Campi´s Corner: Der "Krieg um die Kopien"
von Thomas Badtke

Moin,

in den letzten Tagen ist ein „Krieg der Kopien“ entbrannt. So titelte zumindest eine unabhängige deutsche Wochenzeitung unlängst. Der Irak, der dem UN-Sicherheitsrat wie versprochen seinen Bericht zur Rüstungsproduktion pünktlich am 7. Dezember lieferte, gerät wieder einmal in die Schusslinie der US-Regierung. Der bislang als „gemäßigt“ in dieser Hinsicht auftretende US-Außenminister Colin Powell bezichtigte den Irak der „Lüge“ und auch der Chef der UN-Waffeninspekteure Blix schlug in diese Kerbe. Warum, wissen sie wahrscheinlich beide nicht. Schließlich waren es bisher gerade Powell und Blix, die den Kriegswahn der Administration Bush zügelten und für eine Rückkehr der UN-Waffeninspekteure eingetreten waren. 12.000 Seiten umfasst der irakische Bericht. Er enthält u.a. Kapitel über die chemischen, biologischen und atomaren Rüstungsprogramme des Irak. Die USA brachten das Original in ihren Besitz und verstießen mit diesem Vorgehen gegen die Entscheidung des UN-Sicherheitsrats vom 6. Dezember, wonach zuerst die UN-Waffeninspekteure, die Profis also, den Bericht erhalten sollten. Die Analyse des Berichts hätte, laut den Waffeninspekteuren, rund sieben bis zehn Tage in Anspruch genommen. Erst dann wäre der Bericht an den Sicherheitsrat gegangen, d.h. an die restlichen vier Ständigen Ratsmitglieder des Gremiums und dann an die Nichtständigen. Letztere sollten redigierte Berichte erhalten.

Die Amerikaner, die es wahrscheinlich nicht für nötig hielten, vorzugehen wie es vorab abgesprochen und festgelegt worden war, lieferten zudem einen völlig anderen Bericht an die anderen Ratsmitglieder. Von den anfangs 12.000 Seiten waren nur noch 3.000 übrig, nachdem die amerikanische Regierung, sprich Politiker, den Bericht in ihren Händen hatten. Der Irak, konfrontiert damit, dass der Bericht Lücken enthält, gab in einer offiziellen Pressekonferenz eindeutig zu verstehen, dass sich den vollständigen 12.000-Seiten-Bericht nicht etwa Politiker anschauen sollten, sondern er von kundigen Waffeninspekteuren der UN analysiert werden müsse. Erst dann könne man Rückschlüsse ziehen und Beschuldigungen erheben. Die zwei Nichtständigen Ratsmitglieder Norwegen und Syrien protestierten gegen das amerikanische Vorgehen. Ohne Erfolg versteht sich. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan „bedauerte“ den Vorfall. Allerdings hat er Hoffnung, dass dies ein Einzelfall war und so etwas sich in Zukunft „nicht wiederholen“ werde. Man erkennt hier sehr deutlich welche Macht der höchste UN-Funktionär noch hat. Keine. Zumindest wenn die amerikanische Regierung ihre Finger mit im Spiel hat. Der Kolumbianer Alfonso Valdivieso, der derzeitige Sicherheitsratsvorsitze, gab an, dass sein Land das amerikanische Vorgehen unterstützt habe, da Washington ansonsten mit „finanziellen Konsequenzen“ für Kolumbien gedroht habe.

„Sensitive Informationen“ führten die Amerikaner als Begründung für ihr Vorgehen an. Früher hieß so etwas bei den Amerikanern immer, dass die „nationalen Sicherheit“ der Vereinigten Staaten bedroht wäre. Die natürlich brisanten Informationen des Berichts, die zum Teil noch nie veröffentlicht wurden, dürften u.a. die Verbindungen von amerikanischen und ausländischen Firmen zur irakischen Rüstungsindustrie aufzeigen. Laut dem Inhaltsverzeichnis des Berichts enthält z.B. der Chemiewaffenabschnitt Kapitel über technische Hilfe aus dem Ausland, Beziehungen zu Unternehmen und Personen, sowie Art und Menge an importierten Material, Anlagen und Munition des früheren Chemiewaffenprogramms. Diese Kapitel umfassen etwas mehr als 100 Seiten. Wenn man bedenkt, dass etwa 9.000 Seiten von amerikanischer Seite „entfernt“ wurden, dürfte die Brisanz des Berichtes auch dem letzten klar geworden sein. Die irakische Regierung hat auch dem ehemaligen amerikanischen Waffeninspekteur Scott Ritter eine komplette, also 12.000-seitige Kopie des Berichts zukommen lassen. Ritter wurde durch sein Buch „Krieg gegen den Irak“ einer breiten Öffentlichkeit als republikanischer Bush-Wähler und Kriegsgegner bekannt.

Die „geheimen Beweise“ der Amerikaner und ihrer derzeit uneingeschränkt solidarisch Verbündeten Briten, gegen den Irak dürften sich als Luftnummern herausstellen. Spätestens dann, wenn Blix, der Sicherheitsrat oder die UNO die angeblichen Beweise auf dem Tisch haben wollen, müssten die Anglo-Amerikaner Farbe bekennen. Wenn sie so sehr an einem Krieg interessiert sind, bräuchten sie nur diese Beweise zu veröffentlichen und Saddam Hussein wäre als Lügner und Massenvernichtungswaffenhersteller, -lieferer oder als Weiterverkäufer eben dieser entlarvt und diskreditiert. Ein Kriegsgrund wäre für Bush und Blair gefunden, zudem noch ein ausreichender. Eine internationale Allianz stände hinter den beiden. Aber nein, sie halten die angeblichen Beweise zurück. Logisches Denken scheint nicht die Stärke von George und Tony zu sein.

Ciao,
Euer Campi

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