Moin,
egal
wo man heute hinhört, welches Fernsehprogramm man einschaltet,
welche Zeitung man liest oder an welchem Stammtisch man sitzt und
sich unterhält, das alles bestimmende Thema ist: nein, nicht
wie viele vermuten werden - Frauen - sondern Öl. Als das investigative
Sturmgeschütz der Demokratie (= Bild-Zeitung) unlängst
mit dem Slogan Blut für Öl titelte, schien
die Büchse der Pandora endlich geöffnet worden zu sein.
Zuvor war der heldenhafte Kampf gegen den Terrorismus und Massenvernichtungswaffen
die alles beherrschenden Thema in der Überzeugungsarbeit der
US-Medien und der US-Regierung. Doch danach änderte sich alles.
Nicht die Verbindung - eine noch immer eventuelle wohlgemerkt -
Saddam Husseins zu Usama Bin Ladin, oder die schiere Angst, dass
der irakische Diktator über millionenfache Pockenerreger verfügen
könnte, oder sogar über die Mutter aller Bomben,
die Atom-Bombe, standen nun im Vordergrund, nein, das Öl erreichte
den Stellenwert, den es verdient hat.
Nach
dem Ende des Kalten Krieges, wobei der Sieger, wenn man es so nennen
will, Amerika hieß, und der vermeintlich eingekehrten Ruhe
weltweit, dauerte es nicht lange, bis die USA ihr wahres Gesicht
zeigten. Und wir sind uns wohl alle einig: auf George W. Bushs Gesicht
hätte die Welt verzichten können. Seit dem Ölschock
1973, als die OPEC-Staaten den Ölhahn zudrehten im Jom-Kippur-Krieg,
stand auf der Agenda jedes amerikanischen Präsidenten ganz
oben: Sicherung des Energienachschubes. Als dann George Bush sen.
den 1. Irakkrieg, damals noch unter dem Namen Golfkrieg geführt,
mit Saddam Hussein ausfocht, erhitzte der Slogan Blut für
Öl schon einmal die Gemüter der Weltbevölkerung.
Nun tut er es wieder und die Protagonisten des damaligen Krieges
haben auch heute wieder das Sagen und den Fehdehandschuh in den
Ring geworfen. Nach den Anschlägen des 11. September, die eine
Stabilisierung der Machtverhältnisse am Kaspischen Meer zu
amerikanischen Gunsten nach sich zogen und eben diese auch unter
dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terror geführt
wurde, lag das Thema Irak wieder auf dem Schreibtisch des US-Verteidigungsministeriums.
Der, wie es derzeit scheint, nicht mehr zu verhindernde Krieg und
Völkermord im Nahen Osten, unter der Ägide der Demokratisierung
der ganzen Region herbeigeführt und geduldet (Israel vs. Palästina),
wird eigentlich nur wegen des Schwarzen Goldes gefochten.
Dies scheint einleuchtend, weil ohne Probleme nachvollziehbar. Nicht
nur die Nahost-Koryphäen Kienzle und Scholl-Latour räumen
dem Öl als Kriegsgrund eine gewichtige Rolle ein, auch scheint
sich das Thema immer mehr in der breiten Bevölkerung durchzusetzen.
Aber warum?
Bereits
zu Beginn es letzten Jahrhunderts standen Demokratie und arabische
Selbstbestimmung hinten an, wenn es um das Thema Öl ging. Nach
der industriellen Revolution und den Jahren der Dampfschifffahrt,
entdeckte man zuerst in Großbritannien, welche Rolle das Öl
in Zukunft spielen könnte. Als arabische Häuptlinge und
Stammesfürsten im 1 Weltkrieg auf Seiten der Briten und Franzosen
kämpften, belohnte man sie nicht mit Souveränität
oder Wirtschaftsreformen. Vielmehr unterstellte man sie und ihr
Land britischer und französischer Oberhoheit. Dies blieb so
bis zum 2. Weltkrieg, als eine neue Weltmacht das Licht der Welt
erblickte. Amerika begann auch im ölreichen Nahen Osten seine
Hegemonialmacht durchzudrücken. Wann immer wirkliche Demokratie
im Nahen Osten die amerikanische Kontrolle über das Öl
bedrohte, fand sie sich auf der Verliererseite wieder. Als z.B.
der irakische Ministerpräsident Mussadegh 1951 die Erdölindustrie
seines Landes verstaatlichte, was eigentlich sein volles Recht war,
boykottierte ihn England und intervenierte, sodass er 1953 gestürzt
wurde und sich hinter schwedischen Gardinen wiederfand. Letztes
Beispiel in einer aberwitzig langen Reihe von Auseinandersetzungen
unter der Flagge der Demokratie ist Afghanistan und überhaupt
der Dunstkreis des Kaspischen Meeres. Als die Sowjetunion aufhörte
zu existieren, behielten die einstmals hohen KPdSU-Mitglieder des
jeweiligen Landesteils die Macht. Nicht nur in Turkmenistan oder
Kasachstan sucht man die Demokratie, gebracht von amerikanischen
Soldaten und ihren Stützpunkten, heute vergebens. Vielmehr
sind oft grausame Diktatoren und Industrieoligarchen an der Spitze,
die man durchaus in ein paar Jahren, wenn man sie weiter schalten
und walten lässt, in einer Reihe mit Saddam Hussein stellen
könnte. Alles nur des lieben Öls wegen. Die Russen sind
genauso von amerikanischen Stützpunkten umzingelt wie China.
Wer Macht hat, zeigt sie und geht nicht unbedingt vorsichtig und
rücksichtsvoll mit ihr um.
