Moin,
während
man in der letzten Zeit an den weltweiten Börsen nur fallende
Kurse beobachten konnte, schließlich war ja auch September,
schien es innerhalb von nur fünf Tagen zu einer Kehrtwende
gekommen zu sein. Vom 10. bis 15. Oktober konnte der weltweite Leitindex,
der Dow Jones, um sage und schreibe 1000 Punkte zulegen. In seinem
Kielwasser bewegten sich auch die asiatischen und europäischen
Börsen, selbstverständlich auch der DAX, aufwärts.
Jetzt stellt man sich als eifriger Wirtschaftszeitungsleser und
Möchtegern-Börsenkenner die Fragen: Wieso, Weshalb, Warum...???
Immerhin war dies der größte Kurssprung innerhalb so
kurzer Zeit seit April 1933.
Profitieren
konnte davon auch die arg unter die Räder gekommene Commerzbank.
Wie es einst der Finanzdienstleister MLP vorgemacht hatte, erklommen
die Commerzbank-Aktien ein Kursplus von ca. 50 Prozent in einem
Zeitraum den nicht nur strategische Langfristanleger, die wir doch
heute zwangsläufig alle sind, als kurzfristig bezeichnen würden.
Kaum zu glauben, dass diese Bank vorher schon, laut Gerüchten
aus der Finanzmetropole London, den Gang zur Insolvenzanmeldung
quasi hinter sich hatte. Der Kurs war bis zum 8. Oktober um satte
88 Prozent innerhalb von zwei Jahren gefallen, die Marktkapitalisierung
von 24 Mrd. Euro auf 3 Mrd. Euro gesunken. An Kurse um 5 Euro konnten
sich bis dato nur eingefleischte Anleger erinnern, 20 Jahre waren
seit dem letzten so niedrigem Kursniveau vergangen. Auch die anderen
DAX-Finanzwerte schürten mit Verlusten von 84 Prozent (HypoVereinsbank),
83 Prozent (Allianz/Dresdner Bank) oder 75 Prozent (Münchener
Rück) die Gerüchteküche um einen deutschen Finanzkollaps.
Negatives Schlusslicht war der DAX-Frischling MLP: Verlust an Börsenwert
96 Prozent. Positives Pendant dazu blieben mit ca. 64 Prozent Kursrückgang
die Aktien der Deutschen Bank. Die Frage ist nur, wie man positiv
definiert.
Der amerikanische Allfinanzkonzern Citigroup, einstmals leuchtenden
Vorbild der gesamten weltweiten Finanzbranche, muss ebenso mit Gewinnrückgängen
kämpfen, wie der Konkurrent J.P. Morgan Chase, dessen Gewinne
im letzten Quartal um 91 Prozent eingebrochen sind.
Andere
Veröffentlichungen in dem besagten Zeitraum, als die Kursrakete
ihren Nachbrenner zündete, sorgen für Verwirrung. Im Computer-
und Chipsektor glaubt Branchenführer Intel zwar weiterhin an
einen Chip-Aufschwung, nur wann der kommen möge, ist noch ungewiss.
So um die Weihnachtszeit, wo er sich sonst immer meldete, wird es
wohl damit dieses Jahr nichts werden. Investitionsstreichungen sind
beim Branchenkrösus die Folge. Härter trifft es da die
Konkurrenz. AMD verdoppelte seine Verluste im 3. Quartal. Motorola
vermeldet das achte Quartal in Folge Umsatzrückgänge und
muss sich nicht wundern, wenn der Aktienkurs sich auf dem Niveau
von vor zehn Jahren bewegt. Bei Apple gingen die Verkäufe im
letzten Quartal um 14 Prozent zurück. Bei "Big Blue"
IBM sanken die Gewinne um 18 Prozent. Sun Microsystems wird weitere
4400 Stellen kappen.
Nicht
ganz so "blendend" steht die seit den Vorkommnissen des
11. September sich im Sturzflug befindende Luft- und Raumfahrtindustrie
da. American Airlines, weltweiter Branchenführer, vermeldete
das schlechteste Quartal der Unternehmensgeschichte, alle Flugzeugbestellungen
wurden daraufhin storniert. Die nächsten zwei Jahre wird man
auch bei Delta Airlines keine neuen Flugzeuge bestellen und United
Airlines steht bereits kurz vor dem Bankrott. Für Boeing sieht
es naturgemäß nicht besser aus. Sowohl die Produktion,
als auch die Gewinne gingen um die Hälfte zurück.
