Moin,
während
sich draußen die Welt endlich winterlich weiß färbt
und die Medien entdecken, dass es nicht nur die amerikanische Pro-Kriegshaltung
zum Thema Irak zu geben scheint und nun auch Journalisten und Politiker
zu Wort kommen, die den Irak nicht nur von Atlanten oder Karten
oder gar nur vom Hören-Sagen her kennen (gemeint sind Ulrich
Kienzle, Jürgen Todenhöfer und der deutsche Nahost-Experte
schlechthin, Peter Scholl-Latour), tritt ein ganz anderes Problem
zu Tage, nämlich die wirtschaftliche Krise. Sie scheint sich
Woche für Woche weiter auszubreiten. Schon melden sich erste
US-Wirtschaftsexperten und verkünden ihre frohe Botschaft von
baldigen Arbeitslosenquoten im zweistelligen Bereich. Gut, Deutschland
ist hier zur Abwechslung mal Vorreiter, aber was will man machen,
wenn zwei Wahlkämpfe zu führen waren und ein Krieg vor
der Tür steht?
Die
Gefahr geht aber nicht von Deutschland aus, sondern von Amerika.
(Mal etwas Neues, oder?) Die Spekulationsblase der Endneunziger,
die viele, mich eingeschlossen, zu spät oder gar nicht haben
kommen sehen, steht vorm Platzen (gääähn). Die Amerikaner
finanzieren ihr Wachstum, das sich immerhin noch zwischen zwei und
drei Prozent bewegen soll, mit Schulden. Die amerikanischen Haushalte
verschulden sich, um zu konsumieren. Das ist auch kein neues Phänomen,
denn bereits Ende der 80er und auch vor der Weltwirtschaftskrise
in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts lief derselbe schlechte
Film ab. Wie in einem B-Hollywood-Streifen mit miserablen Schauspielern.
Aber anstatt aus den Fehlern zu lernen, wird die Geschichte wiederholt.
Mittlerweile liegt die Verschuldung der Privathaushalte bei 8 Billionen
US-Dollar. Im Endeffekt bedeutet dies, dass jeder durchschnittliche
US-Haushalt mehr Schulden hat, als Jahreseinkommen. Insolvenz, ick
hör dir trapsen......
Gleichzeitig öffnet sich die Schere zwischen dem, was Amerikaner
im Jahr mehr verdienen und dem, was sie zusätzlich zu den alten
Krediten neu hinzuleihen, immer weiter. Während die Sparquote
der Amerikaner 1980 noch bei etwas mehr als 10 Prozent lag, sank
sie sukzessive bis 2001 auf 2,5 Prozent ab. Bis November 2002 erholte
sie sich etwas und liegt nun bei 3,9 Prozent. Gleichzeitig stiegen
die Gesamtkonsumausgaben in den Vereinigten Staaten von 1.763 Mrd.
US-Dollar im Jahre 1980 auf 7.287 Mrd. US-Dollar 2002. Während
in Deutschland derzeit die Spar- und Rabattwelle losgetreten wird,
scheint es in Amerika der Schuldenberg zu sein, der ins Rutschen
kommt. Schon heute wendet jeder Amerikaner im Schnitt 13 Prozent
seines Einkommens zur Zinstilgung und Schuldenrückzahlung auf.
Im nächsten Jahr rechnen Goldman Sachs-Experten bereits mit
18 Prozent. Insgesamt mussten sich im vergangenen Jahr 1,5 Millionen
Amerikaner für zahlungsunfähig, sprich bankrott, pleite,
insolvent erklären lassen.
Das
Leben ist in Amerika ja auch nicht einfach. Da braucht man Geld
für Sicherheit (hier in Deutschland übernehmen das ja
die Raucher - übrigens danke dafür und den Lungenkrebs),
also Waffen und für große, unsichere, benzinschluckende
Geländewagenungetüme, könnte man überspitzt
meinen. Nicht zu vergessen die Unmengen an Kosten für das Lieblingshobby
vieler Amerikaner, den Patriotismus. Während der Durchschnittsamerikaner
also einkauft, als stünde Saddam Hussein bereits persönlich
vor den Stadttoren New Yorks, bekommt er in seiner Panik noch Hilfe
von Seiten der Banken und Kreditinstitute. Unlängst veröffentlichte
das nach Aktienwert größte Finanzinstitut der Welt, die
Citigroup (nach der Bilanzsumme ist es die japanische Mizuho-Holding,
aber das nur eben am Rande), sein Ergebnis für das vierte Quartal
des Geschäftsjahres 2002. Der Nettogewinn fiel um 37 Prozent
auf nunmehr nur noch lächerliche 2,4 Mrd. US-Dollar. Aber im
für nahezu alle anderen Unternehmen eher miserablen Geschäftsjahr
2002 erwirtschaftete der Konzern mit dem Markenzeichen des Regenschirmes
einen Rekordgewinn von 15,3 Mrd. US-Dollar. Die Bilanzsumme betrug
etwas mehr als 1 .000 Mrd. US-Dollar. Der derzeitige Börsenwert
liegt bei ca. 185 Mrd. US-Dollar. Gegen diese schiere Größe
sieht das deutsche Vorzeigeinstitut Deutsche Bank eher wie ein Hütchenspieler
aus.
