Blickpunkt Unternehmen : Microsoft
von Thomas Badtke
19.07.2003

Was haben Bayern München, die "Bild"-Zeitung und Microsoft gemeinsam? Sie polarisieren die Massen. Kaum einer würde freiwillig zugeben "Bild" zu lesen bzw. sich als Fußballanalphabet, weil Bayern-Fan, zu outen. Bei Microsoft wird es da schwieriger. Normalerweise kann man nicht ohne Bill Gates und seine Produkte. Egal ob an der Arbeit oder zu Hause in der Freizeit - Bill Gates hat - sobald man seinen Computer anschaltet - seine Hände im Spiel. Nur wenige, in etwa vergleichbar mit dem gallischen Dorf Kleinbonum (heutzutage nennt man sie aber nicht Gallier sondern Linux-User), wiederstehen dem Windows-Drang.

Da verwundert es nicht, dass die Quartalszahlen des Redmonder Software-Riesen wieder einmal grüne Vorzeichen aufgewiesen haben. Der Umsatz konnte auf mehr als acht Mrd. US-Dollar gesteigert werden. Der Nettogewinn kletterte auf fast zwei Mrd. US-Dollar. Alles wäre so schön, wenn die Analysten der diversen Investmenthäuser von Bill Gates und seinem Alter Ego Steve Ballmer nicht mehr erwartet hätten. So lag der Gewinn zwar bei 18 US-Cent je Aktie, die Experten hatten jedoch mit 24 US-Cent je Anteilsschein gerechnet. Nun gut, was soll die Haarspalterei. Weltweit gibt es kaum ein anderes Unternehmen, das eine ähnliche "Lizenz-zum-Geld-drucken" vorweisen kann. Da wundert es auch nicht, dass Bill Gates immer im Rennen um den Posten "Reichster Mann der Welt" ganz vorne mit dabei ist. Eigentlich hat er mit Warren Buffet auch nur einen einzigen, ernst zunehmenden Konkurrenten. Aber das nur am Rande.

Normalerweise sollte man sich als Aktionär von Microsoft also freuen. Und das alle drei Monate bei der Verkündung der Quartalszahlen. Denkste. Denn Microsoft hat bis zum Januar diesen Jahres nie eine Dividende an seine Aktionäre ausgezahlt, obwohl die Dividendenzahlungen quasi als das "Täglich-Brot der Aktionäre" gelten. Mittlerweile sitzt das Unternehmen auf Barmitteln von 46 Mrd. US-Dollar. In Zahlen: 46.000.000.000 US-Dollar!!! Allein die Zinsen sorgen dafür, dass einem die Tränen in die Augen steigen. Angenommen man verzinst es mit sagen wir mit lächerlichen 2,5 Prozent pro Jahr, dann kommen per anno 1,15 Mrd. US-Dollar hinzu. Was macht man mit so einem Batzen Geld? Man könnte es spenden! Aber dadurch wird es ja auch nicht weniger, weil Spenden bei der Steuer anrechenbar sind. Bill Gates spendete in den vergangenen vier Jahren zum Beispiel 5,5 Mrd. US-Dollar. Zweifelsohne eine enorme Geldsumme, die selbst die Leistungen von UNICEF in den Schatten stellen sollen. Aber rechnet man einmal die jährliche Spendensumme aus, liegt diese ungefähr bei ca. 1,35 Mrd. US-Dollar. Und schon relativiert sich einiges. Es ist immer noch eine enorme Summe des ach so schnöden Mammon, aber verglichen mit den anfallenden Jahreszinsen oder auch dem Quartalsgewinn, erscheint sie doch geradezu pervers gering. Das Verhältnis scheint nicht zu stimmen. Ärgerlich über die Spenden dürften trotzdem nur die Aktionäre sein, die auf ihre Dividende bisher immer verzichten mussten.

Das soll nun anders werden. Bereits im Januar diesen Jahres schüttete Microsoft erstmals eine Dividende aus. Diese lag bei acht US-Cent je Aktie. Hört sich lächerlich an, oder? Hauptprofiteur war Bill Gates, der noch immer über 1,2 Mrd. Aktien seines Unternehmens hält. Microsoft ist ja nicht fürs Kleckern bekannt, sondern eher fürs Klotzen. Deshalb wird derzeit eine einmalige Sonderausschüttung im Unternehmen diskutiert, die sich in etwa auf eine Höhe von zehn Mrd. US-Dollar belaufen soll. Das entspricht einem US-Dollar je Aktie. Wer hier wieder das meiste Geld erhält, braucht nicht mehr erwähnt zu werden. Die normalen "Brot-und-Butter-Aktionäre" dürfte es indes freuen, schließlich dümpelt der Aktienkurs des ehemaligen Börsen-Highflyer schon seit mehr als einem Jahr in einer Seitwärtsrange, die eine Spanne von rund zehn US-Dollar (Kurse von ca. 20 bis knapp 30 US-Dollar) aufweist. Die einmalige Ausschüttung, eventuell sogar mit einem Aktienrückkaufprogramm verbunden, oder wie man bei Microsoft sagt: "bundled", soll allem Anschein nach die alten Aktionäre bei der Stange halten.

