Moin,
wer
einmal Engdahl gelesen hat, der kennt den Ausdruck von den
"immer kritischen Medien". Das die heutige Medienlandschaft
sich immer mehr daran macht, den Zynismus in diesem Ausspruch zu
bestätigen, spricht nicht unbedingt für sie. Geschweige
denn für uns, die informationshungrigen Konsumenten. Wenn man
heute den Fernseher einschaltet und von Talkshow zu Talkshow zappt,
zwischen diversesten Gerichtsshows bis zu einer unter "medizinischen
Gesichtspunkten" geführten Quasi-Aufklärungsshow
von und mit Frau Dr. Breitenbach wählen kann, muss man sich
doch die Frage stellen, ob Engdahl seiner Zeit nicht weit voraus
und dazu noch ein Sarkast war.
Aber
auch die Medien hat die Rezession in ihrem sich immer enger
schließendem Würgegriff. Egal, ob man nun die bankrotte
Kirch Holding nimmt, oder die kaum weniger gesunde SZ-Gruppe. Nicht
einmal vor der investigativen Spitze der überregionalen Tageszeitungen
macht der Abschwung halt, denn selbst die FAZ muss erneut Verluste
melden. Der Renommierverlag, der zu Beginn der neunziger Jahre des
letzten Jahrtausends, also schon vor geraumer Zeit, in die roten
Zahlen gerutscht war (natürlich wegen Ost-Investitionen), meldete
für das Jahr 2001 einen um 11% gesunkenen Umsatz von 723 Mio.
Euro und einen Verlust von immerhin 28,7 Mio. Euro.
Klar,
die Zahlen des FAZ-Verlages sind nur sehr bedingt vergleichbar mit
denen des ehemaligen europäischen Medienimperiums des Münchners
Leo Kirch. Hier wurden zeitweise dreistellige Millionenbeträge
pro Monat verbrannt, Trotzdem sollte dem Leser bzw. Zuschauer die
Misere in der Medienbranche nicht kalt lassen. Schlechte Zahlen
eingebettet in ein katastrophales Marktumfeld führen meist
zu drastischen gesellschaftlichen Veränderungen. Dem Latenight-Talker
Schmidt vom "powered by emotion" Sender Sat1 entging nicht,
dass die ehemals zu Kirch Media gehörende Pro Sieben Sat1 Media-Gruppe
nunmehr zum Bauer-Verlag gehört. Der einstige deutsche Fußballgott
Netzer holte sich aus einer sicheren Abwehr heraus mit einem französischen
Ex-adidas-Angreifer den Zuschlag für die ebenfalls ehemals
zur Kirch Media gehörende Kirch Sport-Gruppe. Im Klartext bedeutet
dies: die Übertragungsrechte der Fußball-WM 2006 in Deutschland
und die Übertragungsrechte sind gesichert. Das meldeten zumindest
die Medien. Übrig blieb bis jetzt aus der Kirch Media-Tochter
einzig und allein die Filmrechte-Sparte. Das Lager umfasst etwa
12.000 Spielfilme und 40.000 Serienstunden.
Man
sieht, es ist Bewegung in die deutsche Medienlandschaft gekommen
seit Kirch seinen Lebenstraum ad acta legen musste, weil eine gezogene
Put-Option des Axel Springer Verlages (kurz: ASV, bitte nicht mit
ArmeeSportVerein verwechseln) von dem Münchner Löwen nicht
mehr so ohne weiteres bezahlt werden konnte. Mehr als 700 Mio. Euro
sind ja auch kein Pappenstiel. Da auch die deutsche Vorzeigebank
mit selbigen Namen dem in die Jahre gekommenen Herrn Kirch, dessen
Hausbank sie u.a. auch war, mehr Knüppel in den Weg warf, statt
diesen für ihn frei zu räumen, war die größte
deutsche Firmenpleite in der Nachkriegsgeschichte perfekt. Tausende
von Arbeitslosen strömten zu den zuständigen Ämtern
und halfen damit nicht unbedingt bei der Erreichung des Kanzlerziels
die Quote der Arbeitslosen zu senken. Medien machen Politik.
Die
deutsche Medienlandschaft sollte neu geordnet werden. Ein einheimischer
Big Player wurde dafür von den Banken geopfert oder besser
gesagt ans Messer der ausländischen Investmentbanken geliefert.
Bei denen zählt seit jeher nur der knallharte Profit. Einzelschicksale,
selbst wenn es deren Tausender sind, zählen für sie nicht.
Einzig das angloamerikanisch und neoliberal hochgelobte Shareholder
Value ist entscheidend.
Die
Ruhe in der einheimischen Medienszene begann sich drastisch schnell
in eine noch nie da gewesene Umbruchsstimmung umzuschlagen. Aber
trotzdem hatte die Deutschland AG die Zügel noch nicht vollends
aus der Hand gegeben. Als der Name des australischen Medienzar Rupert
Murdoch in den Gazetten auftauchte, konnte man den Aufschrei nicht
überhören. Ebensowenig konnte man sich einen italienischen
Ministerpräsidenten Berlusconi als Statthalter von mehreren
deutschen TV-Anstalten oder gar Europs Boulevard-Blatt Nummer Eins
"Bild" vorstellen. Auch wenn er in Italien, einer echten
Hochburg der Demokratie, vergleichbar beispielsweise mit den Vereinigten
Staaten, über eine Omnipräsenz in den Medien verfügt.
