Campis Corner: Warum sich der Kampf um das Öl lohnt......
von Thomas Badtke

Moin,

egal wo man heute hinhört, welches Fernsehprogramm man einschaltet, welche Zeitung man liest oder an welchem Stammtisch man sitzt und sich unterhält, das alles bestimmende Thema ist: nein, nicht wie viele vermuten werden - Frauen - sondern Öl. Als das investigative „Sturmgeschütz der Demokratie“ (= Bild-Zeitung) unlängst mit dem Slogan „Blut für Öl“ titelte, schien die Büchse der Pandora endlich geöffnet worden zu sein. Zuvor war der heldenhafte Kampf gegen den Terrorismus und Massenvernichtungswaffen die alles beherrschenden Thema in der Überzeugungsarbeit der US-Medien und der US-Regierung. Doch danach änderte sich alles. Nicht die Verbindung - eine noch immer eventuelle wohlgemerkt - Saddam Husseins zu Usama Bin Ladin, oder die schiere Angst, dass der irakische Diktator über millionenfache Pockenerreger verfügen könnte, oder sogar über die „Mutter aller Bomben“, die Atom-Bombe, standen nun im Vordergrund, nein, das Öl erreichte den Stellenwert, den es verdient hat.

Nach dem Ende des Kalten Krieges, wobei der Sieger, wenn man es so nennen will, Amerika hieß, und der vermeintlich eingekehrten Ruhe weltweit, dauerte es nicht lange, bis die USA ihr wahres Gesicht zeigten. Und wir sind uns wohl alle einig: auf George W. Bushs Gesicht hätte die Welt verzichten können. Seit dem Ölschock 1973, als die OPEC-Staaten den Ölhahn zudrehten im Jom-Kippur-Krieg, stand auf der Agenda jedes amerikanischen Präsidenten ganz oben: Sicherung des Energienachschubes. Als dann George Bush sen. den 1. Irakkrieg, damals noch unter dem Namen Golfkrieg geführt, mit Saddam Hussein ausfocht, erhitzte der Slogan „Blut für Öl“ schon einmal die Gemüter der Weltbevölkerung. Nun tut er es wieder und die Protagonisten des damaligen Krieges haben auch heute wieder das Sagen und den Fehdehandschuh in den Ring geworfen. Nach den Anschlägen des 11. September, die eine Stabilisierung der Machtverhältnisse am Kaspischen Meer zu amerikanischen Gunsten nach sich zogen und eben diese auch unter dem Deckmantel des „Kampfes gegen den Terror“ geführt wurde, lag das Thema Irak wieder auf dem Schreibtisch des US-Verteidigungsministeriums. Der, wie es derzeit scheint, nicht mehr zu verhindernde Krieg und Völkermord im Nahen Osten, unter der Ägide der Demokratisierung der ganzen Region herbeigeführt und geduldet (Israel vs. Palästina), wird eigentlich nur wegen des „Schwarzen Goldes“ gefochten. Dies scheint einleuchtend, weil ohne Probleme nachvollziehbar. Nicht nur die Nahost-Koryphäen Kienzle und Scholl-Latour räumen dem Öl als Kriegsgrund eine gewichtige Rolle ein, auch scheint sich das Thema immer mehr in der breiten Bevölkerung durchzusetzen. Aber warum?

Bereits zu Beginn es letzten Jahrhunderts standen Demokratie und arabische Selbstbestimmung hinten an, wenn es um das Thema Öl ging. Nach der industriellen Revolution und den Jahren der Dampfschifffahrt, entdeckte man zuerst in Großbritannien, welche Rolle das Öl in Zukunft spielen könnte. Als arabische Häuptlinge und Stammesfürsten im 1 Weltkrieg auf Seiten der Briten und Franzosen kämpften, belohnte man sie nicht mit Souveränität oder Wirtschaftsreformen. Vielmehr unterstellte man sie und ihr Land britischer und französischer Oberhoheit. Dies blieb so bis zum 2. Weltkrieg, als eine neue Weltmacht das Licht der Welt erblickte. Amerika begann auch im ölreichen Nahen Osten seine Hegemonialmacht durchzudrücken. Wann immer wirkliche Demokratie im Nahen Osten die amerikanische Kontrolle über das Öl bedrohte, fand sie sich auf der Verliererseite wieder. Als z.B. der irakische Ministerpräsident Mussadegh 1951 die Erdölindustrie seines Landes verstaatlichte, was eigentlich sein volles Recht war, boykottierte ihn England und intervenierte, sodass er 1953 gestürzt wurde und sich hinter schwedischen Gardinen wiederfand. Letztes Beispiel in einer aberwitzig langen Reihe von Auseinandersetzungen unter der Flagge der Demokratie ist Afghanistan und überhaupt der Dunstkreis des Kaspischen Meeres. Als die Sowjetunion aufhörte zu existieren, behielten die einstmals hohen KPdSU-Mitglieder des jeweiligen Landesteils die Macht. Nicht nur in Turkmenistan oder Kasachstan sucht man die Demokratie, gebracht von amerikanischen Soldaten und ihren Stützpunkten, heute vergebens. Vielmehr sind oft grausame Diktatoren und Industrieoligarchen an der Spitze, die man durchaus in ein paar Jahren, wenn man sie weiter schalten und walten lässt, in einer Reihe mit Saddam Hussein stellen könnte. Alles nur des lieben Öls wegen. Die Russen sind genauso von amerikanischen Stützpunkten umzingelt wie China. Wer Macht hat, zeigt sie und geht nicht unbedingt vorsichtig und rücksichtsvoll mit ihr um.

