Moin,
der
von der UN nicht legitimierte, präventive Angriffskrieg der
Anglo-Amerikaner befindet sich mittlerweile in der zweiten Woche.
Im Gegensatz zum ersten Golfkrieg gab es bisher kaum Kollateralschäden
zu vermelden. Nur eine fehlgeleitete Rakete oder Bombe, die Amerikaner
geben keine Auskunft darüber, soll in einen Wohnblock eingeschlagen
sein und dabei irakische Zivilisten getötet haben. Der Blitzkrieg
des George W. Bush ist keiner mehr. Er warnt mittlerweile seine
Bevölkerung vor einer "länger andauernden Auseinandersetzung".
Ein Ende sei nicht in Sicht, aber der Sieger stehe fest, so in etwa
der Wortlaut des "fiktiv gewählten" US-Präsidenten.
In
der letzten Woche fielen mir ein paar Dinge auf, die nun hier ihre
Erwähnung finden sollen. Zum einen fand letzte Woche die 75.
Oscar-Verleihung statt. Im Vorfeld gab es bereits ein Riesen-Tra-Ra
wegen des begonnenen Bush-Feldzugs gegen den Irak Saddam Husseins.
Egal ob nun Sean Penn, der eigens in den Irak reiste um sich ein
Bild zu machen oder die nimmermüde Kriegsgegnerin Susan Sarandon,
wer wirklich etwas zum Thema Krieg zu sagen hatte, machte seinem
Ärger Luft. Dustin Hoffman und George Clooney taten dies auf
der diesjährigen Berlinale. Martin Sheen und Susan Sarandon
per Werbespot im Fernsehen. Was danach passierte, erinnerte an die
Kommunisten-Hatz in Amerika in den 50er Jahren. Gemobbt, ausgebootet
und von der Oscar-Verleihung wieder ausgeladen. Der Patriotismus,
in Amerika normalerweise bereits mit der Muttermilch aufgesogen,
wurde den obigen Personen aberkannt. Am Ende ging es soweit, dass
manche um ihre Jobs fürchten mussten, wie etwa Martin Sheen,
der in einer Serie schon seit geraumer Zeit den US-Präsidenten
mimt. Kleine Anekdote am Rande: Bush bereitet ein Gesetz vor, dass
es erlaubt, die Staatszugehörigkeit eines amerikanischen Bürgers
zu löschen, falls er in Terrorverdacht steht. Das erinnert
ein bisschen an den päpstlichen Bannstrahl des Mittelalters.
Vogelfrei, statt Amerikaner.
Bei
der Oscar-Verleihung selbst, wurde der rote Teppich etwas zurückgefahren,
das Drumherum entsprach nicht ganz dem Glamour der letzten Jahre,
aber absagen wollte man die Feier auch nicht. Schließlich
heißt es ja auch: "The show must go on". Die Oscar-Verleihung
gilt in der Allgemeinheit als unpolitische Veranstaltung, trotzdem
wurde sie oft als Bühne für Politik genutzt. Meistens
kämpften Minderheiten um mehr Anerkennung. Im letzten Jahr
war es beispielsweise Halle Berry, die in einer flammenden Rede
und in Tränen ihren Oscar "jedem farbigen Schauspieler"
widmete, der nun die Chance eauf "offene Türen" und
damit neue, gute Rollen hätte. In diesem Jahr hätte man
so etwas von der Mexikanerin Salma Hayek, bekannt geworden durch
Robert Rodriguez-Filme wie "Desperado" oder "From
dusk till dawn", erwartet, die sich bereits seit Jahren über
ihre Rollen als "typische Mexikanerin" aufgeregt hat.
