Moin,
hier
ist sie also, die letzte Kolumne des Jahres 2002. Welche Thematik
sollte sie bestimmen? Worum sollte sie sich drehen? Wieder gespickt
mit Zynismus oder gar Sarkasmus? Nein, dieses mal geht es nicht,
wie die meisten vielleicht jetzt wieder befürchten um das Thema
Bush und Irak. Aber das, worum sich im letzten Jahr vieles drehte,
war Wirtschaft. Egal, ob im Kleinen zu Hause oder im
Großen, bei den global operierenden, internationalen Großkonzernen.
Egal, ob nun konjunkturelle Flaute, saisonale Arbeitslosenzahlerhöhungen,
Pleitewellen, Bankrotterklärungen (auch von so manchem Politiker,
egal welcher Couleur), rote bis tiefrote Quartalszahlen, anwachsende
Schulden, Entlassungen oder Abfindungen. Um die Wirtschaft drehte
sich vieles, wenn nicht sogar alles. Da passt die letzte Kolumne
voll ins Bild. Aber lesen sie selbst:
Vor
nicht allzu langer Zeit, genauer am 6. Dezember, ist der US-Finanzminister
Paul O´Neill zurückgetreten. Sie kennen ihn als Ex-CEO
des Aluminiumriesen und Industriegiganten Alcoa. Er wurde von US-Präsident
Bush (ich kann es halt doch nicht lassen) quasi zurückgetreten.
Nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit trat zudem der Wirtschaftsberater
des Weißen Hauses Lawrence Lindsey am 9. Dezember zurück.
Der Börsenaufsichtschef Harvey Pitt musste schon vor einigen
Wochen seinen Stuhl räumen. Damit hat US-Präsident Bush
fast seine gesamte Wirtschaftsspitze ausgewechselt. Im Falle Pitt
war dies auch höchste Zeit. Die amerikanischen Firmen, lange
Zeit das Vorbild auch vieler Unternehmen der Deutschland AG,
bis es in den Jahren 2001 und 2002 zu einer riesigen und unvorstellbaren
Pleitewelle in den Staaten kam. WorldCom und Enron sind die bekanntesten
Firmen, die bankrott gingen. Bei WorldCom lag eine Bilanzsumme von
mehr als 100 Mrd. US-Dollar vor, als man Gläubigerschutz beantragen
musste. Bei Enron immerhin noch 63,4 Mrd. US-Dollar. Diese beiden
einstigen Highflyer liegen unter den amerikanischen Firmenpleiten-Top-Ten
auf den Plätzen eins und Zwei. Am 18. Dezember eroberte der
sechstgrößte Versicherungskonzern der USA, Conseco, ohne
Probleme den dritten Platz dieser Hitliste. Immerhin ist hier ein
Unternehmen mit einer Bilanzsumme von 52 Mrd. US-Dollar pleite gegangen.
In den Top-Ten befinden sich allein sieben Firmenpleiten aus den
Jahren 2001 und 2002. Zu den bereits erwähnten Überfliegern
kommen noch Global Crossing (6), United Airlines (7), Adelphia (8)
und Pacific Gas & Electric (9) hinzu. Allein diese sieben erwähnten
US-Unternehmen vernichteten eine Bilanzsumme von rund 325 Mrd. US-Dollar
in den letzten beiden Jahren. Also wenn da der Chef der Börsenaufsichtsbehörde
nicht gehen muss, wer dann? Vielleicht der im Jahr 2000 gewählte
Präsident?
Der
Nachfolger von Pitt heißt William Donaldson. Vielen
Anlegern dürfte der Name Donaldson bekannt vorkommen und seine
Herkunft könnte ihm bei seine neuen Job behilflich sein, möchte
man meinen. Er verdiente seine Meriten an der Wall Street. Seit
1959 war er Teilhaber der Bank Donaldson, Lufkin & Jenrette.
Vor zwei Jahren wurde sie an Credit Suisse First Boston verkauft.
Von 1990 bis 1995 war Donaldson Chef der New Yorker Börse.
