Campis Corner: Deutschlands Haltung zum drohenden Irak-Krieg
von Thomas Badtke

Moin,

wer den Mediencontent einmal näher unter die Lupe nimmt, bemerkt schnell, dass die DAF nicht mehr so ist wie früher, sagen die Medien und die konservativ eingestellten Politiker in unserem sozialdemokratisch regiertem Lande. Ich als Ossi, wusste lange nicht, was mit DAF gemeint ist. Ich hatte mal einen Lkw gesehen mit dieser Bezeichnung. Ansonsten gehörte ich eher zu den Vertretern der DSF. Nein, DER DSF stimmt schon, da hier nicht DAS Deutsche SportFernsehen gemeint ist, sondern die Deutsch-Sowjetische-Freundschaft. In Zeiten von Filmen wie „Goodbye Lenin“ sollte DSF zum Standardvokabular gehören. Die DAF ist sozusagen das Gegenstück oder Pendant des vormals kapitalistischen Klassenfeindes dazu, die Deutsch-Amerikanische Freundschaft. Es gibt übrigens auch eine Band mit selbem Namen. Aber das nur am Rande.

Die DAF jedenfalls ist in den Schlagzeilen und das nun schon seit geraumer Zeit, genauer gesagt seit letztem September. Damals stellte sich unser Kanzler mutig gegen den texanischen Cowboy und den bayerischen Ministerpräsidenten und ersann für seinen Wahlkampf die gewinnträchtige Position des „No War“ - um jeden Preis. Die Menschen bzw. die Wähler fanden es damals wie heute gut, die Ablehnungsraten eines Irakkrieges liegen weit jeder Wahlbeteiligung der letzten Jahrzehnte. Nur jeder zehnte Deutsche lässt sich in etwa vor den Kriegskarren spannen und selbst da scheinen noch welche dabei zu sein, die sich ihrer Sache, dank der ausgeklügelten Fragetechniken der Forschungsgruppen und Umfrageinstitute, nicht sicher sind. Das Kontra gegen einen, laut Peter Scholl-Latour „nicht mehr zu verhindernden Krieg“ ertönt laut und in Dolby Digital Surround Sound. Vor allen Dingen in den südländischen Gebieten Europas. Spanier und Italiener gingen zu Millionen gegen einen Krieg demonstrieren und indirekt sprachen sie damit auch ihr Unbill gegenüber ihren Regierungsvertretern aus. Sowohl Berlusconi, selbst auf dem Weg den demokratischen Rechtsstaat ad acta zu legen, als auch Aznar gehören, neben Tony Blair versteht sich, zu den größten Bush-Kriegs-Befürwortern auf diesem Planeten. Bei Blair scheint diese „Freundschaft“ sogar so weit zu gehen, dass er seine Haltung „Pro Bush“ mit seiner politischen Laufbahn bezahlen könnte.

Aber aus dem europäischen Intermezzo zurück zu uns Deutschen. Gebrandmarkt mit dem Verursachen zweier Weltkriege, der Auslöschung Millionen von Menschen und geschlagen mit einer unbändigen und nicht enden wollenden Dankbarkeit gegenüber unseren „Rettern“, den Amerikanern (bei den Ossis waren die „Erlöser“ die Russen- für Heilsbringer halten sich beide). Doch halt, sie kennen bestimmt das gallische Dorf, dass der römischen Macht tapfer die Stirn bietet? Ein gewisser Herr Schröder bietet den USA und ihrer Haltung zu eine Irakkrieg plötzlich Paroli. Na, wer hat ihm denn diesen Fauxpas erlaubt? Ich will das Strunz-Zitat von Bayern Münchens ehemaligem italienischen Trainer nicht weiter strapazieren, aber die Höhe ist das schon, oder nicht? Dieser Meinung sind zumindest die „Schwarzen“ in unserem vereinten Lande. Bevor es zu Missverständnissen kommt: ich meine die Politiker der CDU/CSU. Über Deutschlands Vorzeige-Frisur mit Namen Merkel habe ich mich ja bereits geäußert, aber es verwundert schon, dass gerade sie die jahrzehntelange DAF wieder ins rechte Licht rücken will. Sie kommt doch aus Mecklenburg-Vorpommern. Und DAF wurde da jahrzehntelang nicht praktiziert.

