Campi´s Corner: Neue Männer in der US-Regierung
von Thomas Badtke

Moin,

hier ist sie also, die letzte Kolumne des Jahres 2002. Welche Thematik sollte sie bestimmen? Worum sollte sie sich drehen? Wieder gespickt mit Zynismus oder gar Sarkasmus? Nein, dieses mal geht es nicht, wie die meisten vielleicht jetzt wieder befürchten um das Thema Bush und Irak. Aber das, worum sich im letzten Jahr vieles drehte, war „Wirtschaft“. Egal, ob im Kleinen zu Hause oder im Großen, bei den global operierenden, internationalen Großkonzernen. Egal, ob nun konjunkturelle Flaute, saisonale Arbeitslosenzahlerhöhungen, Pleitewellen, Bankrotterklärungen (auch von so manchem Politiker, egal welcher Couleur), rote bis tiefrote Quartalszahlen, anwachsende Schulden, Entlassungen oder Abfindungen. Um die Wirtschaft drehte sich vieles, wenn nicht sogar alles. Da passt die letzte Kolumne voll ins Bild. Aber lesen sie selbst:

Vor nicht allzu langer Zeit, genauer am 6. Dezember, ist der US-Finanzminister Paul O´Neill zurückgetreten. Sie kennen ihn als Ex-CEO des Aluminiumriesen und Industriegiganten Alcoa. Er wurde von US-Präsident Bush (ich kann es halt doch nicht lassen) quasi zurückgetreten. Nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit trat zudem der Wirtschaftsberater des Weißen Hauses Lawrence Lindsey am 9. Dezember zurück. Der Börsenaufsichtschef Harvey Pitt musste schon vor einigen Wochen seinen Stuhl räumen. Damit hat US-Präsident Bush fast seine gesamte Wirtschaftsspitze ausgewechselt. Im Falle Pitt war dies auch höchste Zeit. Die amerikanischen Firmen, lange Zeit das Vorbild auch vieler Unternehmen der „Deutschland AG“, bis es in den Jahren 2001 und 2002 zu einer riesigen und unvorstellbaren Pleitewelle in den Staaten kam. WorldCom und Enron sind die bekanntesten Firmen, die bankrott gingen. Bei WorldCom lag eine Bilanzsumme von mehr als 100 Mrd. US-Dollar vor, als man Gläubigerschutz beantragen musste. Bei Enron immerhin noch 63,4 Mrd. US-Dollar. Diese beiden einstigen Highflyer liegen unter den amerikanischen Firmenpleiten-Top-Ten auf den Plätzen eins und Zwei. Am 18. Dezember eroberte der sechstgrößte Versicherungskonzern der USA, Conseco, ohne Probleme den dritten Platz dieser Hitliste. Immerhin ist hier ein Unternehmen mit einer Bilanzsumme von 52 Mrd. US-Dollar pleite gegangen. In den Top-Ten befinden sich allein sieben Firmenpleiten aus den Jahren 2001 und 2002. Zu den bereits erwähnten Überfliegern kommen noch Global Crossing (6), United Airlines (7), Adelphia (8) und Pacific Gas & Electric (9) hinzu. Allein diese sieben erwähnten US-Unternehmen vernichteten eine Bilanzsumme von rund 325 Mrd. US-Dollar in den letzten beiden Jahren. Also wenn da der Chef der Börsenaufsichtsbehörde nicht gehen muss, wer dann? Vielleicht der im Jahr 2000 gewählte Präsident?

Der Nachfolger von Pitt heißt William Donaldson. Vielen Anlegern dürfte der Name Donaldson bekannt vorkommen und seine Herkunft könnte ihm bei seine neuen Job behilflich sein, möchte man meinen. Er verdiente seine Meriten an der Wall Street. Seit 1959 war er Teilhaber der Bank Donaldson, Lufkin & Jenrette. Vor zwei Jahren wurde sie an Credit Suisse First Boston verkauft. Von 1990 bis 1995 war Donaldson Chef der New Yorker Börse. Aktuell läuft gegen ihn ein Betrugsverfahren, weil er einstmals negative Börsendaten Anlegern vorenthalten hat. Bereits seit mehreren Jahrzehnten verfügt Donaldson über freundschaftliche Verbindungen zur Bush-Dynastie. Auch arbeitete er bereits als Unterstaatssekretär im Außenministerium eines Henry Kissinger. Kissinger wird als Friedensnobelpreisträger in der jüngeren Vergangenheit mit Völkermordanschuldigungen überhäuft, konnte sich bisher jedoch jeglicher Verantwortung entziehen. Ihm werden sowohl Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord (u.a. in Laos, Vietnam, Kambodscha, Zypern, Osttimor, Bengalen), als auch Beteiligung an Stürzen demokratisch gewählter Regierungen (z.B. der Regierung Allende in Chile) vorgeworfen. Donaldson dürfte also nach all dieser Banken-, Börsen- und Politikerfahrung keinerlei Probleme mit börsennotierten Großkonzernen haben.