Die aggressive Irak-Politik der Bush-Administration wird auch von dortigen Professoren, wie beispielsweise dem Wirtschaftsprofessor der Columbia-Universität, Jeffrey Sachs, verurteilt. Die von Paul Wolfowitz in die Presse gegebene Phrase vom „Irak als erste arabische Demokratie“ hält er schlichtweg für falsch. Die „Achse des Bösen“ mit Irak und dem Iran, müsste um Saudi-Arabien erweitert werden. Denn diese drei Länder teilen sich im Großen und Ganzen die Weltölreserven unter sich auf und könnten somit die Weltwirtschaft regulieren. Während die OPEC-Länder des Nahen Ostens lediglich 4 Prozent des Weltölkonsums beanspruchen, steuern sie zur Produktion weltweit rund ein Drittel bei. Gleichzeitig verfügen sie über zwei Drittel der Weltölreserven. Genau umgekehrt ist es bei den drei großen Verbraucherregionen. Asien wird bis 2010 seinen Ölkonsum um ein Drittel steigern, schon heute verbrauchen sie mehr als Nordamerika. Der Importanteil steigt von 61 auf 74 Prozent bis 2010. In Nordamerika wird der Importanteil sogar von 39 auf 62 Prozent zunehmen. Gleichzeitig wird die eigene Förderung zurückgefahren. Betroffen sind davon besonders kleine, mittelständische Unternehmen im Bush-Staat Texas. Sie können nur profitabel arbeiten, wenn der Ölpreis im Bereich von 15 bis 18 US-Dollar liegt. Im Gegensatz hierzu liegen die Kosten Im Irak und Iran bei 3 US-Dollar je Barrel. Der Profit liegt hier also deutlich höher. In Europa steigt der Importanteil lediglich von 56 auf 61 Prozent. Da die USA bereits heute mehr als die Hälfte ihres Ölbedarfs durch Importe decken muss, sind sie auf geringe Preise angewiesen. Ein Krieg im Irak müsste demnach sehr schnell vorbei sein, um nicht wirtschaftlich irreparable Schäden anzurichten. Eine Faustregel besagt, dass eine Verteuerung des Erdölpreises um zehn US-Dollar das Bruttoinlandsprodukt der Industriestaaten, also auch der USA, um ein Viertelprozentpunkt absinken lässt. Sollte sich der Krieg also hinauszögern und verlängern, rechnen Experten dann mit Ölpreisen auch jenseits der 60 US-Dollar-Marke. Auch 80 bis 100 US-Dollar wären denkbar, eine noch nie da gewesene, unbeschreibliche Rezession würde drohen.

Seit 1991 ist der Ölverbrauch in den USA um rund 17 Prozent gestiegen. Im heutigen EU-Raum lediglich um 7 Prozent. Der Tagesverbrauch liegt in den USA bei 19,6 Millionen Fass, in der EU bei 13,5 Millionen Fass. In Amerika wird zudem rund 45 Prozent des Öls als Benzin verbraucht. Der durchschnittliche Benzinpreis liegt bei 40 US-Cent. In Europa macht der Benzinanteil nur 26 Prozent des Ölverbrauchs aus. Derzeit fördert der Irak 2,8 Millionen Barrel Erdöl pro Tag. Da die Anlagen allerdings veraltet sind, wie auch die am Kaspischen Meer, würde es nach Expertenschätzung zwei bis drei Jahre dauern um eine Erhöhung der irakischen Fördermenge um ein bis zwei Millionen Barrel zu erreichen. Ein Krieg sollte also so schnell wie möglich vorbei sein, damit die Zeit bis zu einer Förderungserhöhung nicht allzu lang ist. In Amerika wird nämlich mit dem Gedanken gespielt, das „verhasste“ Saudi-Arabien fallen zu lassen und das irakische Öl an dessen Stelle zu importieren. Immerhin verbraucht Amerika bereits schon heute mehr als 25 Prozent des geförderten Erdöls weltweit. Europa begnügt sich mit knapp 15 Prozent. Wobei noch festzuhalten wäre, dass Deutschland mit einem Weltverbrauchsanteil von 3,7 Prozent, der drittgrößte Erdölimporteur der Welt ist. Und erst jüngst die Dena (Deutsche Energie Agentur) feststellte, dass rund ein Drittel des Energieverbrauchs in deutschen Landen eingespart werden könnte. Mineralöl steht noch immer an erster Stelle der Energieerzeugung in Deutschland, vor Erdgas und Steinkohle. Abgeschlagen auf den letzten beiden Plätzen liegen Wind- und Wasserkraft. Von der atomkraft brauchen wir erst gar nicht zu reden. Hier würde eine Grundsatzdiskussion ins Rollen kommen, die man lieber erst nach zwei bis drei Bier am Stammtisch ausdiskutieren sollte. Des lieben Friedens willen.

Also egal, wie man es sieht oder nimmt, die USA haben sehr wohl ein Ölinteresse im Irak, ebenso wie Großbritannien. Auch Russland, Frankreich, Italien, China und Iran wollen beim „Ölopoly“ mitspielen. Sogar de Türkei könnte Interesse haben. Aber nur die Anglo-Amerikaner stehen bisher mit bis zu den Zähnen bewaffneten Soldaten „Gewehr-bei-Fuß“ bereit um sofort losschlagen zu können. Das unterscheidet sie ein wenig vom Rest. Und ich glaube mich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen, wenn ich behaupte, dass das Interesse an einer Demokratisierung des Irak oder einer Vernichtung aller Massenvernichtungswaffen nur vorgegaukelt ist. Wetten dass...?

Ciao.
Euer Campi

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