Der Umsatz im laufenden Geschäftsjahr soll um fünf Prozent auf mehr als 34 Mrd. US-Dollar anwachsen. Es erscheint also alles im grünen Bereich zu sein. Aber die Börse will mehr. Verständlich, schließlich hat sie in den vergangenen Jahren meist auch mehr bekommen. Analystenerwartungen wurden getoppt, Unternehmensziele und -kennzahlen mehrmals im Jahr nach oben geschraubt. In den 90er wuchs Microsoft beim Umsatz jährlich um 30 Prozent, beim Gewinn sogar um 37 Prozent per anno. Aber diese Zeiten scheinen vorbei. Die beiden Cash Cows des Unternehmens, das Betriebssystem "Windows" und das sogenannte "Office"-Paket haben den Grad der Marktsättigung erreicht. Es wird nicht mehr jede Erweiterungsstufe vom Computerbesitzer mitgenommen. Viele Nutzer arbeiten immer noch mit Windows 98 oder 2000, statt auf das neuere XP umzusteigen. Ähnlich ist das Vorgehen bei den Office-Systemen. Da helfen auch die Computerneuverkäufe nicht. Dieser Markt befindet sich seit nunmehr zwei Jahren in einem schwierigen, konsolidierenden Marktumfeld. Microsoft wächst nicht mehr, es stagniert. Allerdings auf hohem Niveau. Im vergangenen Geschäftsjahr setzte beispielsweise der Bereich Betriebssysteme 7,8 Mrd. US-Dollar um. Dabei erreichte er ein operatives Ergebnis von fast 6,4 Mrd. US-Dollar. Ähnliche Zahlen bei den Office-Systemen. Hier kam man auf 7,2 Mrd. US-Dollar Umsatz und ein operatives Ergebnis von 5,7 Mrd. US-Dollar. Auch der Server-Geschäftsbereich (Server, Schulungen, Consulting) wirft noch enorme Gewinne ab. Das operative Ergebnis betrug hier 1,4 Mrd. US-Dollar bei einem Umsatz von 4,7 Mrd. US-Dollar.

Wachsen einzelne Geschäftsbereiche nicht mehr, muss man sich neue Geschäftsbereiche suchen bzw. neue Märkte erobern. Deswegen engagieren sich Bill Gates und Steven Ballmer seit ein paar Jahren auch in den Bereichen Videospielekonsolen (x-Box), Internet (MSN), Unternehmenssoftware und Mini-Computer (u.a. Windows CE). Bisher allerdings nur mit mäßigen bis gar keinem Erfolg. Der Quasi-Betriebssystem- und Office-Monopolist bekommt sowohl bei den Spielekonsolen, als auch bei der Unternehmenssoftware und im Pocket-PC-Bereich keinen Fuß in die Tür. Zwar lag der Umsatz, den Microsoft mit der x-Box und dazugehöriger Software erzielte im vergangenen Geschäftsjahr bereits bei 2,2 Mrd. US-Dollar, der Gewinn lässt allerdings noch auf sich warten, rund 700 Mio. US-Dollar Verlust verzeichnete dieser Geschäftsbereich. Hat man hier, auch aufgrund der Oligopol-Marktstruktur wenigstens eine gewisse Marktgröße (Microsoft gilt als Nummer Zwei am Markt, aber mit deutlichem Rückstand zum Marktführer Sony - vgl. Kolumne: Kampf der Konsolen), fehlt diese nahezu gänzlich beim Unternehmenssoftware-Bereich. Hier setzt Microsoft lächerliche 400 Mio. US-Dollar um. Sehen lassen kann sich dagegen der Verlust: mehr als 220 Mio. US-Dollar. Noch gravierender sieht es beim Pocket-PC-Bereich aus. Hier übersteigt der Verlust (113 Mio. US-Dollar) sogar den Umsatz (90 Mio. US-Dollar). So etwas kennt man eigentlich nur bei ehemaligen Neuen Markt-Highflyern, wie z. B. Intershop. Auch der Internet-Bereich fährt relativ hohe Verluste von mehr als 340 Mill. US-Dollar ein. Der Umsatz ist dagegen mit 1,7 Mrd. US-Dollar recht ansprechend. Besonders im Browser-Bereich fehlt hier die nötige Konkurrenz.

Zudem wird Microsoft auch mehr und mehr in seinen Stammmärkten angegriffen. Auf dem Servermarkt beispielsweise, der weltweite Umsatz mit Server-Rechnern wird auf etwa 50 Mrd. US-Dollar geschätzt, kratzt Linux deutlich an der Vormachtstellung der Redmonder. Zwar verfügt Microsoft noch immer über einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent, doch Linux konnte seine Marktstellung hier in den vergangenen Jahren sukzessive ausbauen. Lag der Marktanteil 2001 noch bei neun Prozent, stieg er im vergangenen Jahr bereits auf 14 Prozent. Experten erwarten für 2003 einen Anstieg auf 25 Prozent.

Insofern erwächst Microsoft endlich einmal ein namhafter Konkurrent. Auch können die Redmonder hier nicht mit ihrem normalen Geschäftsgebaren punkten. Im Betriebssystem- oder Internet-Bereich wurden Unternehmen, die eine Konkurrenz darstellen, kurzerhand aufgekauft und einverleibt. Bei den mehreren hundert Softwarefirmen, die das zudem kostenlose "open-source"-Produkt Linux weiterentwickeln und vertreiben, dürften selbst die Milliarden und Abermilliarden US-Dollar des Bill Gates nicht ausreichen. Noch muss sich Otto-Normal-User zwar mit Word und Windows herumschlagen, aber wer weiß, vielleicht erwächst auch hier bald ernstzunehmende Konkurrenz. Uns Usern wäre es zu wünschen. Und bis dahin, kann Bill Gates sein in Microsoft-Aktien gehortetes Vermögen ja komplett UNICEF übereignen. Da würde ich mich glatt bereit erklären, auf Windows XP und Office 2000 aufzurüsten......

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