Campis Corner: Der Krieg und der "Oscar"
von Thomas Badtke

Moin,

der von der UN nicht legitimierte, präventive Angriffskrieg der Anglo-Amerikaner befindet sich mittlerweile in der zweiten Woche. Im Gegensatz zum ersten Golfkrieg gab es bisher kaum Kollateralschäden zu vermelden. Nur eine fehlgeleitete Rakete oder Bombe, die Amerikaner geben keine Auskunft darüber, soll in einen Wohnblock eingeschlagen sein und dabei irakische Zivilisten getötet haben. Der Blitzkrieg des George W. Bush ist keiner mehr. Er warnt mittlerweile seine Bevölkerung vor einer "länger andauernden Auseinandersetzung". Ein Ende sei nicht in Sicht, aber der Sieger stehe fest, so in etwa der Wortlaut des "fiktiv gewählten" US-Präsidenten.

In der letzten Woche fielen mir ein paar Dinge auf, die nun hier ihre Erwähnung finden sollen. Zum einen fand letzte Woche die 75. Oscar-Verleihung statt. Im Vorfeld gab es bereits ein Riesen-Tra-Ra wegen des begonnenen Bush-Feldzugs gegen den Irak Saddam Husseins. Egal ob nun Sean Penn, der eigens in den Irak reiste um sich ein Bild zu machen oder die nimmermüde Kriegsgegnerin Susan Sarandon, wer wirklich etwas zum Thema Krieg zu sagen hatte, machte seinem Ärger Luft. Dustin Hoffman und George Clooney taten dies auf der diesjährigen Berlinale. Martin Sheen und Susan Sarandon per Werbespot im Fernsehen. Was danach passierte, erinnerte an die Kommunisten-Hatz in Amerika in den 50er Jahren. Gemobbt, ausgebootet und von der Oscar-Verleihung wieder ausgeladen. Der Patriotismus, in Amerika normalerweise bereits mit der Muttermilch aufgesogen, wurde den obigen Personen aberkannt. Am Ende ging es soweit, dass manche um ihre Jobs fürchten mussten, wie etwa Martin Sheen, der in einer Serie schon seit geraumer Zeit den US-Präsidenten mimt. Kleine Anekdote am Rande: Bush bereitet ein Gesetz vor, dass es erlaubt, die Staatszugehörigkeit eines amerikanischen Bürgers zu löschen, falls er in Terrorverdacht steht. Das erinnert ein bisschen an den päpstlichen Bannstrahl des Mittelalters. Vogelfrei, statt Amerikaner.

Bei der Oscar-Verleihung selbst, wurde der rote Teppich etwas zurückgefahren, das Drumherum entsprach nicht ganz dem Glamour der letzten Jahre, aber absagen wollte man die Feier auch nicht. Schließlich heißt es ja auch: "The show must go on". Die Oscar-Verleihung gilt in der Allgemeinheit als unpolitische Veranstaltung, trotzdem wurde sie oft als Bühne für Politik genutzt. Meistens kämpften Minderheiten um mehr Anerkennung. Im letzten Jahr war es beispielsweise Halle Berry, die in einer flammenden Rede und in Tränen ihren Oscar "jedem farbigen Schauspieler" widmete, der nun die Chance eauf "offene Türen" und damit neue, gute Rollen hätte. In diesem Jahr hätte man so etwas von der Mexikanerin Salma Hayek, bekannt geworden durch Robert Rodriguez-Filme wie "Desperado" oder "From dusk till dawn", erwartet, die sich bereits seit Jahren über ihre Rollen als "typische Mexikanerin" aufgeregt hat. In diesem Jahr waren sie und "ihr" Lebenswerk "Frida", ein Film über die mexikanische Malerin Frida Kahlo, für den Oscar nominiert. Aber den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle bekam Nicole Kidman, den für den besten Film, das Musical "Chicaco". Letzteres war übrigens der große Abräumer dieses Jahr. Aus Angst vor politisch diskriditierenden Äußerungen wurde sogar die Redezeit der Oscargewinner auf 45 Sekunden begrenzt. Was bei den ersten Gewinnern noch witzig wirkte, wenn der Danksagungsschwall nach 45 Sekunden mit immer lauter werdender Musik und in den Boden versinkenden Mikrofon abgewürgt wurde, mutete dann allerdings bei einer Person eher deplaziert an und hätte durchaus als Zensur oder Eingriff in die Meinungsfreiheit verstanden werden können. Aber das ist ja mittlerweile im Amerika dieses Jahrtausend nichts neues mehr.

Getroffen hat es den Dokumentarfilmer Michael Moore. Falls sie ihn noch nicht kennen sollten, lesen Sie die anderen Kolumnen hier, er wird mehrere Male "zitiert". Allerdings gehören Sie dann auch zu denjenigen Besuchern dieser Seite, die sein Buch "Stupid white men" noch nicht gelesen haben. Es steht mittlerweile seit mehreren Wochen an der Spitze der "Spiegel"-Bestseller-Liste. Wenn Sie mich fragen: zu Recht!!! Geehrt bzw. mit dem Oscar ausgezeichnet wurde er für seinen Doku-Film "Bowling for Columbine". Zum Inhalt hat dieser Film das Waffengebaren der Amerikaner. Als Aufhänger diente das Schulmassaker von Littleton. Moore versucht die Hintergründe zu erkunden und stellt bei seinen Recherchen u.a. beim NRA (National Rifle Association)-Boss Charlton Heston, unwillkürlich anmutende Zusammenhänge von diversen Zufälligkeiten her. Er sieht diesen Film jedoch nicht nur als rein deskriptives Werk an, er bringt nebenbei die Einzelhandelskette K-mart auch dazu Patronen aus seinem "normalen" Verkaufssortiment zu nehmen. Natürlich kommt auch George W. Bush und seine Regierungsclique bei diesem Film nicht ganz unbeschadet über die Runden, aber im Mittelpunkt steht die Liebe der Amerikaner zu ihren Waffen. Das geht soweit, dass in Amerika eintausend mal mehr Menschen an Waffengewalt sterben, als in Kanada. Und dies, obwohl beide Länder in etwa die gleiche Waffendichte besitzen!!!