Mehr Sorgen bereitet der „deutsche Weg“ allerdings unserer Wirtschaft. Das scheint ein Grund für das Paradoxon zu sein, dass die SPD jede Wahl nach den Bundestagswahlen mit dramatischen Einbußen verliert. Auf den zweiten Blick ist es jedoch gar nicht so paradox. Die mündigen deutschen Bürger scheinen halt zwischen innenpolitischen und außenpolitischen Fragestellungen unterscheiden zu können. Und bei weit mehr als vier Millionen Arbeitslosen gehört schon eine Menge Chuzpe dazu, einen Herrn Koch mit schwarzem Koffer zu wählen und gleichzeitig den Kriegsgegnern der Regierung das Wasser abzugraben. Früher nannte man so etwas „Dolchstoßlegende“. Obwohl man immer wieder hört, dass auch die CDU/CSU-ler gegen einen Krieg sind. Die DAF scheint ihnen aber wichtiger zu sein, als Tausende Menschenleben.

Doch zurück zur Wirtschaft. Ist etwas dran an den Aussagen, dass die deutsche Wirtschaft für die Haltung ihres Bundeskanzlers büßen muss? Der Vorstandschef des Pharma-Konzerns Altana, N. Schweickart ist zumindest dieser Meinung. Seiner Ansicht nach, zeigen die jüngsten Umfragen zu diesem Thema ein „völlig verzerrtes Bild“. Die Deutsch-Amerikanische Handelskammer hatte erst vor kurzem mitgeteilt, dass „nicht einmal jedes hundertste deutsche Tochterunternehmen in den USA messbare, reale Umsatzeinbußen auf Grund der politischen Spannungen verzeichnen müsse.“ Schweickart führt dagegen eine „zeitlich verzögerte Reaktion“ der US-Wirtschaft“ zu Felde. Also doch Gefahr im Verzug? Eine Befragung der Top-Entscheider im Elite-Panel der Finanzzeitschrift „Capital“ belegt, dass mehr als die Hälfte der vom Institut Demoskopie Allensbach interviewten Manager, Politiker und Behördenleiter glauben, dass sich die „unterschiedlichen Positionen zum Irak-Krieg negativ auf die Wirtschaftsbeziehungen auswirken“. Einziges Handicap dieser Umfrage: das Allensbacher Institut sah auch bei den Wahlumfragen im letzten Jahr die CDU immer ein paar Pünktchen vor der SPD, ganz im Gegensatz zu den anderen Umfrageinstituten. Einen CDU und Amerika-freundlichen Kurs könnte man also unterstellen. Fakt und keine Vermutung ist hingegen, dass die Amerikaner die größten Importeure deutscher Waren sind, nach den Franzosen. Sollte es hier also bröckeln, könnte das ziemlich negative Auswirkungen auf die eh schon darnieder liegende deutsche Konjunktur haben. Würde der US-Absatz um ein Zehntel sinken, würde das die deutsche wirtschaft 0,3 Punkte Wirtschaftswachstum kosten. Bei vorausgesagten 0,5 bis ein Prozent keine zu vernachlässigende Größe. Allerdings lag der US-Export im letzten statistisch erfassten Monat, November 2002, noch satte 9,5 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Auch ein Wegfall der amerikanischen Investitionen in Deutschland birgt Gefahren. Mit 90 Mrd. Euro ist Amerika der Top-Auslandsinvestor hier im Lande. 1.800 amerikanische Tochterunternehmen beschäftigen hierzulande 800.000 Menschen. Zudem haben US-Investoren in deutschen Aktiengesellschaften 25 Mrd. US-Dollar gebunkert. Nahezu 5 Prozent der Marktkapitalisierung stellt dieser Wert dar. Erschwerend kommt die Abwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro hinzu, die negative Auswirkungen auf den Export hat. Besonders Deutschlands bisheriger Wirtschaftsmotor, die Automobilindustrie läuft nicht mehr auf allen Töpfen. Erst meldete VW einen Absatzrückgang von 17 Prozent im Januar, dann legte Porsche nach und verkündete für den Februar einen Absatzeinbruch von 37 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Negativwerbung im wahrsten Sinne des Wortes macht Volkswagen in Amerika mit dem Slogan „A german engineered car“. Made in Germaby scheint derzeit nicht nur für Qualität zu stehen sondern auch für Anti-Amerikanismus. Auch wenn das weit übertrieben ist, die Medien stellen es so hin.

