Vermögensaufbau für Berufsanfänger

Viele Menschen zahlen beim Berufsstart teueres Lehrgeld hinsichtlich des richtigen Umgangs mit dem verdienten Geld. Sie kaufen nicht nur fragwürdige Geldanlagen und Versicherungen, ihnen fehlt auch noch die triviale Erfahrung, dass auf Dauer nur das Geld ausgegeben werden kann, welches vorher verdient worden ist. Daher ist eine Buchführung nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch zu Hause die Grundlage aller Geschäfte. Die Bereitschaft zur Buchführung ist jedoch in vielen Haushalten nicht vorhanden. Vor allem jungen Menschen ist der Sinn einer Auflistung von Einnahmen und Ausgaben nicht einfach zu vermitteln. Es ist einfacher und "cooler", sich mit Handy und Kredit- oder EC-Karte ein schönes Leben zu machen, anstatt die täglichen Ausgaben in einem Haushaltsbuch festzuhalten. Die Quittung für diesen verhängnisvollen Umgang mit dem Geld kommt zum Teil erst Wochen später in Form von Bankauszügen ins Haus, und dann wird verzweifelt die Frage gestellt: Wo ist das Geld geblieben?

Wir wollen uns einfach einmal folgendes Beispiel ansehen:
Ein Bankkaufmann ist 27 Jahre alt. Sein Studium hat er in kurzer Zeit absolviert. Danach erfolgte in einer großen Privatbank die hausinterne Ausbildung. Jetzt befindet sich der Mann in der Abteilung "privat banking" und verkauft Geldanlagen, Kredite und Versicherungen an vermögende Privatkunden. Ein Blick auf die Konten des Finanzberaters bestätigt das Sprichwort, dass Schuster die schlechtesten Schuhe tragen:
Auf der Haben-Seite ist zuerst das Girokonto zu nennen, welches 1.500 € Guthaben aufweist. Im Wertpapierdepot befinden sich nach dem jüngsten Kursabsturz noch Papiere im Wert von 5.000 €. Abgerundet wird das Vermögen noch durch eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 500 €.
Diese 7.000 € könnten der Beginn zum Aufbau eines kleinen Vermögens sein, wenn da nicht das Darlehen wäre. Unser Berater kaufte sich vor 2 Jahren zu Beginn seiner Tätigkeit in der Bank ein Auto und nahm einen Kredit über 12.500 € auf. Die Restschuld liegt bei 8.500 €, so dass das Vermögen per Saldo minus 1.500 € beträgt. Wenn der aktuelle Wert des Autos in die Bilanz einbezogen wird, steigt das Vermögen auf rund 11.000 €.

Das Ergebnis ist bei einem angenommenen Jahreseinkommen von 40.500 € keine Meisterleistung. Besonders deutlich wird dies, wenn man den Einnahmen die Ausgaben unseres Bankkaufmanns gegenüberstellt:

Einnahmen und Ausgaben:
Von dem Einkommen fließen etwa 10.000 € an den Staat, weitere 8.000 € an die Krankenkasse und die Träger der Sozialversicherung. Diese Positionen sind gewaltig, jedoch kann auf sie kein Einfluss genommen werden. Beeinflussbar sind jedoch die variablen Kosten, die sich aus der privaten Lebensführung ergeben: Die größte Ausgabe ist die Miete, sie schlägt mit 6.500 € zu Buche. Danach folgen mit 5.500 € das Auto (Steuern, Versicherung, Benzin) und die Kreditraten. Die Verpflegung kostet 4.500 € pro Jahr und besteht nicht nur aus Sonderangeboten, sondern auch aus regelmäßigen Lokalbesuchen. Telefon und Urlaub belasten die Kasse mit 4.000 €, Investmentfonds und Versicherungen ziehen dem Betriebswirt jährlich 3.500 € aus der Tasche, und die Kleidungskosten summieren sich auf weitere 1.000 €.
Unter dem Strich bleibt von den Einnahmen nichts übrig, im Gegenteil! Momentan fehlen sogar 2.500 € in der Kasse. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel Geld zu sein, weil die Kreditraten in "naher" Zukunft wegfallen werden, doch die Gefahr, dass das Finanzloch von Jahr zu Jahr größer wird, ist relativ groß.

Leute mit diesem Lebensstil sind ein Geschenk für Gesellschaft und Wirtschaft: Im Januar und Februar arbeiten sie für die Sozialkassen, im März, April und Mai für das Finanzamt, und im Juni und Juli für die Automobilwirtschaft und die Banken. Der August ist für den Urlaub reserviert, und von September bis Dezember sind diese Menschen das Opfer ihrer Wünsche nach Freizeit und Konsum. Das mag in jungen Jahren noch zu ertragen sein, doch später, wenn die Anleger merken, dass sie auch nicht jünger werden, kann ein solcher Lebensstil zur Belastung werden.
Um diesem Übel vorzubeugen, ist frühes Training notwendig, weil der "bewußte" Umgang mit Geld in erster Linie eine Frage des Selbstbewusstseins ist. Wer stark ist, den Verlockungen des Lebens widersteht, und bewährte Lebensformen übernimmt, kann finanziellen Wohlstand normalerweise nicht verhindern.

