Campis Corner: Amerika im Konsumrausch
von Thomas Badtke

Moin,

während sich draußen die Welt endlich winterlich weiß färbt und die Medien entdecken, dass es nicht nur die amerikanische Pro-Kriegshaltung zum Thema Irak zu geben scheint und nun auch Journalisten und Politiker zu Wort kommen, die den Irak nicht nur von Atlanten oder Karten oder gar nur vom Hören-Sagen her kennen (gemeint sind Ulrich Kienzle, Jürgen Todenhöfer und der deutsche Nahost-Experte schlechthin, Peter Scholl-Latour), tritt ein ganz anderes Problem zu Tage, nämlich die wirtschaftliche Krise. Sie scheint sich Woche für Woche weiter auszubreiten. Schon melden sich erste US-Wirtschaftsexperten und verkünden ihre frohe Botschaft von baldigen Arbeitslosenquoten im zweistelligen Bereich. Gut, Deutschland ist hier zur Abwechslung mal Vorreiter, aber was will man machen, wenn zwei Wahlkämpfe zu führen waren und ein Krieg vor der Tür steht?

Die Gefahr geht aber nicht von Deutschland aus, sondern von Amerika. (Mal etwas Neues, oder?) Die Spekulationsblase der Endneunziger, die viele, mich eingeschlossen, zu spät oder gar nicht haben kommen sehen, steht vorm Platzen (gääähn). Die Amerikaner finanzieren ihr Wachstum, das sich immerhin noch zwischen zwei und drei Prozent bewegen soll, mit Schulden. Die amerikanischen Haushalte verschulden sich, um zu konsumieren. Das ist auch kein neues Phänomen, denn bereits Ende der 80er und auch vor der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts lief derselbe schlechte Film ab. Wie in einem B-Hollywood-Streifen mit miserablen Schauspielern. Aber anstatt aus den Fehlern zu lernen, wird die Geschichte wiederholt. Mittlerweile liegt die Verschuldung der Privathaushalte bei 8 Billionen US-Dollar. Im Endeffekt bedeutet dies, dass jeder durchschnittliche US-Haushalt mehr Schulden hat, als Jahreseinkommen. Insolvenz, ick hör dir trapsen......
Gleichzeitig öffnet sich die Schere zwischen dem, was Amerikaner im Jahr mehr verdienen und dem, was sie zusätzlich zu den alten Krediten neu hinzuleihen, immer weiter. Während die Sparquote der Amerikaner 1980 noch bei etwas mehr als 10 Prozent lag, sank sie sukzessive bis 2001 auf 2,5 Prozent ab. Bis November 2002 erholte sie sich etwas und liegt nun bei 3,9 Prozent. Gleichzeitig stiegen die Gesamtkonsumausgaben in den Vereinigten Staaten von 1.763 Mrd. US-Dollar im Jahre 1980 auf 7.287 Mrd. US-Dollar 2002. Während in Deutschland derzeit die Spar- und Rabattwelle losgetreten wird, scheint es in Amerika der Schuldenberg zu sein, der ins Rutschen kommt. Schon heute wendet jeder Amerikaner im Schnitt 13 Prozent seines Einkommens zur Zinstilgung und Schuldenrückzahlung auf. Im nächsten Jahr rechnen Goldman Sachs-Experten bereits mit 18 Prozent. Insgesamt mussten sich im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Amerikaner für zahlungsunfähig, sprich bankrott, pleite, insolvent erklären lassen.

Das Leben ist in Amerika ja auch nicht einfach. Da braucht man Geld für Sicherheit (hier in Deutschland übernehmen das ja die Raucher - übrigens danke dafür und den Lungenkrebs), also Waffen und für große, unsichere, benzinschluckende Geländewagenungetüme, könnte man überspitzt meinen. Nicht zu vergessen die Unmengen an Kosten für das Lieblingshobby vieler Amerikaner, den Patriotismus. Während der Durchschnittsamerikaner also einkauft, als stünde Saddam Hussein bereits persönlich vor den Stadttoren New Yorks, bekommt er in seiner Panik noch Hilfe von Seiten der Banken und Kreditinstitute. Unlängst veröffentlichte das nach Aktienwert größte Finanzinstitut der Welt, die Citigroup (nach der Bilanzsumme ist es die japanische Mizuho-Holding, aber das nur eben am Rande), sein Ergebnis für das vierte Quartal des Geschäftsjahres 2002. Der Nettogewinn fiel um 37 Prozent auf nunmehr nur noch lächerliche 2,4 Mrd. US-Dollar. Aber im für nahezu alle anderen Unternehmen eher miserablen Geschäftsjahr 2002 erwirtschaftete der Konzern mit dem Markenzeichen des Regenschirmes einen Rekordgewinn von 15,3 Mrd. US-Dollar. Die Bilanzsumme betrug etwas mehr als 1 .000 Mrd. US-Dollar. Der derzeitige Börsenwert liegt bei ca. 185 Mrd. US-Dollar. Gegen diese schiere Größe sieht das deutsche Vorzeigeinstitut Deutsche Bank eher wie ein Hütchenspieler aus.

