Campis Corner: Bilanzkosmetik
von Thomas Badtke

01.05.2004

Moin,

bei meiner wöchentlichen „Spiegel“-Lektüre bin ich auf ein Phänomen aufmerksam geworden. Der Spiegel gehört ja eher zu den geachteteren Magazinen in Deutschland. Und trotzdem ist man in der letzten Zeit, d. h. den letzten Monaten immer wieder über Paradoxe gestolpert. Aber ich rühme mich jetzt einfach mal dafür, den „roten Faden“ darin gefunden zu haben.

Ich lese im „Spiegel“ ja auch die Wirtschaftsmeldungen. Da gibt es ja normalerweise bessere Blätter für dieses Gebiet. Aber wenn man einen Wochenüberblick will, dann ist der investigative „Spiegel“ genau richtig. Nur, was mir eben aufgefallen ist: Im „Spiegel“ stehen dann kleine Wirtschaftsmeldungen, nett anzusehen und zu lesen. Aber sie haben es faustdick hinter den Ohren bzw. zwischen den Zeilen. Entweder wollen die Journalisten einen direkt darauf stoßen oder sie tappen selber im Dunkeln. Es ist wie mit dem „Heiligen Gral“. Keiner weiß etwas, aber trotzdem scheint es klar zu sein, dass es ein Kelch ist, von Zimmermannshand gefertigt. Genug in die Irre geführt - worauf ich hinaus will ist folgendes:

Ich lese einen alten „Spiegel“ und stoße auf die Überschrift: „Kosmetik für die Chrysler-Zahlen“. Da fragt man sich sofort, ob die Autobauer jetzt bei Henkel oder Beiersdorf eingestiegen sind. Natürlich nicht. Es geht um die Geschäftszahlen der US-Tochter von DaimlerChrysler. Sie erinnern sich bestimmt noch an die „Fusion unter Gleichen“ Chrysler hat für 2003 ein Minus von etwas mehr als 500 Mio. Euro ausgewiesen. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass der amerikanische Haushalt mal locker etwas mehr als 540 Mrd. Dollar Defizit in diesem Jahr anstrebt. Im wahrsten Sinne: „Peanuts“. Der Verlust wäre eigentlich um 50 Prozent höher ausgefallen. Wie denn das? Ganz einfach: Konzern-„Kosmetik“. Die ein Sparte verkauft etwas an die andere Sparte zu nicht marktüblichen Preisen. Das ist legal, da es innerhalb des Konzerns entsteht. Ich hoffe, ich habe jetzt nichts Falsches gesagt. Das ist ungefähr so, als wenn man seiner Freundin 100 Euro zum Schuhkauf gibt, anstatt ihr die Schuhe gleich selbst zu kaufen. Im Endeffekt sind die Schuhe da und das Geld fehlt auf eurem Konto. Da Mercedes-Benz und auch die Service-Tochter von DaimlerChrysler immer noch satte Gewinne machen, wurden kurzerhand Risiken aus dem Leasinggeschäft mit Fahrzeugen von Chrysler von der US-Marke auf die Service-Schwester übertragen. Zudem mussten dort auch Kosten übernommen werden, die Chrysler entstanden waren, weil der Verkauf, vor allem in Amerika, mit subventionierten Krediten angekurbelt wurde. Das führte dann letzten Endes zu einer Entlastung bei Chrysler von ca. 250 Mio. Euro. Zu lesen im Kleingedruckten des DaimlerChrysler-Geschäftsberichtes. Aber wer liest so etwas schon? Otto Normalverbraucher nicht. Der dicke Hammer aber ist, dass DC-Chef Schrempp vorher quasi eine operative schwarze Null für Chrysler angekündigt hatte. Am Ende waren es zwar immer noch 36 Mio. Euro Miese, aber eben ohne die 250 Mio. Euro. Ansonsten wären es dann halt ca. 285 Mio. Euro gewesen und das ist definitiv keine schwarze Null. Wenn solche Zahlen dann die Runde machen, geht der Aktienkurs in den Keller. Aber das dicke Ende: einmal angekündigt und im Geschäftsbericht „eingeführt“ müssen solche Zahlenschiebereien nicht mehr angemerkt werden, d .h. im nächsten Geschäftsbericht steht so etwas nicht mal mehr im Kleingedruckten. Und das sollte man anprangern. Denn am Ende ist wieder der Kleinanleger der Dumme – wie so oft.

Noch ein kurzes zweites Beispiel, welches ähnlich gelagert ist: Ihr habt sicher auch das Gezerre um Wella mitbekommen. Am Ende hat der US-Riese Procter&Gamble den Zuschlag bekommen. Mal abgesehen davon, dass große Unternehmen immer Sonderrechte genießen – auch hier sind die Kleinaktionäre die Dummen. Es wurde Strafanzeige gestellt. Der Vorstand von Wella soll sich für immerhin 23 Mio. Euro seine Aktienoptionen von P&G abgekauft haben lassen. Gesetzwidrig weil sich noch rund 20 Prozent im Free Float befanden, also nicht in den Händen der Amerikaner. Anfang 2003 hatte P&G zwar von der Eigentümerfamilie Ströher immerhin 78 Prozent der Anteile für etwas mehr als 92 Euro Aktie gekauft, aber den freien Welle-Aktionären nur ein minderbemitteltes Angebot gemacht: 65 Euro. Ein Witz angesichts vorheriger Gewinnprognosen des Konzerns. Darum wollen die Minderheitsaktionäre nun einen Nachschlag, was auch verständlich ist. Allerdings können sie eben nicht mehr auf die Unterstützung des Vorstands bauen, da dieser seine Optionen bereits verkauft hat, also von einem höheren Aktienkurs nicht mehr profitieren kann. Clever gemacht von den P&Gs, muss man neidlos anerkennen. Börsen-Kapitalismus in seiner reinsten Form. Deswegen auch die Klage, da die Welle-Aktionäre nun meinen, die Treupflicht des Vorstands wurde verletzt und die Kleinaktionäre sind die Dummen. Schade nur, dass sich auch einige Fonds unter den Gelackmeierten befinden und somit wenigsten eine kleine Lobby den Kampf aufgenommen hat. Ausgang ungewiss......

Wie ihr seht, ist es nicht nur beim Miet- oder Heiratsvertrag wichtig, darauf zu achten, was im Kleingedruckten und zwischen den Zeilen steht. Das diese beiden Meldungen aber nur Randnotizen wert waren, ist die eigentliche Schweinerei. Da scheint das jahrelange „Naddel-Bohlen-Verona-Gedöns“ auf den Privatsendern doch seinen Zweck erfüllt zu haben. Leider......

Ciao,
Euer Campi

P.S.: Zu DaimlerChrysler: Sehe ich einen geringeren Verlust als erwartet, könnte ich meinen der Firma geht’s gut. Ich kaufe Aktien. Sie müssten doch eigentlich steigen. Denkste, denn eigentlich hat die Firma Verlust wie immer gemacht. Aber ich weiß das nicht, da ich meine Lesebrille verlegt habe, oder es mich einfach nicht interessiert, dass zwischenbetrieblich Geldsummen verschoben wurden. Aber es ist ja alles legal.

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