Problemstellungen:
In unserem Beispiel drängen sich 5 Fragen geradezu auf:

  • Warum verwendet der Banker sein Guthaben nicht zur Tilgung der Schulden?
  • Ist die Wohnung in dieser Kategorie notwendig?
  • Sind die Ausgaben in dieser Höhe für die Verpflegung nötig?
  • Sind die Krankenkasse und die Lebensversicherung in der bestehenden Form sinnvoll?
  • Lassen sich die Ausgaben für Telefon und Urlaub senken?

Wer diesen Fragen aus dem Weg geht, wird seine private Haushaltsbilanz niemals in den Griff kriegen. Wohlstand ist immer die Belohnung für Konsumverzicht. Die meisten Menschen, die nicht geerbt, sondern ihren Wohlstand erarbeitet haben, sind nur auf solche Weise zu Geld gekommen, und auch junge Menschen können diese schlichte Regel nicht außer Kraft setzen.

In vielen Fällen - auch in unserem Beispiel - bewirken kleine Veränderungen erstaunliche Ergebnisse.
Die bestehenden Geldanlagen können aufgelöst werden (also die 7.000 €), so daß die Verbindlichkeiten auf 1.500 € sinken und innerhalb weniger Monate tilgbar sind. Bei der Wohnung sind durch einen Umzug vielleicht Einsparungen von 1.000 € möglich (wobei wir jetzt hier die Kosten für den Umzug an sich vernachlässigen), die Ausgaben für das Auto könnten durch weniger Nutzung und sparsamerer Fahrweise um 500 € gesenkt werden. Die Kosten für die Versicherung lassen sich durch 2 Handgriffe gleich um 3.250 € senken (dazu sogleich unten). Und auch bei Urlaub, Telefon und Verpflegung sind Einsparungen möglich: Schreiben statt reden, Frankreich statt Florida und Küche statt Restaurant bescheren Vorteile von 2.000 €. Sie führen in Windeseile zu einem Überschuß von 4.500 € pro Jahr, der nach der Schuldentilgung sogar auf 7.500 € klettert.

Voraussetzung dieser Erfolge sind einfache und klare Strukturen. Im vorliegenden Fall ist die Einsicht nötig, dass bei den Geldanlagen, Krediten und Versicherungen einige Dinge "dumm" gelaufen sind. Dazu gehören die frühe Aufnahme eines Darlehens und der tiefe Fall der Wertpapiere. Bei den Versicherungen hat der junge Mann vor drei Jahren in gutem Glauben eine Kapitallebensversicherung auf den 85. Geburtstag abgeschlossen, weil an die Police eine hohe Rente bei Berufsunfähigkeit angehängt werden konnte. Hier wäre aber die strikte Trennung von Geldanlage und Versicherung die bessere Lösung gewesen, weil die Rendite der Lebensversicherung viel zu niedrig ist.

Der Vorteil in unserem Beispiel für den Banker ist, dass die gemachten Fehler noch nicht unreparabel sind. In jungen Jahren sind viele Schäden zum Glück heilbar. Wir wollen Ihnen jetzt einmal zeigen, mit welchen konkreten Maßnahmen der Banker seine finanzielle Situation entscheidend verbessern kann:

Beseitigung der Schulden:
Vorab wird das Wertpapierdepot aufgelöst und die Kapitallebensversicherung verkauft; mit diesem Geld sowie dem Guthaben auf dem Girokonto wird der Autokredit in Höhe von 7.000 € getilgt. Bei der Ablösung von solchen Verbindlichkeiten ist in der Regel keine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen, weil die meisten Autokredite sog. Konsumentenkredite sind, bei denen die kostenfreie Ablösung jeden Tag möglich ist. Auf diese Weise sinken die Verbindlichkeiten auf 1.500 €, und wenn die alten Kreditraten noch einige Monate bezahlt werden, dann sind die Restschulden in Kürze vom Tisch.

Nun wenden wir uns dem Vermögensaufbau zu:
Der Vermögensaufbau erfolgt in 3 Schritten: Bildung einer Rücklage, Absicherung gegen die größten Risiken, Vermögensaufbau im engeren Sinne.

Zuerst wird die Kreditkarte vernichtet.
Danach sammelt der Bankberater 3 Nettogehälter oder ca. 5.000 €. Dieses Geld wird auf einem Festgeldkonto oder in einem Geldmarktfonds angelegt. In beiden Fällen kommt es weniger auf Rendite als auf ständige Verfügbarkeit und Sicherheit an. Die so gebildete Rücklage ist eine Reserve für Notfälle (z.B. Zahnarzt, Kauf einer Wohnungseinrichtung). Selbst wenn in den kommenden Monaten keine außergewöhnlichen Ausgaben auf dem Programm stehen, wirkt die Kasse vielfach Wunder, weil die Menschen im Laufe der Zeit ihre finanzielle Freiheit zu schätzen wissen.

