Campis Corner: Fünf vor Zwölf
von Thomas Badtke

Moin,

es ist fünf vor zwölf. Das Ultimatum, das die Anglo-Amerikaner mit Hilfe der UN an den Irak gestellt haben, läuft ab. Fieberhaft wird weltweit abgewogen. Hat der Irak die UN-Resolution 1441 zur vollsten Zufriedenheit, vor allem der amerikanischen Neokolonialisten, erfüllt oder findet man doch noch eine Kleinigkeit, die für einen UN-abgesicherten Krieg gegen den Irak spräche? Wir werden es sehen. Wir sitzen live dabei, sozusagen in der ersten Reihe. Das Vorgeplänkel hat bereits begonnen. Die Pflicht wurde absolviert, jetzt folgt die Kür. Die Gemüter kochen hoch. Noch einmal bestärken die Protagonisten der Deutschen Bundesregierung ihr klares „Nein“ zu einem Krieg. Sowohl der Bundeskanzler, als auch der Außenminister stehen in dieser Frage eng zusammen. Und das Volk steht hinter ihnen. Umfragen belegen dies. Im ZDFtext stimmen 77 Prozent gegen einen Krieg, sogar 59 Prozent sprechen sich bei einem UN-Mandat gegen den Krieg aus. Sage und schreibe 75 Prozent der Bevölkerung aus den neuen Bundesländern sind gegen einen Krieg gegen den Irak.

So weit, so gut. Der Kanzler müsste also hochzufrieden sein. Ebenso wie seine Wähler. Denkste. Bei den anstehenden Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen weist die SPD laut Umfragen der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen desaströse Werte auf. Sowohl in Hessen (von 39,4 Prozent auf 32 Prozent) als auch in Niedersachsen (von 47,9 Prozent auf 37 Prozent) büßte die SPD enorm ein. Hessens amtierender Ministerpräsident und nach Möllemanns Abgang Deutschlands Vorzeigepopulist Koch kann sogar von einer Alleinregierung träumen. Und sein SPD-Pendant, wenn es darum geht einen zukünftigen Bundeskanzlerkandidat zu stellen, Sigmar Gabriel, wird gegen einen 0815-Weichspüler-Politiker verlieren, mit Namen Wulff. Wie passt das zusammen? Die Bundestagswahl hatte Gerd doch im Endeffekt nur gewonnen, weil er ein klares „Nein“ zum Irak-Krieg hatte verlautbaren lassen. Und daran hält er heute noch fest. Egal wie hart die Schelte auch ist, die er dafür von allen Seiten einstecken muss. Die deutsch-amerikanische Freundschaft sei daran sogar zerbrochen. Unwiederbringlich, meinen CDU/CSU-Altvordere. Bis zur nächsten Wahl. Aber die Frage muss gestellt werden: Ist es nicht besser, gegen einen Krieg zu stimmen, in dem es nur um Öl und Neokolonialismus geht? Das meint zumindest ein Großteil der deutschen Bevölkerung. Und nicht nur hier im Lande stehen die Zeichen auf Sturm, wenn es um ein „pro-war“ geht. Auch in der Heimstatt des Ölclans Bush sieht man es mittlerweile genauso. Na gut, ähnlich. Aber auch dort ist die politische Situation verschroben. Während der amerikanische Präsident George W. Bush über eine positive Popularität und Zustimmungswerte weit über 50 Prozent verfügt, er sogar quasi eine republikanische Alleinregierung sein Eigen nennen kann und seine „Partei“ den Ring der letzten Senatswahlen als einstimmiger Sieger nach Punkten verlassen hat, ist das Bild in Deutschland umgekehrt. Negative Stimmung allenthalben.

Also, was nun? Der UN-Sicherheitsrat und der Chefwaffeninspekteur Blix werden bald die Ergebnisse ihrer ersten Durchsuchung des Irak veröffentlichen. Aber schon im Vorfeld war zu vernehmen, dass man mit dem Irak und seinem Führer nicht einverstanden sei. Er habe nicht so gearbeitet, wie man das erwartet habe. Im Klartext: Hussein hat die Karten über seine angeblichen Massenvernichtungswaffen nicht vollständig auf den anglo-amerikanischen Tisch gelegt. Der Irakkrieg ist also beschlossene Sache. Es geht nunmehr nur noch um das wann und Wie. Das Warum ist zwar nicht geklärt, aber die Bevölkerung in der westlichen Welt wurde in den letzten Wochen und Monaten medientechnisch bombardiert und auf Linie gebracht. Es wurde einmal groß demonstriert, in vielen Städten der Welt. Mehr hat man zumindest nicht im Fernsehen gesehen.