Die Gerüchteküche begann nicht zu brodeln, sie kochte
über. Von Mafiaverbindungen war da die Rede. Ja bis hin zum
Führer der geheimen "Freimaurer-Loge" P2 (propaganda
due) wurde er gemacht.
Kirch
Pay TV, eine andere Tochter der Kirch Holding fand ebenso wenig
einen Käufer wie die Kirch Media. Nachdem letztere jetzt quasi
abgewickelt ist und erstere mit dem ehemaligen Pro7-Chef Kofler
an der Spitze des Top-Verlustbringers Premiere gefährlich nahe
an der schwarzen Null ist, sollte doch nun eigentlich wieder Ruhe
einkehren in Deutschlands Medienzunft. Aber die Verlage scheinen
sich dagegen zu sträuben. Es vergeht kaum eine Woche, in der
die westfälische WAZ-Gruppe nicht mit einem anderen notleidenden
Verlag in Verbindung gebracht wird. Vom Kauf des Kirch´schen
Springer-Anteiles, an dem die WAZ bereits mehrere Male Interesse
zeigte, war die Rede. Am notleidenden SZ-Verlag, dem Jahreszeitenverlag
("Für Sie") oder gar am SPD-Verlagsimperium DDVG
war man "ganz nah" dran. Zumindest beim letzten Vertreter
hätte man dank des "1/4-Geschäftsführers"
Bodo Hombach zuschlagen können oder müssen. Es kam wie
es kommen musste: Nichts passierte. Alles bleibt wie gehabt. Sieht
man einmal von der Erhöhung des Kaufpreises für das wöchentlich
erscheinende Augsteinsche Ur-Magazin "Der Spiegel" auf
drei Euro ab.
Rupert
Murdoch kümmert sich immer noch um die britische, australische
und amerikanische Boulevardpresse, seine Fernsehkette Fox und seine
Filmstudios. Das Aufatmen ist weithin hörbar. Berlusconi samt
Fininvest, ob nun ohne oder mit Verbindungen in die Unterwelt, kann
diese, soweit vorhanden, auch weiterhin zum Großteil nur in
Italien ausspielen. Und die Banken aus dem angelsächsischen
Raum bleibt die Tür in die deutsche Medienlandschaft weiterhin
verschlossen. Alles bleibt wie gehabt. Wenn da der Spielverderber,
die allgemeine schlechte weltwirtschaftliche Lage nicht wäre.
Sollte der schon seit geraumer Zeit von den Medien herbeigesehnte
Aufschwung nämlich nicht kommen oder sich erst viel später
auf den Weg machen, käme das dicke Ende, realistisch
betrachtet, erst noch. Die FAZ hat noch Geld um die nächsten
zwei Jahre überbrücken zu können. Veränderungen
müssen aber auch hier vorgenommen werden. Für den SZ-Verlag
käme der Schlussgong allerdings bedeutend früher, wenn
man sich nicht Gedanken über das bisherige Geschäftsmodell
macht. So gesehen könnte es wirklich bald rappeln. Denn die
Chance einen Fuß in die Tür mit der Aufschrift "Deutschlands
Medienbranche" zu bekommen, und damit den Zutritt zur politischen
Macht zu bekommen, war noch nie so groß, wie heute. Denn auch
die bis dato als "Beschützer" zur Seite stehende
deutsche Hochfinanz kränkelt gar arg und hat mit hausgemachten
Sorgen zu kämpfen. Insofern ist vieles möglich. Der Leser
oder Zuschauer erfährt es als Letzter, oder aber aus erster
Hand mit Kommentar versehen, wie letztens bei Harald Schmidt geschehen.
Vollendete Tatsachen lassen sich halt besser verkraften und verarbeiten
sich leichter. Und wen interessiert es schon wirklich, wer in Zukunft
die Fäden der medialen deutschen Zukunft in den Händen
hält. Die Meldungen, wann wer was kauft, bekommt man überall,
aber das Hintergrundwissen oder besser gesagt das Warum muss man
sich noch selbst erarbeiten. "Immer kritische Medien"
gibt es nicht oder kaum. Vielleicht ist das ein oder andere Wochenmagazin
oder -zeitschrift da eine löbliche Ausnahme. Vielleicht sind
die zwei bis drei wöchentlichen "kritisch-investigativen"
Reportagen im Fernsehen ausreichend. Das bleibt jedem selbst überlassen.
Zum kritischen Studium für alle Wirtschaftsinteressierten sei
daher auf Engdahl verwiesen. Manche Dinge erkennt man sofort, manche
erschließen sich einem erst beim zweiten Hinsehen. Fast wie
bei den Medien......
Ciao,
Euer Campi
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