Ein dagegen noch nahezu unbeflecktes Blatt ist Stephen Friedman. Er kommt aber auch aus dem Herzen der amerikanischen Wirtschaft, der Wall Street und war bisher als Spitzenbanker bei Goldman Sachs angestellt. Das neoliberale Eins-mal-Eins der Wirtschaft dürfte er dort wohl gelernt haben.

Den größten Wirbel erzeugte aber die Ernennung von John Snow zum neuen Finanzminister der Vereinigten Staaten. Der Dollar ging auf Tauchstation, was auch darin liegen dürfte, dass Snow noch kurz vor seinem Amtsantritt die Administration Bush dazu aufgefordert hatte, die Politik des starken US-Dollar wieder in die Schublade zu verfrachten. Mit Hilfe einer schwachen amerikanischen Leitwährung, sieht er ein Erstarken der US-Exporte. Mit Hilfe dessen das riesige Handelsbilanzdefizit heruntergedrückt werden könnte. Snow lässt dabei allerdings aus den Augen, dass die amerikanische Wirtschaft in erster Linie von ausländischem Kapital lebt. Jährlich fließen so mehrere zig Billionen Dollar in die Vereinigten Staaten. Welcher Investor ist aber bereit bei historisch niedrigen Zinsen, schrumpfenden Aktienmärkten, riesigen Firmenpleiten und einem fallenden Außenwert des US-Dollars sein Geld bzw. Vermögen noch in die amerikanische Finanzwirtschaft zu investieren?
Zu seiner Entschuldigung: die Zins- und Steuersenkungen des Duos Greenspan und Bush hat die Wirtschaft bisher auch nicht auf die Beine gebracht. Also darf es der nächste in der Reihe versuchen. Snow war bereits in der Regierung des ehemaligen US-Präsidenten Gerald Ford als Vize-Handelsminister tätig. Die politischen Gepflogenheiten dürften ihm also geläufig sein. Zur damaligen Zeit machte er auch Bekanntschaft mit dem Stabschef des Weißen Hauses. Er trug damals den Namen Dick Cheney. Snow setzte sich zur Zeit Präsident Fords, für die Deregulierung des amerikanischen Eisenbahnsystems, der Zivilluftfahrt und des Güterkraftverkehrs ein. Traurige Berühmtheit in diesem Sektor erreichte unlängst die bankrotte Fluglinie United Airlines (siehe weiter oben). Nach seinem politischen Ausflug war er seit 1977 für die Eisenbahngesellschaft CSX tätig, ab 1989 als deren Vorstandsvorsitzender. Durch die Deregulierung im Transportsektor, für die er zuvor vehement eingetreten war, gerieten viele Eisenbahngesellschaften in arge Bedrängnis. CSX nutzte dies zum billigen Einkaufen. Mittlerweile ist CSX die drittgrößte Bahngesellschaft der Vereinigten Staaten, muss sich jedoch mit einem schlechten Ruf bezüglich des technischen Zustandes ihrer Anlagen und des Netzes herumschlagen.
Zu Snows bisherigen politischen und wirtschaftlichen, neoliberalen Erfahrungen kommt noch positiv die Tatsache hinzu, dass er die weiteren von Präsident Bush angekündigten Steuersenkungen ebenfalls begrüßt. Sein Vorgänger als Finanzminister O´Neill tat dies nicht.

Auch in der amerikanischen Politik und Wirtschaft zeichnen sich also Veränderungen für das kommende Jahr ab. Der alles bestimmende Faktor hierbei dürfte der Wahlkampf für die 2004 anstehenden US-Präsidentschaftswahlen sein. Bleiben wir also gespannt und harren der Dinge, die da kommen mögen.

Ich wünsche hiermit allen Investorweb-Lesern, -usern und -freunden einen gesegneten und feuchtfröhlichen Rutsch in das Neue Jahr!!!

Ciao,
Euer Campi

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