Der deutsche Rüstungsriese Krauss-Maffei-Wegmann kam nicht zum Zug, als die Amerikaner unlängst die Entwicklung eines neuer Panzer ausgeschrieben hatten. Letzten Endes erhielten amerikanische Unternehmen den Zuschlag. Was allerdings nicht verwundern dürfte. Problematischer erscheint da die Tatsache, dass das baldige EU-Neumitglied Polen seine Rüstung nicht bei den Europäern, allen voran Frankreich einkaufen, sondern „old Europe“ links liegen lässt und in Amerika auf Shopping-Tour gehen will. Gleichzeitig würde man sogar die mehr als 50.000 in Deutschland stationierten US-Soldaten mit Kusshand aufnehmen, falls sich die Amerikaner zum Abzug bzw. Umzug ihrer Truppen aufraffen könnten.

Das die beiden US-Rankingagenturen Standard&Poor´s und Moody´s, beides die unangefochtenen Führer ihrer Branche, immer mehr deutsche Unternehmen für Herabstufungen aufs Korn nehmen, könnte Zufall sein. Bei ThyssenKrupp sieht man das jedoch etwas anders. Auch ein Gerücht, das im vergangenen November aufgekommen war und durchaus in die Merrill Lynch-Geschichte der Kolumne von voriger Woche passt, zeigt dass erste Nerven blank liegen. In dem Gerücht hieß es, die Ratingagenturen würden das Rating für das Land Deutschland herabsetzen. Im Finanzministerium kam dieser verspätete Aprilscherz nicht sonderlich gut an. Libyen, Kuba und Deutschland zusammen in einem Satz zu nennen, brachte auch nur rumsfeld und Co. zum Lachen, aber wie obige Beispiele zu verstehen geben, könnte aus dem „Spaß“ schnell bitterer Ernst werden. Bleibt eigentlich nur die Frage offen: Was tun? Kuschen und buckeln á la Merkel oder standhaft bleiben á la Schröder? Hüh oder Hott? Deutscher Weg oder vereint mit den Eurasiern Russland und China? Oder doch die DFF (Deutsch-Französische Freundschaft) ausbauen?
Das Verhältnis von Bush und Schröder war noch nie berauschend und viele meinen, es wird auch nie so werden. Es wäre ja auch seltsam, wenn ein Förderer der Kultur wie Schröder sich mit einem reichen (dank Papa) „Kuhjungen“ verstehen würde. Aber genug provoziert.

Zum Glück stehen in Amerika bereits im nächsten Jahr Wahlen an. Da könnten die Amerikaner ihren Fehler von 2000 wieder gut machen. Wenn sie denn wollen. Ich, als ehemaliger DSF-ler, sehe im Abklingen der DAF kein großen Problem. Vielleicht erhält Deutschland sogar die Souveränität und den Status in der Welt zurück, die Frankreich seit de Gaulle vorweisen kann. Immer ein bisschen Kontra zu Amerika, immer einen etwas eigeneren Weg als die anderen und trotzdem keine Konsequenzen fürchtend. Vive la France! Für alle, die die DAF höher einschätzen, und sich die Zeit bis zur eventuellen Aussöhnung im nächsten Jahr nach den US-Präsidentschaftswahlen etwas vertreiben wollen, sei der bereits angesprochene Film „Goodbye Lenin“ ans Herz gelegt.

Seid bereit...

Ciao,
Euer Campi

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