesamten Führungsriege, ohne Angabe triftiger Gründe. Das noch mehr Parallelen zu Enron und WorldCom bestehen, wird überdeutlich: Wie bei Enron wurden die Bücher und Bilanzen von Freddie Mac von Arthur Andersen "geprüft". Auch bei Freddie Mac sollen dabei Fehler gedeckt worden sein. Die Spitzenmanager gingen ohne große Erklärungen von Bord. Etwaige Probleme kommen wenn überhaupt, dann nur sehr bruchstückhaft ans Licht und zu guter Letzt scheinen auch die Ratingagenturen bis zum bitteren Ende an der Freddie Mac-Bewertung festzuhalten.

Nun ist Freddie Mac nicht irgend eine "Hinz-oder-Kunz"-Firma. So sagte der Präsident der Zentralbank von St. Louis, Mississippi, beispielsweise: "Sollte Freddie Mac erschüttert werden, könnte das Ergebnis eine Krise der Finanzmärkte sein, die der Eigenheimbranche und der Wirtschaft erheblichen Schaden zufügt." In den Büchern von Freddie Mac stehen 1,3 Billionen US-Dollar, also 1.300 Mrd. US-Dollar an Hypotheken, Anleihen und sonstigen Wertpapieren. Das ist nahezu vergleichbar mit den öffentlichen Schulden Deutschlands. Nimmt man Fannie Mae noch hinzu, erhöht sich die Hypothekensumme in den Büchern der beiden auf 3,1 Billionen US-Dollar. Peanuts kann man das wohl nicht mehr nennen.

Fannie Mae und Freddie Mac wurden von der US-Regierung vor mehr als 30 Jahren ins Leben gerufen, um den Häusermarkt anzukurbeln. Das geschieht folgendermaßen: Zuerst vergeben die US-Geschäftsbanken Hypothekenkredite an Privathaushalte. Diese wiederum verkaufen sie an Freddie Mac und Fanny Mae. Die beiden Hypotheken-Finanzierer besorgen sich das nötige Kleingeld über die internationalen Finanzmärkte durch z. B. Anleihen. Dank des Top-Rating der beiden Firmen geschieht dies zu sehr günstigen Konditionen. Es gibt zwar keine formelle Staatshaftung für die beiden, trotzdem sind viele Anleihenkäufer der Meinung, dass der amerikanische Staat bei Schwierigkeiten mit Steuergeldern einspringen würde. Sogenannte Mortgage Backed Securities sind ein weiteres Standbein der beiden Unternehmen. Sowohl Fannie Mae als auch Freddie Mac vertreiben hypothekenbesicherte Wertpapiere. In diesem Fall werden die Hypothekenkredite nicht aufgekauft, sondern mit einer Garantie versehen, dann gebündelt und an Versicherungen, Pensionsfonds oder Investoren aus dem In- und Ausland verkauft, als festverzinsliche Wertpapiere. Freddie Mac hat im MBS-Bereich ausstehende Verbindlichkeiten in Höhe von nahezu 650 Mrd. US-Dollar, Fannie Mae von immerhin 528 Mrd. US-Dollar. Seit 1994 hat sich der Wert der MBS-Verbindlichkeiten mehr als verachtfacht. Da die Forderungen und Verbindlichkeiten der beiden Unternehmen bzw. Institute mit unterschiedlichen Zinsraten versehen sind, versuchen sie sich mit gegenläufigen "Finanzwetten" mit Hilfe anderer Banken abzusichern. Eine ganz große Nummer spielt hier J.P. Morgan. Die Crux besteht jetzt darin, dass es bereits bei einer geringfügigen Zinserhöhung seitens der Fed zu einem dominoartigen Zusammenbruch von Hypothekenkrediten, hypothekenbesicherten Anleihen und Finanzderivaten kommen kann.

Aus diesem Grund wurde bereits im Februar diesen Jahres von der zuständigen Aufsichtsbehörde OFHEO (Office of Federal Housing Enterprise Oversight) ein Bericht mit dem Titel "Systemisches Risiko: Fannie Mae, Freddie Mac und die Rolle der OFHEO" veröffentlicht. In ihm kommt man zum Schluss, dass bei einer Schieflage von einer der beiden Firmen durchaus mit einem "systemischen Ereignis" an den Finanzmärkten gerechner werden kann. "Solvenz- und Liquiditätsprobleme" bei den Banken und Versicherern, die den Gegenpart in diesem Geschäft innehaben, wären die logische Folge. Die enorm hohen Häuserpreise würden einbrechen, ein Ausverkauf bei den Anleihen der Hypothekenverkäufer stünde bevor. Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit könnte von dem Hypotheken-Finanzierern auf andere Sektoren des Finanzsystems übergreifen. Banken wären deshalb ebenso gefährdet wie Versicherungsunternehmen. Der gesamte Finanzsektor stünde vor einer Zerreißprobe. Der Vertrauensverlust in der US-Bevölkerung wäre enorm. Nicht nur die US-Wirtschaft, sondern auch die Weltwirtschaft könnte in Mitleidenschaft gezogen werden.

Aufgrund dieser Berichtsergebnisse wurde OFHEO-Chef Falcon von der US-Regierung "gegangen". Nachfolger ist Marc Brickell, der zuvor mehr als 20 Jahre Chef der Derivate-Abteilung bei J.P. Morgan gewesen ist. Den Bock zum Gärtner machen, nennt man so etwas umgangssprachlich. Das die beiden "F-M´s" in den USA eine Sonderstellung genießen, erkennt man daran, dass beide Unternehmen keinerlei Steuern an irgendwelche Bundesstaaten abführen müssen. Ein Fehler, der sich jetzt bald rächen könnte ist jedoch das Privileg, dass sowohl Freddie Mac, als auch Fannie Mae, beide börsennotiert, bisher von den Offenlegungsvorschriften der Börsenaufsicht ausgenommen waren. Ob zumindest dieser Fehler schleunigst behoben wird, ist noch unklar.

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