Moin,
bei
meiner wöchentlichen Spiegel-Lektüre bin ich
auf ein Phänomen aufmerksam geworden. Der Spiegel gehört
ja eher zu den geachteteren Magazinen in Deutschland. Und trotzdem
ist man in der letzten Zeit, d. h. den letzten Monaten immer wieder
über Paradoxe gestolpert. Aber ich rühme mich jetzt einfach
mal dafür, den roten Faden darin gefunden zu haben.
Ich
lese im Spiegel ja auch die Wirtschaftsmeldungen. Da
gibt es ja normalerweise bessere Blätter für dieses Gebiet.
Aber wenn man einen Wochenüberblick will, dann ist der investigative
Spiegel genau richtig. Nur, was mir eben aufgefallen
ist: Im Spiegel stehen dann kleine Wirtschaftsmeldungen,
nett anzusehen und zu lesen. Aber sie haben es faustdick hinter
den Ohren bzw. zwischen den Zeilen. Entweder wollen die Journalisten
einen direkt darauf stoßen oder sie tappen selber im Dunkeln.
Es ist wie mit dem Heiligen Gral. Keiner weiß
etwas, aber trotzdem scheint es klar zu sein, dass es ein Kelch
ist, von Zimmermannshand gefertigt. Genug in die Irre geführt
- worauf ich hinaus will ist folgendes:
Ich
lese einen alten Spiegel und stoße auf die Überschrift:
Kosmetik für die Chrysler-Zahlen. Da fragt man
sich sofort, ob die Autobauer jetzt bei Henkel oder Beiersdorf eingestiegen
sind. Natürlich nicht. Es geht um die Geschäftszahlen
der US-Tochter von DaimlerChrysler. Sie erinnern sich bestimmt noch
an die Fusion unter Gleichen Chrysler hat für 2003
ein Minus von etwas mehr als 500 Mio. Euro ausgewiesen. Nicht viel,
wenn man bedenkt, dass der amerikanische Haushalt mal locker etwas
mehr als 540 Mrd. Dollar Defizit in diesem Jahr anstrebt. Im wahrsten
Sinne: Peanuts. Der Verlust wäre eigentlich um
50 Prozent höher ausgefallen. Wie denn das? Ganz einfach: Konzern-Kosmetik.
Die ein Sparte verkauft etwas an die andere Sparte zu nicht marktüblichen
Preisen. Das ist legal, da es innerhalb des Konzerns entsteht. Ich
hoffe, ich habe jetzt nichts Falsches gesagt. Das ist ungefähr
so, als wenn man seiner Freundin 100 Euro zum Schuhkauf gibt, anstatt
ihr die Schuhe gleich selbst zu kaufen. Im Endeffekt sind die Schuhe
da und das Geld fehlt auf eurem Konto. Da Mercedes-Benz und auch
die Service-Tochter von DaimlerChrysler immer noch satte Gewinne
machen, wurden kurzerhand Risiken aus dem Leasinggeschäft mit
Fahrzeugen von Chrysler von der US-Marke auf die Service-Schwester
übertragen. Zudem mussten dort auch Kosten übernommen
werden, die Chrysler entstanden waren, weil der Verkauf, vor allem
in Amerika, mit subventionierten Krediten angekurbelt wurde. Das
führte dann letzten Endes zu einer Entlastung bei Chrysler
von ca. 250 Mio. Euro. Zu lesen im Kleingedruckten des DaimlerChrysler-Geschäftsberichtes.
Aber wer liest so etwas schon? Otto Normalverbraucher nicht. Der
dicke Hammer aber ist, dass DC-Chef Schrempp vorher quasi eine operative
schwarze Null für Chrysler angekündigt hatte. Am Ende
waren es zwar immer noch 36 Mio. Euro Miese, aber eben ohne die
250 Mio. Euro. Ansonsten wären es dann halt ca. 285 Mio. Euro
gewesen und das ist definitiv keine schwarze Null. Wenn solche Zahlen
dann die Runde machen, geht der Aktienkurs in den Keller. Aber das
dicke Ende: einmal angekündigt und im Geschäftsbericht
eingeführt müssen solche Zahlenschiebereien
nicht mehr angemerkt werden, d .h. im nächsten Geschäftsbericht
steht so etwas nicht mal mehr im Kleingedruckten. Und das sollte
man anprangern. Denn am Ende ist wieder der Kleinanleger der Dumme
wie so oft.
Noch
ein kurzes zweites Beispiel, welches ähnlich gelagert ist:
Ihr habt sicher auch das Gezerre um Wella mitbekommen. Am Ende hat
der US-Riese Procter&Gamble den Zuschlag bekommen. Mal abgesehen
davon, dass große Unternehmen immer Sonderrechte genießen
auch hier sind die Kleinaktionäre die Dummen. Es wurde
Strafanzeige gestellt. Der Vorstand von Wella soll sich für
immerhin 23 Mio. Euro seine Aktienoptionen von P&G abgekauft
haben lassen. Gesetzwidrig weil sich noch rund 20 Prozent im Free
Float befanden, also nicht in den Händen der Amerikaner. Anfang
2003 hatte P&G zwar von der Eigentümerfamilie Ströher
immerhin 78 Prozent der Anteile für etwas mehr als 92 Euro
Aktie gekauft, aber den freien Welle-Aktionären nur ein minderbemitteltes
Angebot gemacht: 65 Euro. Ein Witz angesichts vorheriger Gewinnprognosen
des Konzerns. Darum wollen die Minderheitsaktionäre nun einen
Nachschlag, was auch verständlich ist. Allerdings können
sie eben nicht mehr auf die Unterstützung des Vorstands bauen,
da dieser seine Optionen bereits verkauft hat, also von einem höheren
Aktienkurs nicht mehr profitieren kann. Clever gemacht von den P&Gs,
muss man neidlos anerkennen. Börsen-Kapitalismus in seiner
reinsten Form. Deswegen auch die Klage, da die Welle-Aktionäre
nun meinen, die Treupflicht des Vorstands wurde verletzt und die
Kleinaktionäre sind die Dummen. Schade nur, dass sich auch
einige Fonds unter den Gelackmeierten befinden und somit wenigsten
eine kleine Lobby den Kampf aufgenommen hat. Ausgang ungewiss......
Wie
ihr seht, ist es nicht nur beim Miet- oder Heiratsvertrag wichtig,
darauf zu achten, was im Kleingedruckten und zwischen den Zeilen
steht. Das diese beiden Meldungen aber nur Randnotizen wert waren,
ist die eigentliche Schweinerei. Da scheint das jahrelange Naddel-Bohlen-Verona-Gedöns
auf den Privatsendern doch seinen Zweck erfüllt zu haben. Leider......
Ciao,
Euer Campi
P.S.:
Zu DaimlerChrysler: Sehe ich einen geringeren Verlust als erwartet,
könnte ich meinen der Firma gehts gut. Ich kaufe Aktien.
Sie müssten doch eigentlich steigen. Denkste, denn eigentlich
hat die Firma Verlust wie immer gemacht. Aber ich weiß das
nicht, da ich meine Lesebrille verlegt habe, oder es mich einfach
nicht interessiert, dass zwischenbetrieblich Geldsummen verschoben
wurden. Aber es ist ja alles legal.
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