Das Quartals-Ergebnis des amerikanischen Finanzriesen allerdings stützt sich zum Großteil auf das Privatkundengeschäft. In diesem Bereich wuchs der Gewinn um 26 Prozent auf 3,1 Mrd. US-Dollar. Nicht zuletzt dank des Kreditgeschäfts. Jeder amerikanische Haushalt nennt im Schnitt 12 Kreditkarten sein eigen. Dies scheint jedoch zuwenig zu sein, meinen manche Banken und pumpen eben jedes Jahr nochmals 3,8 Mrd. US-Dollar in Werbung und Anzeigen, um noch mehr Karten an den Mann, respektive die Frau zu bekommen. Normal sind es ja auch letztere, die das sauer erarbeitete Geld der Männer wieder unter die Leute bringen. Sagt man...... Entschuldigen sie die Frage, aber könnte es nicht sein, dass die Kreditkartenhersteller, -vertreiber, die Banken und Portemonnaie-Hersteller ein stilles Kartell am Laufen haben?

Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Kreditkartenschulden automatisch jeden Monat vom Konto angebucht werden, können sich die meisten Amerikaner den grö0ten Teil nach nur 30 Tagen stunden lassen. Natürlich zu einem angemessenen Zins, der da schon einmal bei 15 bis 24 Prozent liegen kann. Es lebe der Wucher. Was viele nicht beachten, aus einer relativ geringen Schuldensumme können anhand dieser Möglichkeiten recht schnell, vor allem für die Banken, erquickliche „grüne“ Zahlensummen entstehen. Man braucht nur die eine Karte zu nehmen, um die Raten der anderen Karte(n) abzubezahlen, bis irgendwann alle Karten ihr Limit erreicht haben. Zu den Schulden kommen die normalen Zinsen, die Überziehungszinsen, die Verspätungszinsen, die Mahngebühren und letzten Endes die Inkassozinsen hinzu. Jetzt könnte man ja einmal das Zinseszins-System in Frage stellen oder, klein angefangen, mal fragen, warum die Amerikaner dieses System nicht durchschauen? Kaufen sie heute, zahlen sie in Raten, in einem halben Jahr oder besser noch, wenn sie mal wieder Geld oder eine neue Kreditkarte ihr eigen nennen. Es lebe der Konsum auf Pump!

Möge der Kaufrausch nie enden. Die Folgen wären fatal. Während man beim Irakkonflikt noch vermittelnd eingreifen kann, wird man beim Platzen dieser amerikanischen Schuldenblase unweigerlich zum Zuschauer degradiert und mit in den Abwärtssog gezogen, auch als unbeteiligt dreinschauender Europäer oder Deutscher. Bisher halten sich die warnenden Stimmen in der Öffentlichkeit zurück bzw. werden zurückgehalten. Panik ist das letzte, was man jetzt gebrauchen kann. Bricht der Konsum nämlich ein, setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang, die das ganze Weltwirtschaftssystem unter sich begraben könnte. Das das IWF-System krankt, brauche ich wohl niemanden zu erzählen, solange afrikanische Staaten wie Sambia für 200 Mio. US-Dollar Nahrungsmittelhilfe 6 Mrd. US-Dollar Schulden tilgen müssen. Aber das ist wieder eine andere Sache, die die Schuldensituation der amerikanischen Haushalte nur periphär tangiert. Auch kann man noch schmunzeln über die „Geldstörung“ des amerikanischen Volkes. Die Großmeister der Globalisierungswirtschaft und die Erfindungskünstler neuer Geldeinsatzmöglichkeiten sind süchtig und verfallen dem Schuldenmachen, einer ernsten Volkskrankheit, ähnlich dem mehrfachen Waffenbesitz oder der Klage-und-Verklage-Freudigkeit

Falls sie immer noch der Meinung sind, dass der Irakkonflikt unser größtes Problem derzeit ist, hoffe ich ihnen mit diesem Text einen zweiten Ansatz zum Nachdenken geliefert zu haben. Und denken sie das nächste Mal daran, wenn sie hinter jemanden an einer Kasse im Supermarkt stehen, dessen Kreditkarte gerade zerschnitten wird: Lachen sie nicht zu laut, es könnte auch ihre Karte. Zeigen sie stattdessen „uneingeschränkte Solidarität“. Als „alter Europäer“ steht man doch über solchen Dingen wie Schadenfreude, oder?

Ciao,
Euer Campi

zurück zum "Corner"