Moin,
die
Leitzinsen bewegen die Gemüter an den weltweiten Kapitalmärkten
seit eh und je. Egal ob Hausse, wie früher, oder Baisse, wie
derzeit. Mit Spannung wurden dann auch die Statements der amerikanischen
Notenbank Fed, bzw. deren Chef Alan Greenspan und von Wim Duisenberg,
seines Zeichens Präsident der Europäischen Zentralbank,
kurz EZB, erwartet. In den Vereinigten Staaten wurde im Vorfeld
eine Zinssenkung durch den Offenmarktausschuss der Fed erwartet.
Und auch im europäischen Raum spukte in vielen Politikerköpfen
das wirtschaftliche Allheilmittel einer Zinssenkung herum.
Als
Alan Greenspan dann eine Senkung der amerikanischen Leitzinsen um
50 Basispunkte auf nunmehr 1,25 Prozent verkündete, stiegen
die Erwartungen und der Druck auf die EZB, der Fed-Entscheidung
zu folgen. Doch Wim Duisenberg widerstand der Versuchung. Obwohl
sich viele namhafte Politiker, nicht nur aus Deutschland, im Vorfeld
zu Wort meldeten und einen Zinsschritt der EZB forderten, ließ
man den Leitzinssatz unverändert, bei 3,25 Prozent. Der öffentliche
Tenor darauf blieb zwiespältig. Mancherorts begrüßte
man den Schritt Duisenbergs, die Zinsen unangetastet zu lassen,
da man sonst "blind" der Vorgabe aus Amerika gefolgt wäre.
Zudem rechnet man gerade deswegen jetzt mit einer Zinssenkung von
25 Basispunkten im Dezember diesen Jahres. Mehrere Händler
und Banken gehen noch weiter und sagen darüber hinaus eine
weitere Senkung des europäischen Leitzinssatzes im Januar oder
Februar, abermals um 25 Basispunkte, voraus. Erhärtet wird
dieses Szenario durch die Veröffentlichung der Produktionszahlen
der deutschen Industrie. Der Kernwert sank im Vergleich zum Vormonat
abermals um 1,2 Prozent. Positive Meldungen sehen da anders aus.
Duisenberg
begründete seine Entscheidung, die Zinsen seit November 2001
auch weiterhin unverändert zu lassen, mit einem eh schon niedrigen
Zinsniveau im Euroraum. Außerdem bestehe trotz des hohen Wachstums
der Geldmenge M3 kein Inflationsrisiko. Hieran kann man erkennen,
dass die EZB eine andere geldpolitische Philosophie verfolgt, als
die Amerikaner. Duisenberg und auch Greenspan sind sich allerdings
über die weltweiten wirtschaftlichen Unsicherheiten einig.
Der EZB-Präsident zeigte sich dennoch überrascht über
die "Höhe der Zinssenkung" der Fed. Diese hat damit
im Jahr 2002 erstmals an der Zinsschraube gedreht. Im Jahr 2001
veränderte man elf Mal das Leitzinsniveau. Der EZB folgte die
Bank of England, die ebenfalls die Zinsen unverändert bei 4
Prozent beließ.
Die
Notenbank dies- und jenseits des Atlantiks haben mit ihren geldpolitischen
Beschlüssen durchaus für Trubel an den Aktien- und Finanzmärkten
gesorgt. In Amerika führten schlechte Konjunkturdaten, wie
etwa gesunkene Aufragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter
oder weiter sinkendes Verbrauchervertrauen zur Zinssenkung. Nun
rätseln die Devisenstrategen über den Einfluss der Zinssenkung
auf die Entwicklung der Devisenkurse. Die traditionelle Theorie
ökonomischer Lehrbücher besagt folgendes: Der relative
Preis einer Währung sinkt, wenn Anlagen in dieser Währung
durch eine Senkung des Zinses weniger attraktiv gemacht werden.
Damit stünden weitere Kursgewinne des Euro gegenüber dem
Dollar ins Haus. Das erreichen der Parität hatten wir ja bereits
schon.