In diesem Jahr waren sie und "ihr" Lebenswerk "Frida",
ein Film über die mexikanische Malerin Frida Kahlo, für
den Oscar nominiert. Aber den Oscar für die beste weibliche
Hauptrolle bekam Nicole Kidman, den für den besten Film, das
Musical "Chicaco". Letzteres war übrigens der große
Abräumer dieses Jahr. Aus Angst vor politisch diskriditierenden
Äußerungen wurde sogar die Redezeit der Oscargewinner
auf 45 Sekunden begrenzt. Was bei den ersten Gewinnern noch witzig
wirkte, wenn der Danksagungsschwall nach 45 Sekunden mit immer lauter
werdender Musik und in den Boden versinkenden Mikrofon abgewürgt
wurde, mutete dann allerdings bei einer Person eher deplaziert an
und hätte durchaus als Zensur oder Eingriff in die Meinungsfreiheit
verstanden werden können. Aber das ist ja mittlerweile im Amerika
dieses Jahrtausend nichts neues mehr.
Getroffen
hat es den Dokumentarfilmer Michael Moore. Falls sie ihn
noch nicht kennen sollten, lesen Sie die anderen Kolumnen hier,
er wird mehrere Male "zitiert". Allerdings gehören
Sie dann auch zu denjenigen Besuchern dieser Seite, die sein Buch
"Stupid white men" noch nicht gelesen haben. Es steht
mittlerweile seit mehreren Wochen an der Spitze der "Spiegel"-Bestseller-Liste.
Wenn Sie mich fragen: zu Recht!!! Geehrt bzw. mit dem Oscar ausgezeichnet
wurde er für seinen Doku-Film "Bowling for Columbine".
Zum Inhalt hat dieser Film das Waffengebaren der Amerikaner. Als
Aufhänger diente das Schulmassaker von Littleton. Moore versucht
die Hintergründe zu erkunden und stellt bei seinen Recherchen
u.a. beim NRA (National Rifle Association)-Boss Charlton Heston,
unwillkürlich anmutende Zusammenhänge von diversen Zufälligkeiten
her. Er sieht diesen Film jedoch nicht nur als rein deskriptives
Werk an, er bringt nebenbei die Einzelhandelskette K-mart auch dazu
Patronen aus seinem "normalen" Verkaufssortiment zu nehmen.
Natürlich kommt auch George W. Bush und seine Regierungsclique
bei diesem Film nicht ganz unbeschadet über die Runden, aber
im Mittelpunkt steht die Liebe der Amerikaner zu ihren Waffen. Das
geht soweit, dass in Amerika eintausend mal mehr Menschen an Waffengewalt
sterben, als in Kanada. Und dies, obwohl beide Länder in etwa
die gleiche Waffendichte besitzen!!!
Moore
erhielt den Oscar und konnte sich ein Statement zur "Lage der
Nation" natürlich nicht verkneifen. In diversen Zeitungen
war er vorher bereits als Top-Störenfried der Veranstaltung
bezeichnet worden, falls er einen Oscar erhalten würde. Ed
Harris, als beste Nebenrolle nominiert und leer ausgegangen, wurde
in diesem Zusammenhang der zweite Platz eingeräumt. Als Moore
seine mit ihm in der Kategorie Nominierten auf die Bühne brachte,
ging es los. Stehende Ovationen für ihn. Als er dann nach den
üblichen Danksagungen aber begann, über die politische
Situation in Amerika herzuziehen, fanden sich auch erste laute Buhrufe
aus dem Publikum. Wobei hier unterschieden werden muss, zwischen
Bush-Anhängern und solchen, die lediglich eine unpolitische
Veranstaltung sehen wollten, meinten danach irgendwelche Hollywood-Experten.
Moore sprach von "einer schwierigen Zeit, einer Zeit der fiktive
Wahlergebnisse und fiktiven Kriegsgründe (von einem fiktiven
Präsidenten)".
"SHAME
on you, Mr. Bush, shame on you!"
Gleichzeitig
startete die Musik und Moore verließ mit seinen "Teamstern"
(meinte danach der Moderator dieser Oscar-Verleihung Steve Martin)
den Saal. Für diesen Auftritt hat es sich gelohnt, so früh
aufzustehen. Das können Sie mir glauben. Auch weitere Akteure
machten ihrem Ärger Luft, aber verhaltener und diskreter. Die
Frauen trugen i.A. schwarze Kleider, wie Julia Roberts beispielsweise,
die Herren hatten sich an ihre zumeist schwarzen Anzüge ein
"Symbol des Friedens und der Solidarität" angesteckt.
