Moin,
in
den letzten Tagen ist ein Krieg der Kopien entbrannt.
So titelte zumindest eine unabhängige deutsche Wochenzeitung
unlängst. Der Irak, der dem UN-Sicherheitsrat wie versprochen
seinen Bericht zur Rüstungsproduktion pünktlich am 7.
Dezember lieferte, gerät wieder einmal in die Schusslinie der
US-Regierung. Der bislang als gemäßigt in
dieser Hinsicht auftretende US-Außenminister Colin Powell
bezichtigte den Irak der Lüge und auch der Chef
der UN-Waffeninspekteure Blix schlug in diese Kerbe. Warum, wissen
sie wahrscheinlich beide nicht. Schließlich waren es bisher
gerade Powell und Blix, die den Kriegswahn der Administration Bush
zügelten und für eine Rückkehr der UN-Waffeninspekteure
eingetreten waren. 12.000 Seiten umfasst der irakische Bericht.
Er enthält u.a. Kapitel über die chemischen, biologischen
und atomaren Rüstungsprogramme des Irak. Die USA brachten das
Original in ihren Besitz und verstießen mit diesem Vorgehen
gegen die Entscheidung des UN-Sicherheitsrats vom 6. Dezember, wonach
zuerst die UN-Waffeninspekteure, die Profis also, den Bericht erhalten
sollten. Die Analyse des Berichts hätte, laut den Waffeninspekteuren,
rund sieben bis zehn Tage in Anspruch genommen. Erst dann wäre
der Bericht an den Sicherheitsrat gegangen, d.h. an die restlichen
vier Ständigen Ratsmitglieder des Gremiums und dann an die
Nichtständigen. Letztere sollten redigierte Berichte erhalten.
Die
Amerikaner, die es wahrscheinlich nicht für nötig hielten,
vorzugehen wie es vorab abgesprochen und festgelegt worden war,
lieferten zudem einen völlig anderen Bericht an die anderen
Ratsmitglieder. Von den anfangs 12.000 Seiten waren nur noch 3.000
übrig, nachdem die amerikanische Regierung, sprich Politiker,
den Bericht in ihren Händen hatten. Der Irak, konfrontiert
damit, dass der Bericht Lücken enthält, gab in einer offiziellen
Pressekonferenz eindeutig zu verstehen, dass sich den vollständigen
12.000-Seiten-Bericht nicht etwa Politiker anschauen sollten, sondern
er von kundigen Waffeninspekteuren der UN analysiert werden müsse.
Erst dann könne man Rückschlüsse ziehen und Beschuldigungen
erheben. Die zwei Nichtständigen Ratsmitglieder Norwegen und
Syrien protestierten gegen das amerikanische Vorgehen. Ohne Erfolg
versteht sich. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan bedauerte
den Vorfall. Allerdings hat er Hoffnung, dass dies ein Einzelfall
war und so etwas sich in Zukunft nicht wiederholen werde.
Man erkennt hier sehr deutlich welche Macht der höchste UN-Funktionär
noch hat. Keine. Zumindest wenn die amerikanische Regierung ihre
Finger mit im Spiel hat. Der Kolumbianer Alfonso Valdivieso, der
derzeitige Sicherheitsratsvorsitze, gab an, dass sein Land das amerikanische
Vorgehen unterstützt habe, da Washington ansonsten mit finanziellen
Konsequenzen für Kolumbien gedroht habe.
Sensitive
Informationen führten die Amerikaner als Begründung
für ihr Vorgehen an. Früher hieß so etwas bei den
Amerikanern immer, dass die nationalen Sicherheit der
Vereinigten Staaten bedroht wäre. Die natürlich brisanten
Informationen des Berichts, die zum Teil noch nie veröffentlicht
wurden, dürften u.a. die Verbindungen von amerikanischen und
ausländischen Firmen zur irakischen Rüstungsindustrie
aufzeigen. Laut dem Inhaltsverzeichnis des Berichts enthält
z.B. der Chemiewaffenabschnitt Kapitel über technische Hilfe
aus dem Ausland, Beziehungen zu Unternehmen und Personen, sowie
Art und Menge an importierten Material, Anlagen und Munition des
früheren Chemiewaffenprogramms. Diese Kapitel umfassen etwas
mehr als 100 Seiten. Wenn man bedenkt, dass etwa 9.000 Seiten von
amerikanischer Seite entfernt wurden, dürfte die
Brisanz des Berichtes auch dem letzten klar geworden sein. Die irakische
Regierung hat auch dem ehemaligen amerikanischen Waffeninspekteur
Scott Ritter eine komplette, also 12.000-seitige Kopie des Berichts
zukommen lassen. Ritter wurde durch sein Buch Krieg gegen
den Irak einer breiten Öffentlichkeit als republikanischer
Bush-Wähler und Kriegsgegner bekannt.
Die
geheimen Beweise der Amerikaner und ihrer derzeit uneingeschränkt
solidarisch Verbündeten Briten, gegen den Irak dürften
sich als Luftnummern herausstellen. Spätestens dann, wenn Blix,
der Sicherheitsrat oder die UNO die angeblichen Beweise auf dem
Tisch haben wollen, müssten die Anglo-Amerikaner Farbe bekennen.
Wenn sie so sehr an einem Krieg interessiert sind, bräuchten
sie nur diese Beweise zu veröffentlichen und Saddam Hussein
wäre als Lügner und Massenvernichtungswaffenhersteller,
-lieferer oder als Weiterverkäufer eben dieser entlarvt und
diskreditiert. Ein Kriegsgrund wäre für Bush und Blair
gefunden, zudem noch ein ausreichender. Eine internationale Allianz
stände hinter den beiden. Aber nein, sie halten die angeblichen
Beweise zurück. Logisches Denken scheint nicht die Stärke
von George und Tony zu sein.
Ciao,
Euer Campi
zurück
zum "Corner"
|