Der
Automobilsektor wird's richten, denkt man. Schließlich geht
es in Deutschland den Autobauern noch gut. Aber Deutschland ist
nicht Amerika. Und die Sache mit der "uneingeschränkten
Solidarität" ist ja schon länger hinfällig.
Die Verkäufe gehen zwar auch hierzulande zurück, allerdings
nicht so stark und nur vereinzelt. Nebenbei gesagt, scheinen die
deutschen Automobilunternehmer ihre Aufgaben im Bereich Kostenmanagement
gemacht zu haben.
Die Hauptprobleme in der heutigen Zeit für die amerikanischen
Autohersteller sind ihre firmeneigenen Pensionsfonds. Die scheinbar
globale Börsenbaisse zeigt auch hier ihre Krallen. General
Motors erlitt dadurch Verluste bei seinen Pensionsfonds von immerhin
nicht zu verachtenden 28 Mrd. US-Dollar. Im Gegensatz zum bereits
angehäuften Schuldenberg von 187 Mrd. US-Dollar (etwa die Höhe
der Schulden des zahlungsunfähigen Argentinien) erscheinen
die 28 Mrd. US-Dollar fast als "Peanuts". Ein gern benutztes
Wort in Finanzkreisen. Auch Ford plagt sich mit 162 Mrd. US-Dollar
Schulden. Von diesen Größenordnungen träumen selbst
hartgesottene französische oder (D)deutsche Telekom-Manager.
Honeywell und Caterpillar halten es da eher mit Entlassungen. Beim
Industrieunternehmen Honeywell fallen 5000 Jobs der Stellenstreichung
anheim, bei Caterpillar immerhin 3300. Im seit Enron bei den Anlegern
sehr beliebten Energiesektor scheint auch langsam das Licht auszugehen.
Der texanische Energiekonzern TXU, George W. Bush lässt grüßen,
wird von Anlegern verklagt, weil es die Dividende um 80 Prozent
gekürzt hat oder wegen "betrügerischer Inflationierung
des Aktienkurses". Allegheny Energy hat den Strom bereits abgestellt
wegen Zahlungsunfähigkeit. Dynegy Inc. zieht sich aus dem Stromhandel
in Europa, den USA und Kanada zurück. Bloß wohin?
Zurück
zum Finanzsektor. Anfang Oktober veröffentlichte die US-Bankenaufsicht
einen Bericht, laut dem inzwischen 12,7 Prozent (157 Mrd. US-Dollar)
von insgesamt 1871 Mrd. US-Dollar an ausstehenden Bankkrediten als
"problematisch" angesehen werden. J.P. Morgan Chase und
die Deutsche Bank gehören zu den weltweit größten
Playern im Spiel der Finanzderivate. Genau deswegen ist die Nachricht
vom Bankenkreditfinanzierer Fannie Mae ernst zu nehmen, dass man
"milliardenschwere Probleme" bei den Zinsderivaten habe,
aber es trotzdem nicht weiter "schlimm" sei. Blanker Hohn?
Fehlen
noch die Fundamentaldaten. Die Einzelhandelsverkäufe sind so
stark gefallen wie seit November 2001 nicht mehr. Der Index des
Verbrauchervertrauens der Universität Michigan befindet sich
auf einem Neun-Jahres-Tief.
Nun
stellt sich natürlich die Frage: Warum explodieren die Börsenkurse
bei derart schlechten Nachrichten? Konzertierte Notenbankaktion?!
Lächerlich meinen Sie? Dann beweisen Sie mir das Gegenteil
oder zeigen Sie mir die positive Nachricht in diesem Text.
Ciao,
Euer Campi
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