Das
Quartals-Ergebnis des amerikanischen Finanzriesen allerdings stützt
sich zum Großteil auf das Privatkundengeschäft. In diesem
Bereich wuchs der Gewinn um 26 Prozent auf 3,1 Mrd. US-Dollar. Nicht
zuletzt dank des Kreditgeschäfts. Jeder amerikanische Haushalt
nennt im Schnitt 12 Kreditkarten sein eigen. Dies scheint jedoch
zuwenig zu sein, meinen manche Banken und pumpen eben jedes Jahr
nochmals 3,8 Mrd. US-Dollar in Werbung und Anzeigen, um noch mehr
Karten an den Mann, respektive die Frau zu bekommen. Normal sind
es ja auch letztere, die das sauer erarbeitete Geld der Männer
wieder unter die Leute bringen. Sagt man...... Entschuldigen sie
die Frage, aber könnte es nicht sein, dass die Kreditkartenhersteller,
-vertreiber, die Banken und Portemonnaie-Hersteller ein stilles
Kartell am Laufen haben?
Im
Gegensatz zu Deutschland, wo die Kreditkartenschulden automatisch
jeden Monat vom Konto angebucht werden, können sich die meisten
Amerikaner den grö0ten Teil nach nur 30 Tagen stunden lassen.
Natürlich zu einem angemessenen Zins, der da schon einmal bei
15 bis 24 Prozent liegen kann. Es lebe der Wucher. Was viele nicht
beachten, aus einer relativ geringen Schuldensumme können anhand
dieser Möglichkeiten recht schnell, vor allem für die
Banken, erquickliche grüne Zahlensummen entstehen.
Man braucht nur die eine Karte zu nehmen, um die Raten der anderen
Karte(n) abzubezahlen, bis irgendwann alle Karten ihr Limit erreicht
haben. Zu den Schulden kommen die normalen Zinsen, die Überziehungszinsen,
die Verspätungszinsen, die Mahngebühren und letzten Endes
die Inkassozinsen hinzu. Jetzt könnte man ja einmal das Zinseszins-System
in Frage stellen oder, klein angefangen, mal fragen, warum die Amerikaner
dieses System nicht durchschauen? Kaufen sie heute, zahlen sie in
Raten, in einem halben Jahr oder besser noch, wenn sie mal wieder
Geld oder eine neue Kreditkarte ihr eigen nennen. Es lebe der Konsum
auf Pump!
Möge
der Kaufrausch nie enden. Die Folgen wären fatal. Während
man beim Irakkonflikt noch vermittelnd eingreifen kann, wird man
beim Platzen dieser amerikanischen Schuldenblase unweigerlich zum
Zuschauer degradiert und mit in den Abwärtssog gezogen, auch
als unbeteiligt dreinschauender Europäer oder Deutscher. Bisher
halten sich die warnenden Stimmen in der Öffentlichkeit zurück
bzw. werden zurückgehalten. Panik ist das letzte, was man jetzt
gebrauchen kann. Bricht der Konsum nämlich ein, setzt sich
eine Abwärtsspirale in Gang, die das ganze Weltwirtschaftssystem
unter sich begraben könnte. Das das IWF-System krankt, brauche
ich wohl niemanden zu erzählen, solange afrikanische Staaten
wie Sambia für 200 Mio. US-Dollar Nahrungsmittelhilfe 6 Mrd.
US-Dollar Schulden tilgen müssen. Aber das ist wieder eine
andere Sache, die die Schuldensituation der amerikanischen Haushalte
nur periphär tangiert. Auch kann man noch schmunzeln über
die Geldstörung des amerikanischen Volkes. Die
Großmeister der Globalisierungswirtschaft und die Erfindungskünstler
neuer Geldeinsatzmöglichkeiten sind süchtig und verfallen
dem Schuldenmachen, einer ernsten Volkskrankheit, ähnlich dem
mehrfachen Waffenbesitz oder der Klage-und-Verklage-Freudigkeit
Falls
sie immer noch der Meinung sind, dass der Irakkonflikt unser größtes
Problem derzeit ist, hoffe ich ihnen mit diesem Text einen zweiten
Ansatz zum Nachdenken geliefert zu haben. Und denken sie das nächste
Mal daran, wenn sie hinter jemanden an einer Kasse im Supermarkt
stehen, dessen Kreditkarte gerade zerschnitten wird: Lachen sie
nicht zu laut, es könnte auch ihre Karte. Zeigen sie stattdessen
uneingeschränkte Solidarität. Als alter
Europäer steht man doch über solchen Dingen wie
Schadenfreude, oder?
Ciao,
Euer Campi
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