Aktuell läuft gegen ihn ein Betrugsverfahren, weil er einstmals
negative Börsendaten Anlegern vorenthalten hat. Bereits seit
mehreren Jahrzehnten verfügt Donaldson über freundschaftliche
Verbindungen zur Bush-Dynastie. Auch arbeitete er bereits als Unterstaatssekretär
im Außenministerium eines Henry Kissinger. Kissinger wird
als Friedensnobelpreisträger in der jüngeren Vergangenheit
mit Völkermordanschuldigungen überhäuft, konnte sich
bisher jedoch jeglicher Verantwortung entziehen. Ihm werden sowohl
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord (u.a. in
Laos, Vietnam, Kambodscha, Zypern, Osttimor, Bengalen), als auch
Beteiligung an Stürzen demokratisch gewählter Regierungen
(z.B. der Regierung Allende in Chile) vorgeworfen. Donaldson dürfte
also nach all dieser Banken-, Börsen- und Politikerfahrung
keinerlei Probleme mit börsennotierten Großkonzernen
haben.
Ein
dagegen noch nahezu unbeflecktes Blatt ist Stephen Friedman.
Er kommt aber auch aus dem Herzen der amerikanischen Wirtschaft,
der Wall Street und war bisher als Spitzenbanker bei Goldman Sachs
angestellt. Das neoliberale Eins-mal-Eins der Wirtschaft dürfte
er dort wohl gelernt haben.
Den
größten Wirbel erzeugte aber die Ernennung von John
Snow zum neuen Finanzminister der Vereinigten Staaten. Der Dollar
ging auf Tauchstation, was auch darin liegen dürfte, dass Snow
noch kurz vor seinem Amtsantritt die Administration Bush dazu aufgefordert
hatte, die Politik des starken US-Dollar wieder in die Schublade
zu verfrachten. Mit Hilfe einer schwachen amerikanischen Leitwährung,
sieht er ein Erstarken der US-Exporte. Mit Hilfe dessen das riesige
Handelsbilanzdefizit heruntergedrückt werden könnte. Snow
lässt dabei allerdings aus den Augen, dass die amerikanische
Wirtschaft in erster Linie von ausländischem Kapital lebt.
Jährlich fließen so mehrere zig Billionen Dollar in die
Vereinigten Staaten. Welcher Investor ist aber bereit bei historisch
niedrigen Zinsen, schrumpfenden Aktienmärkten, riesigen Firmenpleiten
und einem fallenden Außenwert des US-Dollars sein Geld bzw.
Vermögen noch in die amerikanische Finanzwirtschaft zu investieren?
Zu
seiner Entschuldigung: die Zins- und Steuersenkungen des Duos Greenspan
und Bush hat die Wirtschaft bisher auch nicht auf die Beine gebracht.
Also darf es der nächste in der Reihe versuchen. Snow war bereits
in der Regierung des ehemaligen US-Präsidenten Gerald Ford
als Vize-Handelsminister tätig. Die politischen Gepflogenheiten
dürften ihm also geläufig sein. Zur damaligen Zeit machte
er auch Bekanntschaft mit dem Stabschef des Weißen Hauses.
Er trug damals den Namen Dick Cheney. Snow setzte sich zur Zeit
Präsident Fords, für die Deregulierung des amerikanischen
Eisenbahnsystems, der Zivilluftfahrt und des Güterkraftverkehrs
ein. Traurige Berühmtheit in diesem Sektor erreichte unlängst
die bankrotte Fluglinie United Airlines (siehe weiter oben). Nach
seinem politischen Ausflug war er seit 1977 für die Eisenbahngesellschaft
CSX tätig, ab 1989 als deren Vorstandsvorsitzender. Durch die
Deregulierung im Transportsektor, für die er zuvor vehement
eingetreten war, gerieten viele Eisenbahngesellschaften in arge
Bedrängnis. CSX nutzte dies zum billigen Einkaufen. Mittlerweile
ist CSX die drittgrößte Bahngesellschaft der Vereinigten
Staaten, muss sich jedoch mit einem schlechten Ruf bezüglich
des technischen Zustandes ihrer Anlagen und des Netzes herumschlagen.
Zu
Snows bisherigen politischen und wirtschaftlichen, neoliberalen
Erfahrungen kommt noch positiv die Tatsache hinzu, dass er die weiteren
von Präsident Bush angekündigten Steuersenkungen ebenfalls
begrüßt. Sein Vorgänger als Finanzminister O´Neill
tat dies nicht.
Auch
in der amerikanischen Politik und Wirtschaft zeichnen sich also
Veränderungen für das kommende Jahr ab. Der alles bestimmende
Faktor hierbei dürfte der Wahlkampf für die 2004 anstehenden
US-Präsidentschaftswahlen sein. Bleiben wir also gespannt und
harren der Dinge, die da kommen mögen.
Ich
wünsche hiermit allen Investorweb-Lesern, -usern und -freunden
einen gesegneten und feuchtfröhlichen Rutsch in das Neue Jahr!!!
Ciao,
Euer Campi
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