| Moin, das 
              Jammern der Deutschen ist ja berüchtigt. Ich schließe 
              mich da nicht aus. Man hat immer zu wenig Zeit und möchte zu 
              viele Sachen gleichzeitig machen. Aber um dieses Jammern geht es 
              gar nicht. Ich meine das Jammern um die 4,5 Millionen Arbeitslose, 
              die hohen Steuern, die hohe Zahl an Beamten, die ja eh nix tun, 
              die vielen Politiker mit ihren überhöhten Gehältern 
              und Pensionen usw. Aber, Sie werden mir sicherlich Recht geben, 
              wenn ich sage, es gibt Länder, da ist es noch schlimmer. Sie 
              denken da vielleicht an afrikanische Staaten á la Simbabwe, 
              Äthiopien oder an südamerikanische Länder wie Argentinien 
              oder auch asiatische wie die Mongolei. Sie wissen schon, das Land 
              der Jurten. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass man nie etwas 
              über die Mongolei in der Zeitung liest oder im Fernsehen sieht? 
              Und das obwohl es geografisch "strategisch" wichtig liegt, 
              nämlich zwischen Russland und China. Aber darum geht es hier 
              nicht... An 
              ein Land, dem es dem Jammern der dortigen Bevölkerung und Politiker 
              noch viel schlechter gehen müsste, denken Sie ganz bestimmt 
              nicht: Norwegen. Jawohl, das Land der Elche, Langläufer und 
              Biathleten. Das Land, welches von den Vereinten Nationen den höchsten 
              Lebensstandard und die höchste Lebensqualität bescheinigt 
              bekommt. Und das schon seit zwei Jahren. Norwegen ist neben Luxemburg 
              das reichste Land in Europa. Und das allein wegen seiner Ölvorkommen 
              vor der heimatliche Küste. Anders als in Drittweltländern 
              wie Angola oder auch dem Irak fließen die Erträge des 
              Ölbooms aber nicht in private Taschen, sondern in einen Pensionsfonds. 
              Zum größten Teil jedenfalls. Dieser Fonds umfasst mittlerweile 
              mehr als 80 Mrd. Euro und wird treuhänderisch von Knut Kjaer 
              verwaltet. Ein weiterer Unterschied zu anderen "Ölfonds" 
              ist die Transparenz. Während beispielsweise die Öl- und 
              Ressourcenfonds in Kuwait oder Abu Dhabi von Transparenz nicht sehr 
              viel halten, kann jeder Norweger, inklusive dem Finanzministerium, 
              das die Aufsicht über den Fonds führt und die grundlegende 
              Linie vorgibt, den Erfolg der Anlagestrategie verfolgen und "überwachen". 
              Im letzten Jahr bereitete dies jedoch kein großes Vergnügen. 
              Von den rund 16,6 Mrd. Euro an Zuflüssen, ein Jahr zuvor waren 
              es noch doppelt soviel gewesen, blieb nahezu nichts mehr übrig. 
              Das Aktienportfolio, immerhin rund 38 Prozent des Gesamtfonds schwer, 
              büßte mehr als 24 Prozent ein. Der Fonds könnte 
              schon bald der größte der Welt sein. Mittlerweile ist 
              er an fast jedem großen Unternehmen in Deutschland, Großbritannien 
              oder den USA beteiligt, mit durchschnittlich 0,3 bis 0,4 Prozent. 
               Die 
              Performance des letzten Jahres verunsichert jedoch nur die wenigsten. 
              "Der Zeithorizont sei sehr lang", gab die Zentralbank 
              etwa zu verstehen. Das scheint die norwegische Bevölkerung 
              zu beruhigen, deren Pensionen und Renten zum Großteil vom 
              Fonds getragen werden sollen, wenn das Öl mal aufhört 
              zu fließen. Immerhin konnte das Fondsvolumen von 1997 bis 
              2002 von 113,4 Mrd. NK auf 609 Mrd. Norwegische Kronen zulegen. 
              Der Umrechnungskurs liegt in etwa bei 7,7 NK für einen Euro. 
              Kein Grund zum Jammern also. Denkste. Die Unternehmer sind in Norwegen 
              so pessimistisch wie seit 1977 nicht mehr und damit toppen sie auch 
              die Deutschen. Das meint zumindest eine Umfrage des Statistischen 
              Dienstes in Norwegen. Alles sei zu hoch, sagen die Entrepreneurs: 
              der Wechselkurs der Krone, die Gehälter, die Zinsen, die Arbeitslosenzahl, 
              die Steuern, die Abwesenheitsraten am Arbeitsplatz wegen "Krankheit" 
              und das Industriesterben, der Aufkauf durch ausländische Unternehmen, 
              die Flucht von Unternehmen ins billigere Ausland usw. Gerade die 
              Branchen, die Norwegen bekannt und groß gemacht haben, schwächeln. 