Falls Sie mich nun fragen, was soll das hier eigentlich, möchte
ich Ihnen nur ans Herz legen, sich "Stupid white men"
zu kaufen und zu versuchen "Bowling for Columbine" wenn
irgend möglich in einem Kino zu sehen. Ansonsten warten Sie
auf die DVD oder das Video. Vieles wird Ihnen danach klarer erscheinen.
Die
Liebe der Amerikaner zu ihren Waffen ist für die übliche
Welt, besonders für das alte Europa, fast schon pervers. In
der ersten Kriegswoche im Irak sind mehr Briten durch amerikanische
Hand gestorben, als im Kampf mit den Irakis. Hier stürzt ein
von einer amerikanischer Rakete getroffener Hubschrauber der Briten
ab, dort eröffnen amerikanische Soldaten das Feuer auf britische
Journalisten usw. Aber auch die Amerikaner selbst haben mittlerweile
Kollateralschäden zu vermelden. So sprengte sich etwa ein amerikanischer
Soldat in Kuwait zwischen seinen Kameraden in die Luft. Das haben
sich die strategischen Köpfe im Weiße Haus sicherlich
anders vorgestellt. Die von Hussein bereits vor 12 Jahren ausgerufene
"Mütter aller Schlachten" scheint mehr nach dem irakischen
Gusto zu verlaufen. Ein bisschen Häme kann man da nicht verbergen,
allerdings ist jedes Opfer dieses Krieges, egal ob auf irakischer
oder anglo-amerikanischer Seite, ein Opfer zuviel. Die Frage, ob
ein George W. Bush diese Einsicht eines Tages auch noch erreicht,
bleibt abzuwarten. Derzeit freuen sich nur die Kuwaitis über
den anglo-amerikanischen Einfall im Irak. Die haben allerdings auch
noch eine Rechnung mit Hussein offen. Selber kämpfen wollen
sie aber nicht.
Vielleicht
waren die Ereignisse der ersten Kriegswoche bezeichnend für
den weiteren Kriegsverlauf. Die Amerikaner haben die Irakis deutlich
unterschätzt. Keine Aufstände und Revolten gegen das Husseinsche
Regime, kaum Überläufer, dafür aber ein harter Widerstand
der irakischen Streitkräfte. Bisher ist nur Umm-Kasr eingenommen.
Die Hafenstadt ist nun unter britischer Kontrolle. Dies birgt, laut
dem Nahost-Experten Scholl-Latour jedoch weiteren Sprengstoff, da
es die Briten waren, die vor mehr als 50 Jahren die heutigen Grenzen
des Irak willkürlich gezogen haben und zuvor als Besatzungsmacht
vor Ort waren. Basra leistet ebenso Widerstand wie andere Orte,
die die Amerikaner nun auf ihrem Weg nach Bagdad erst einnehmen
müssen. Und bald kommt die Hitze des Sommers. Erste Sandstürme
zeigten zudem, dass nicht alles vorhersagbar ist. Außer vielleicht:
Saddam Hussein ist nicht mehr im Besitz von biologischen, chemischen
und atomaren Massenvernichtungswaffen. Letztere hat er ja sowieso
nie besessen.
Der
Medienkampf der beiden Widersacher Bush und Hussein geht also in
die zweite Runde. Dabei ist nicht etwa Hussein angeknockt, derzeit
wird eher George W. Bush angezählt. Die Proteste gegen den
Krieg jedenfalls zeigen ein eindeutiges Bild.
Ciao,
Euer Campi
P.S.:
Den Oscar für den besten ausländischen Film gewann "Nirgendwo
in Afrika", ein deutscher Film von Caroline Link.
zurück
zum "Corner"
|