Moore erhielt den Oscar und konnte sich ein Statement zur "Lage der Nation" natürlich nicht verkneifen. In diversen Zeitungen war er vorher bereits als Top-Störenfried der Veranstaltung bezeichnet worden, falls er einen Oscar erhalten würde. Ed Harris, als beste Nebenrolle nominiert und leer ausgegangen, wurde in diesem Zusammenhang der zweite Platz eingeräumt. Als Moore seine mit ihm in der Kategorie Nominierten auf die Bühne brachte, ging es los. Stehende Ovationen für ihn. Als er dann nach den üblichen Danksagungen aber begann, über die politische Situation in Amerika herzuziehen, fanden sich auch erste laute Buhrufe aus dem Publikum. Wobei hier unterschieden werden muss, zwischen Bush-Anhängern und solchen, die lediglich eine unpolitische Veranstaltung sehen wollten, meinten danach irgendwelche Hollywood-Experten. Moore sprach von "einer schwierigen Zeit, einer Zeit der fiktive Wahlergebnisse und fiktiven Kriegsgründe (von einem fiktiven Präsidenten)".

"SHAME on you, Mr. Bush, shame on you!"

Gleichzeitig startete die Musik und Moore verließ mit seinen "Teamstern" (meinte danach der Moderator dieser Oscar-Verleihung Steve Martin) den Saal. Für diesen Auftritt hat es sich gelohnt, so früh aufzustehen. Das können Sie mir glauben. Auch weitere Akteure machten ihrem Ärger Luft, aber verhaltener und diskreter. Die Frauen trugen i.A. schwarze Kleider, wie Julia Roberts beispielsweise, die Herren hatten sich an ihre zumeist schwarzen Anzüge ein "Symbol des Friedens und der Solidarität" angesteckt. Falls Sie mich nun fragen, was soll das hier eigentlich, möchte ich Ihnen nur ans Herz legen, sich "Stupid white men" zu kaufen und zu versuchen "Bowling for Columbine" wenn irgend möglich in einem Kino zu sehen. Ansonsten warten Sie auf die DVD oder das Video. Vieles wird Ihnen danach klarer erscheinen.

Die Liebe der Amerikaner zu ihren Waffen ist für die übliche Welt, besonders für das alte Europa, fast schon pervers. In der ersten Kriegswoche im Irak sind mehr Briten durch amerikanische Hand gestorben, als im Kampf mit den Irakis. Hier stürzt ein von einer amerikanischer Rakete getroffener Hubschrauber der Briten ab, dort eröffnen amerikanische Soldaten das Feuer auf britische Journalisten usw. Aber auch die Amerikaner selbst haben mittlerweile Kollateralschäden zu vermelden. So sprengte sich etwa ein amerikanischer Soldat in Kuwait zwischen seinen Kameraden in die Luft. Das haben sich die strategischen Köpfe im Weiße Haus sicherlich anders vorgestellt. Die von Hussein bereits vor 12 Jahren ausgerufene "Mütter aller Schlachten" scheint mehr nach dem irakischen Gusto zu verlaufen. Ein bisschen Häme kann man da nicht verbergen, allerdings ist jedes Opfer dieses Krieges, egal ob auf irakischer oder anglo-amerikanischer Seite, ein Opfer zuviel. Die Frage, ob ein George W. Bush diese Einsicht eines Tages auch noch erreicht, bleibt abzuwarten. Derzeit freuen sich nur die Kuwaitis über den anglo-amerikanischen Einfall im Irak. Die haben allerdings auch noch eine Rechnung mit Hussein offen. Selber kämpfen wollen sie aber nicht.

Vielleicht waren die Ereignisse der ersten Kriegswoche bezeichnend für den weiteren Kriegsverlauf. Die Amerikaner haben die Irakis deutlich unterschätzt. Keine Aufstände und Revolten gegen das Husseinsche Regime, kaum Überläufer, dafür aber ein harter Widerstand der irakischen Streitkräfte. Bisher ist nur Umm-Kasr eingenommen. Die Hafenstadt ist nun unter britischer Kontrolle. Dies birgt, laut dem Nahost-Experten Scholl-Latour jedoch weiteren Sprengstoff, da es die Briten waren, die vor mehr als 50 Jahren die heutigen Grenzen des Irak willkürlich gezogen haben und zuvor als Besatzungsmacht vor Ort waren. Basra leistet ebenso Widerstand wie andere Orte, die die Amerikaner nun auf ihrem Weg nach Bagdad erst einnehmen müssen. Und bald kommt die Hitze des Sommers. Erste Sandstürme zeigten zudem, dass nicht alles vorhersagbar ist. Außer vielleicht: Saddam Hussein ist nicht mehr im Besitz von biologischen, chemischen und atomaren Massenvernichtungswaffen. Letztere hat er ja sowieso nie besessen.

Der Medienkampf der beiden Widersacher Bush und Hussein geht also in die zweite Runde. Dabei ist nicht etwa Hussein angeknockt, derzeit wird eher George W. Bush angezählt. Die Proteste gegen den Krieg jedenfalls zeigen ein eindeutiges Bild.

Ciao,
Euer Campi

P.S.: Den Oscar für den besten ausländischen Film gewann "Nirgendwo in Afrika", ein deutscher Film von Caroline Link.

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