              So z.B. die Technik zur Ölförderung auf See, die Lachszucht, 
              der Schiffbau und die Schifffahrt überhaupt. Norwegische Industriearbeiter 
              gelten als die Teuersten der Erde. Dadurch rechnet die norwegische 
              Notenbank mit dem Verlust von ca. 60.000 Industriearbeitsplätzen. 
              Eine zu optimistische Schätzung meinen dagegen die Gewerkschaften. 
              Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Norwegens steht auf 
              dem Spiel und nichts deutet darauf hin, dass sich daran etwas ändern 
              ließe. Der Ölboom sorgt für Wohlstand. Aber für 
              wie lange noch? In etwa 25 Jahren wird der Ölfluss vor den 
              Küsten versiegt sein. Noch zwei größere Öl- 
              und Gasfelder werden bis 2007 zur Erschließung frei gegeben. 
              Doch danach sieht es düster aus. Die ersten Entlassungen in 
              der Ölindustrie gab es bereits. Im arktischen Norden will man 
              am liebsten neue Bohrungen vornehmen, doch Umweltschützer sind 
              bisher dagegen.  Eine 
              Lösung könnte das Erdgas sein. In zehn Jahren wird es 
              die Ölproduktion an Menge erreicht bzw. überholt haben. 
              Bisher trägt es bereits 25 Prozent zur Aktivität des größten 
              norwegischen Ölkonzerns Statoil bei. Der Staat nennt 80 Prozent 
              an ihm sein Eigen. Aber auch hier krankt das System. Bisher wurden 
              Erschließungsaufträge zu zwei Dritteln innernorwegisch 
              vergeben. Beim letzten, mit Namen "Schneewittchen2 änderte 
              sich dies bereits. Das größte Industrieprojekt Nordnorwegens 
              vergab zwei Drittel der Aufträge ins Ausland. Der Kosten wegen, 
              versteht sich. So erhielt u.a. eine spanische Werft Schiffaufträge 
              statt die einheimische Aker Kvaerner-Gruppe. Der Abgesang der Rohstoffindustrie 
              dehnt sich also auch auf andere Industriezweige aus. Neben dem Schiffbau 
              befindet sich auch die Fischerei im Taumeln. Der bisher größte 
              Fischexporteur der Welt hat unter der starken Norwegischen Krone 
              zu leiden. Ähnliches könnte Deutschlands Export wegen 
              dem hohen Euro drohen. Allein beim Lachs haben die Fischereiunternehmen 
              nahezu 330 Mill. Euro durch die starke NK verloren. 8.000 Arbeitsplätze 
              gingen dadurch verloren. Auch bei der Forstindustrie mussten 1.100 
              Leute gehen. Das Land des "Milk & Honey" wie Fury 
              & the Slaughterhouse es einst besangen, liegt danieder. Aber 
              die Bevölkerung merkt es erst langsam. Aber ähnlich wie 
              in Deutschland, ist das Jammern dann noch größer. Bis 
              in die Politik zieht sich dies hinein. Mehrere Jahrzehnte wurde 
              das Land mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern von den Sozialdemokraten 
              regiert. Bei der letzten Parlamentswahl allerdings wurde die Regierung 
              abgestraft und eine bürgerliche Minderheitenregierung erklomm 
              das Ruder, unter Duldung einer rechtspopulistischen Partei. Ob es 
              am knappen und teuren Strom lag? Oder an den hohen Bierpreisen? 
              Die Arbeitslosenzahl ist die höchste seit sechs Jahren. Die 
              Norweger jammern also zu recht. Im Gegensatz zu uns Deutschen. Aber 
              beiden Ländern kann nur eine Radikalreform helfen. Die Arbeit 
              it in beiden Ländern zu teuer. Bisher weigerten sich die Norweger 
              zu einem Beitritt in die EU. Aber mittlerweile stimmen selbst die 
              Bauern, bisher die größten EU-Kritiker, für einen 
              Beitritt. Obwohl sie lediglich 0,2 Prozent zur norwegischen Warenausfuhr 
              beitragen, waren sie es im Endeffekt, die den Beitritt bisher verhinderten. 
              Nun jedoch stimmen bei Umfragen mehr als 60 Prozent für eine 
              EU-Aufnahme. Ab 2005 könnte das Beitrittsersuchen konkret werden. 
               Bis 
              dahin sollten wir Deutschen das Jammern hinter uns lassen und uns 
              daran erinnern, dass es Länder gibt, denen es schlechter geht. 
              Das Jammern auf hohem Niveau können wir ruhig den Norwegern 
              überlassen.  Ciao,Euer Campi
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