Damit wäre gleichzeitig eine Forderung erfüllt, die in
Amerika in den letzten Wochen die Runde machte. Die Amerikaner wollten
für den Aufschwung ihrer Wirtschaft ihre Währung, den
US-Dollar, um 15 bis 20 Prozent abwerten. Gleichzeitig sollte die
EZB diesen Schritt mittragen und nicht ihrerseits versuchen, dies
zu verhindern. Das Echo aus dem europäischen Wirtschaftsgebiet
blieb allerdings sehr verhalten. Was verständlich ist. Obwohl
auch diese Medaille zwei Seiten hat. Zwar führt eine Abwertung
des US-Dollar im Vergleich zum Euro, zum Erstarken des Letzteren,
kurz gesagt, der Euro wird "härter". Allerdings verteuern
sich auch die Exporte aus dem EU-Raum. Und gerade diese waren es,
die nicht nur in Deutschland, seit jeher ein exportorientiertes
Land, die kränkelnde Wirtschaft gerade noch über Wasser
hielten. Wachstumsraten von 0,7 Prozent bis 0,5 Prozent im letzten
Quartal sagen da einiges. Mitte der achtziger Jahre gab es schon
einmal eine sogenannte "konzertierte" Aktion der Zentralbanken.
Damals war man sich allerdings einig über die Abwertung des
US-Dollars.
Technische
Devisenanalysten erwarten in der nächsten Zeit eine Stabilisierung
des Euro im Bereich von 0,98 bis 0,99 US-Dollar. Die EZB wird frühestens
dann die Zinsen senken, wenn die wirtschaftliche Lage im Euroraum
unverändert schlecht bleibt und das Wachstum der Geldmenge
M3 weitergeht. Der Referenzwert für dieses Wachstum liegt bei
4,5 Prozent. Zuletzt lag es jedoch bei satten 7 Prozent und damit
klar über dem Limit. Probleme könnte es dann geben, wenn
sich diese hohe vorhandene Liquidität nicht ohne Inflationsdruck
abbauen ließe. Im Gegensatz hierzu sind der amerikanischen
Notenbank, die voll auf die geldpolitischen Mittel zur Lösung
der Wirtschaftskrise zu setzen scheint, bei dem jetzt erreichtem
Zinsniveau langsam aber sicher die Hände gebunden. Wenn man
bedenkt, dass erste konjunkturelle Reaktionen frühestens in
6 bis 12 Monaten anstehen, bleibt zu hoffen, dass die hohe Verschuldung
der amerikanischen Haushalte und die Flaute am Wirtschaftsmarkt
nicht noch weitere geldpolitische Schritte zur Stabilisierung nötig
machen. Nach dem Zinsschritt der Fed von 50 Basispunkten sind jetzt
die Politiker der USA gefragt, in erster Linie natürlich die
Republikaner, die nach den letzten Kongresswahlen nunmehr in beiden
Kammern das Sagen haben. Sollte US-Präsident Bush sich dann
auch auf die innenpolitischen Probleme, wie etwa die am Boden liegende
Wirtschaft, konzentrieren, als international die Messer für
einen Krieg gegen den Irak zu wetzen, stünde Amerika besser
da. Die bereits angekündigten weiteren Steuersenkungen sollten,
wenn sie richtig durchgesetzt auch der Mittelschicht in Amerika
zu Gute kommen, den taumelnden Tanker US-Wirtschaft wieder auf Touren
und Fahrt bringen.
Das
hilft dann indirekt natürlich auch dem Euroraum im allgemeinen
und Deutschland im besonderen. Deutschland hat seinen Platz als
Lokomotive der europäischen Wirtschaft verloren. Leider sieht
es unter Rot-Grün derzeit auch nicht so aus, als ob es da Änderungen
positiver Art geben würde. Wie auch im letzten Jahr, als die
Zinssenkungsmanie der Amerikaner teilweise auch Duisenberg ansteckte,
wird man erst im kommenden Jahr die Früchte der jeweiligen
Zinspolitik ernten. Zur Stabilisierung der Wirtschaft und der Aktienmärkte
trugen beide Entscheidungen, sowohl die Senkung von Greenspan, als
auch das Unverändertlassen Duisenbergs nicht gerade bei. Nach
anfänglichem Kursplus an den Märkten ist wieder Tristesse
eingekehrt. Wie es sich für die Jahreszeit Herbst auch gehört.
Wie der Winter wird, erfahren wir nach den Zinsentscheidungen im
Dezember.
Ciao,
Euer Campi
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