Was mag danach kommen? Nach dem Irak-Krieg?! Auf der Achse-des-Bösen befinden sich dann ja noch Iran und Nordkorea. Letztere verfügen über Atomwaffen, wenn auch nur über zwei Stück. Allerhöchstens. Und eben den „lieben Führer“ Kim Yong-Il. Der Iran nennt dafür Erdöl, Erdgas und weitere Bodenschätze sein Eigen. Das macht die Sache für George W. Bush natürlich um vieles einfacher. Wären da nicht die US-Präsidentschaftswahlen 2004. Aber statt dem Iran könnte man ja auch mal zur Abwechslung einen Wirtschaftskrieg führen. Am besten gegen die Abtrünnigen Franzosen und Deutschen, gegen das „alte Europa“, wie der amerikanische Philosoph, Schöngeist und Verteidigungsminister Rumsfeld, erst kürzlich ausführte. Bei der WTO hat man ja bereits eine Klage gegen die EU eingereicht. Weil die einfach so mir nichts, dir nichts, die genmanipulierten Lebensmittel, neudeutsch „Gentech-Food“, der amerikanischen Agrarwirtschaft nicht einführen lassen wollen. Nein, die wollen doch tatsächlich schärfere Bestimmungen zur Kennzeichnung der Produkte haben. Ja ist das denn zu glauben? Was erlaube sich Struuunz...oder so ähnlich. An das Stahl-Tohuwabohu des letzten Jahres können sich die meisten sicher auch noch erinnern.

Zum Glück haben wir ja die Amerikaner. Meinen sie zumindest. Die halten sich ja strikt an Verträge. Siehe Kyoto, ABM-Vertrag, Weltgerichtshof etc. pp. Jüngst konnte man sogar lesen, dass wir doch eigentlich dankbar sein sollten, weil die Amerikaner das deutsche Volk vom Nazi-Terror befreit hat. Da müsse man doch ein wenig Dankbarkeit verlangen dürfen. Wahrscheinlich sollen wir uns von den Briten eine Scheibe abschneiden, die zu allem Ja und Amen sagen. Aber auch da weicht die Bevölkerungsmeinung von der herrschenden Meinung des Herrn Blair ab. Zwei Drittel der britischen Bevölkerung sind gegen einen Krieg gegen den Irak. Andererseits waren mehrere Tausend Schaulustige im Hafen zu Portsmouth, als das größte britische Kriegsschiff gen Persischen Golf aufgebrochen ist. Macht das Inselleben etwa schizophren? Oder sind wir Deutschen einfach nur undankbar, weil wir zur Abwechslung mal sagen, was uns stinkt? Auch wenn es nur aus parteipolitischem Kalkül zu kommen scheint, das „Nein“ der Bundesregierung zu einem Irak-Krieg.

Harren wir also erst einmal weiter der Dinge, die da kommen mögen. Und zwar schon bald. Sie wissen ja, es ist fünf vor Zwölf. Der Sicherheitsrat muss eine Lösung finden, sonst klirren die Säbel der irakischen Armee gegen amerikanischen Panzerstahl, überspitzt ausgedrückt. Es könnten auch irakische Elitesoldaten mit Chemiewaffen sein, die gegen die Amerikaner kämpfen werden. Das meint zumindest die im Ausland auf ihre Gunst der Stunde wartende irakische Opposition. Angeblich hat sie von hochrangigen Militärs der Irakis diese Informationen gesteckt bekommen und sie brav an die britische BBC weitergeleitet. Vor dem 5. Februar wird wohl nichts passieren. An diesem Tag wird der UN-Chefinspekteur Blix nach Berlin kommen um mit Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer Gespräche über „mögliche weitere Entwicklungen in der Irak-Frage“ zu führen. Bis dahin muss die Bundeswehr nur die 95 Kasernen und Einrichtungen der Amerikaner in Deutschland bewachen. Vorgesehen dafür sind immerhin 2600 Soldaten. Streifengänge und Einlasskontrollen stehen ganz oben auf der Arbeitsliste. Man könnte das natürlich noch ausbauen. Mit mehr als vier Millionen Arbeitlosen könnten wir entweder einen riesigen Wachschutz aufbauen, unsere „Patriot-Abwehrraketen“ haben wir ja auch schon „verborgt“, oder wir bauen gleich eine riesige Armee auf und mischen selber mit im weltpolitischen Schachspiel um das Öl. Früher als „Great Game“ bekannt. Das hätte mehrere positive Aspekte. Es gäbe keine Arbeitslosigkeit, Kanzler Schröder und seine Landesfürsten könnten Alleinregierungen notfalls mit Waffengewalt durchdrücken und die Welt fürchtet uns wieder. So wie heute die Amerikaner. Und statt des Unwort des Jahres „Ich-AG“ wäre es dann „Anti-Deutschlandismus“. Wäre das was? Aber entscheiden sie sich schnell. Es ist wie gesagt: fünf vor zwölf.

Ciao,
Euer Campi

zurück zum "Corner"