Die
aggressive Irak-Politik der Bush-Administration wird auch von dortigen
Professoren, wie beispielsweise dem Wirtschaftsprofessor der Columbia-Universität,
Jeffrey Sachs, verurteilt. Die von Paul Wolfowitz in die Presse
gegebene Phrase vom Irak als erste arabische Demokratie
hält er schlichtweg für falsch. Die Achse des Bösen
mit Irak und dem Iran, müsste um Saudi-Arabien erweitert werden.
Denn diese drei Länder teilen sich im Großen und Ganzen
die Weltölreserven unter sich auf und könnten somit die
Weltwirtschaft regulieren. Während die OPEC-Länder des
Nahen Ostens lediglich 4 Prozent des Weltölkonsums beanspruchen,
steuern sie zur Produktion weltweit rund ein Drittel bei. Gleichzeitig
verfügen sie über zwei Drittel der Weltölreserven.
Genau umgekehrt ist es bei den drei großen Verbraucherregionen.
Asien wird bis 2010 seinen Ölkonsum um ein Drittel steigern,
schon heute verbrauchen sie mehr als Nordamerika. Der Importanteil
steigt von 61 auf 74 Prozent bis 2010. In Nordamerika wird der Importanteil
sogar von 39 auf 62 Prozent zunehmen. Gleichzeitig wird die eigene
Förderung zurückgefahren. Betroffen sind davon besonders
kleine, mittelständische Unternehmen im Bush-Staat Texas. Sie
können nur profitabel arbeiten, wenn der Ölpreis im Bereich
von 15 bis 18 US-Dollar liegt. Im Gegensatz hierzu liegen die Kosten
Im Irak und Iran bei 3 US-Dollar je Barrel. Der Profit liegt hier
also deutlich höher. In Europa steigt der Importanteil lediglich
von 56 auf 61 Prozent. Da die USA bereits heute mehr als die Hälfte
ihres Ölbedarfs durch Importe decken muss, sind sie auf geringe
Preise angewiesen. Ein Krieg im Irak müsste demnach sehr schnell
vorbei sein, um nicht wirtschaftlich irreparable Schäden anzurichten.
Eine Faustregel besagt, dass eine Verteuerung des Erdölpreises
um zehn US-Dollar das Bruttoinlandsprodukt der Industriestaaten,
also auch der USA, um ein Viertelprozentpunkt absinken lässt.
Sollte sich der Krieg also hinauszögern und verlängern,
rechnen Experten dann mit Ölpreisen auch jenseits der 60 US-Dollar-Marke.
Auch 80 bis 100 US-Dollar wären denkbar, eine noch nie da gewesene,
unbeschreibliche Rezession würde drohen.
Seit
1991 ist der Ölverbrauch in den USA um rund 17 Prozent gestiegen.
Im heutigen EU-Raum lediglich um 7 Prozent. Der Tagesverbrauch liegt
in den USA bei 19,6 Millionen Fass, in der EU bei 13,5 Millionen
Fass. In Amerika wird zudem rund 45 Prozent des Öls als Benzin
verbraucht. Der durchschnittliche Benzinpreis liegt bei 40 US-Cent.
In Europa macht der Benzinanteil nur 26 Prozent des Ölverbrauchs
aus. Derzeit fördert der Irak 2,8 Millionen Barrel Erdöl
pro Tag. Da die Anlagen allerdings veraltet sind, wie auch die am
Kaspischen Meer, würde es nach Expertenschätzung zwei
bis drei Jahre dauern um eine Erhöhung der irakischen Fördermenge
um ein bis zwei Millionen Barrel zu erreichen. Ein Krieg sollte
also so schnell wie möglich vorbei sein, damit die Zeit bis
zu einer Förderungserhöhung nicht allzu lang ist. In Amerika
wird nämlich mit dem Gedanken gespielt, das verhasste
Saudi-Arabien fallen zu lassen und das irakische Öl an dessen
Stelle zu importieren. Immerhin verbraucht Amerika bereits schon
heute mehr als 25 Prozent des geförderten Erdöls weltweit.
Europa begnügt sich mit knapp 15 Prozent. Wobei noch festzuhalten
wäre, dass Deutschland mit einem Weltverbrauchsanteil von 3,7
Prozent, der drittgrößte Erdölimporteur der Welt
ist. Und erst jüngst die Dena (Deutsche Energie Agentur) feststellte,
dass rund ein Drittel des Energieverbrauchs in deutschen Landen
eingespart werden könnte. Mineralöl steht noch immer an
erster Stelle der Energieerzeugung in Deutschland, vor Erdgas und
Steinkohle. Abgeschlagen auf den letzten beiden Plätzen liegen
Wind- und Wasserkraft. Von der atomkraft brauchen wir erst gar nicht
zu reden. Hier würde eine Grundsatzdiskussion ins Rollen kommen,
die man lieber erst nach zwei bis drei Bier am Stammtisch ausdiskutieren
sollte. Des lieben Friedens willen.
Also
egal, wie man es sieht oder nimmt, die USA haben sehr wohl ein Ölinteresse
im Irak, ebenso wie Großbritannien. Auch Russland, Frankreich,
Italien, China und Iran wollen beim Ölopoly mitspielen.
Sogar de Türkei könnte Interesse haben. Aber nur die Anglo-Amerikaner
stehen bisher mit bis zu den Zähnen bewaffneten Soldaten Gewehr-bei-Fuß
bereit um sofort losschlagen zu können. Das unterscheidet sie
ein wenig vom Rest. Und ich glaube mich nicht zu weit aus dem Fenster
zu lehnen, wenn ich behaupte, dass das Interesse an einer Demokratisierung
des Irak oder einer Vernichtung aller Massenvernichtungswaffen nur
vorgegaukelt ist. Wetten dass...?
Ciao.
Euer Campi
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