Der nächste Schritt liegt im Abschluß einer angemessenen privaten Haftpflichtversicherung. Solch eine Versicherung ist in den meisten Haushalten vorhanden, doch liegt die Deckungssumme in der Regel bei ca. 500.000 € (das sind die umgerechneten Altverträge über 1.000.000 DM). Das wird in den meisten Fällen ausreichen, doch in einigen Situationen kann eine solch relativ niedrige Summe zum finanziellen Ruin führen (man muß ja nur einmal ausrechnen, auf was für Summen sich eine vom Gericht zugesprochene monatliche Rentenzahlung von 1.500 € bei Personenschäden über ein ganzes restliches Leben - z.B. 55 Jahre - addiert: 990.000 €. Dabei wurden die möglicherweise entstandenen Sachschäden noch gar nicht berücksichtigt!). Es liegt deshalb auf der Hand, die Deckungssumme auf 2,5 Millionen €, besser 5 Millionen € anzuheben. Die "großen" Policen kosten im Vergleich zu den "kleinen" nur wenige Euro mehr im Jahr, so dass der Mehraufwand im Verhältnis zur Absicherung nicht der Rede wert ist.

Die schwierigste Entscheidung junger "Großverdiener" dürfte die hinsichtlich der Krankenkasse sein. Bei der Wahl zwischen privater oder gesetzlicher Krankenkasse gibt es kein Patentrezept, sondern nur die Erkenntnis, dass der Ausstieg aus der gesetzlichen Krankenkasse normalerweise eine Entscheidung für´s Leben ist. Wer die Solidargemeinschaft verlässt, hat in der Regel keine Möglichkeit mehr, in die gesetzliche Krankenkasse zurückzukehren. Daher will dieser Schritt gut überlegt sein. In jungen Jahren spricht alles für die private Krankenversicherung, weil die Beiträge konkurrenzlos niedrig sind. Im vorliegenden Beispiel muß der Bankberater, der noch Mitglied in der gesetzlichen Krankenkasse ist, monatlich 220 € bezahlen. Bei der privaten Konkurrenz sinken die Kosten auf 50 € pro Monat, wenn die Selbstbeteiligung bei ambulanter Behandlung hoch ist und das Tagegeld bei Krankheit erst ab der 13. Woche einsetzt. Dieser Versicherungsschutz mag vielen Menschen spartanisch vorkommen, doch bei einer Rücklage von 5.000 € sind diese Risiken "leicht" zu tragen, so dass der Versicherungsschutz auf die schweren Fälle beschränkt werden kann, die wirklich Geld kosten.

Das größte Risiko des jungen Mannes ist die Invalidität durch Krankheit. In diesem Fall sehen viele Berufsanfänger ziemlich "alt" aus, weil die staatliche Unterstützung niedrig ist. Es war deshalb richtig von unserem Bankberater, dass er gleich zu Beginn seiner Karriere eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat. Nur die Wahl der Police war nicht so glücklich, weil die Kapitallebensversicherung von 75.000 €, abgeschlossen auf den 85. Geburtstag, und die monatliche Rente von 1.500 € ein Missgriff waren, dem Vermittler aber eine saftige Provision von über 3.000 € beschert haben.
Hier gibt es nur eine Lösung: Kündigung des Vertrages und Umstieg auf eine selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung, die nur noch 65 € im Monat kostet. Dies führt zwar vordergründig zu einem Verlust, doch in diesem Fall ist das zu verschmerzen, da der Anleger die Prämien, die er sonst bezahlt hätte, in Geldanlagen investieren kann, die viel höhere Renditen als die Lebensversicherung bringen.

Nachdem nun der Banker seine existenzgefährdeten Risiken abgesichert hat, wenden wir uns dem eigentlichen Vermögensaufbau zu. Es stellt sich nun die Frage nach der Verwendung der jährlichen Überschüsse. Die Wahl der Geldanlage hängt in erster Linie von den individuellen Zielen ab. Es gilt die (pauschale - deshalb mit Vorsicht zu genießende) Regel: Je kürzer die Anlagedauer, desto eher kommen Rentenfonds in Betracht, je länger die Anlagedauer, desto vorteilhafter sind Aktienfonds.
Wenn z.B. in 6 Jahren der Bau eines Hauses ansteht, sind Aktienfonds eine heikle Angelegenheit, weil mögliche Kursverluste nicht mehr schnell genug ausgeglichen werden können. In diesem Fall sind Bauspar- und Rentenverträge bewährte und sichere Klassiker.
Für das langfristige Ziel "Altersvorsorge" jedoch gibt es keine Alternative zu Aktien, weil auf lange Sicht hierbei die Rendite am größten ist und durch die lange Anlagedauer Kursdellen ausgesessen werden können. Dazu empfiehlt sich insbesondere ein Aktienfonds-Sparplan.

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