Campis Corner: Rüstungsaktien
von Thomas Badtke

Moin,

der Krieg im Irak ist, wie es scheint, zu Ende. An der Börse sollten also die Aktien zulegen, die Gold- und Ölpreise fallen. So wurde es von den Strategen zumindest vorhergesagt. Als Anleger hätte man meinen müssen, wenn es zum Krieg kommt, dann sollten doch Rüstungsaktien definitiv davon profitieren. Wenn man dann sein Gewissen mal außen vor lässt, aus dem Elend anderer Gewinn schlagen zu wollen, wäre es das logischste gewesen, Rüstungsaktien ins Depot zu nehmen. Amerika bietet ja eine Menge davon.

Da wäre etwa das eher als Passagierflugzeughersteller bekannte Unternehmen Boeing. Der drittgrößte Rüstungskonzern der USA stellt aber neben den bekannten "Jumbos" auch Apache-Hubschrauber und Kampfflugzeuge vom Typ "Hornet" her. Ähnlich ist es bei General Dynamics. Eher für seine "Gulfstream"-Privatjets bekannt, verdingt sich das Unternehmen auch als Kriegsschiff- und Panzerproduzent. Bekannter sind da schon Lockheed Martin und Northrop Grumman. Letztere bauen den Tarnkappenbomber "B-2". Lockheed Martin ist u.a. im "Oscar"-prämierten Film "Bowling for Columbine" verewigt. Richtig bekannt ist man aber als Hersteller des Kampfjets "F-16". Raytheon, die Nummer vier der Branche in den Staaten, bastelt derzeit am sogenannten "Joint Strike Fighter", für den man den höchstdatierten Rüstungsauftrag der Welt von der US-Regierung erhalten hat. Zudem ist Raytheon der Produzent der "Tomahawk"-Marschflugkörper. Der Stückpreis dieser Raketen liegt bei 500.000 bis 700.000 US-Dollar. Mit etwas technologischem Schnick-Schnack kann so eine "Tomahawk" schon mal locker eine Million US-Dollar kosten. Bei mehr als 3.000 Stück, die in den ersten beiden Kriegswochen abgefeuert wurden, kommt da ein schönes Sümmchen für den Rüstungsriesen zusammen.

Die Kurse hätten also abgehen müssen wie die sprichwörtliche Rakete selbst, aber nix da. Nur kurz zogen die Titel an den Börsen an. Zum Jahreswechsel etwa konnten alle Rüstungsaktien kurz zulegen. Die Kurgewinne bewegten sich dabei zwischen 10 (Northrop Grumman), 15 (Raytheon) und 20 Prozent (Lockheed Martin). Das Kursfeuerwerk dauerte allerdings nicht lange. Wahrscheinlich hatte man die Nachbrenner vergessen. Nimmt man die Kurse des letzten halben Jahres, dann brachten Engagements in diese drei Titel Kursverluste in Höhe von mehr als 10 (Raytheon), 27 (Lockheed Martin) und 33 Prozent (Northrop Grumman). Cash burner statt Nachbrenner.

Nach den Gründen wurde nur unzulänglich gesucht. Während Boeing und General Dynamcis eher wegen ihrer Nicht-Rüstungsbereichen schwächeln, fällt diese Ausrede bei den obigen Drei weg. Lockheed Martin hätte von den mehreren tausend "Tomahawks", die hauptsächlich im Irak, ab und an auch mal in Saudi-Arabien einschlugen, doch Profit ziehen müssen, schließlich muss das Pentagon doch Nachbestellungen tätigen, um die Lager aufzufüllen! Stimmt eigentlich. Aber die amerikanische Administration hat schon sehr früh, weit vor Kriegsbeginn die "Tomahawks"-Depots aufgefüllt. Die Kurse konnten davon in den letzten Monaten nicht profitieren.

Die anderen Titel hätten doch wegen des enorm gestiegenen Verteidigungsetats zulegen müssen! Eigentlich richtig. Aber wie so oft: den Experten und Händlern ist dieses Wachstum des Verteidigungsetats in den USA zu gering. Für Europäer schwer vorstellbar, aber die Analysten von Merrill Lynch sehen genau darin das Problem. Richard Bernstein, Chefstratege bei Merrill Lynch etwa, sah auch nach den ersten Erfolgen im Krieg, kein Bedürfnis zum Kauf der Rüstungsaktien zu raten. Das für die Zukunft langsamer wachsende Verteidigungsbudget wiege schwerer, als die Möglichkeit, dass die Produkte dauernd im Fernsehen zu sehen seien, so in etwa sein Tenor. Erschwerend hinzu kommen noch gestiegene Pensionsverpflichtungen und fehlgeschlagene Investitionen. Bernstein sah und sieht noch keinen Kaufbedarf bei den US-Rüstungstiteln.

Geringe KGVs, und das trotz allem steigende Verteidigungsbudget sind für Tobias Levkovich von Salomon Smith Barney dagegen Gründe für Langfristanleger in Rüstungsaktien zu investieren. Lockheed Martin und Northrop Grumman empfiehlt er mittelfristigen Anlegern. Die Aktien seien nicht nur niedrig bewertet, sondern gelten als geradezu billig. George Shapiro, ebenfalls bei Salomon tätig, meint sogar, dass der Rüstungsbranche eine mehrjährige Hausse bevorsteht. Dank der Hoffnung auf ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum sollen die Rüstungstitel den Gesamtmarkt outperformen. Was allerdings bisher kaum in die Kalküle der Chefstrategen an der Börse eingeflossen ist, ist die Tatsache, dass ein Ende des Irakkrieges bereits der Anfang eines weiteren Krieges sein könnte. So warnten Powell, Perle und Bush bereits den souveränen Staat Syrien, strikter Gegner des Irakkrieges, die ehemaligen Potentaten aus dem Irak aufzunehmen. Auch die Beherbergung von Massenvernichtungswaffen könnten gegen Damaskus geltend gemacht werden. Syrien bestreitet bisher alle Vorwürfe. Alles erinnert an die Situation vor dem Beginn des Irakkrieges der Anglo-Amerikaner. Auch die Widerworte der Arabischen Liga, die davor warnten, das derzeitige "explosive Klima" in der Region weiter anzuheizen. Mussa, Generalsekretär der Arabischen Liga, hält die Vorwürfe der Amerikaner für "unverständlich".

"The same procedure…..." Vielleicht können die amerikanischen Rüstungsaktien ja von einem weiteren Krieg profitieren? Charttechnisch spricht nichts dafür. Politisch und weltwirtschaftlich wäre ein weiterer Krieg basierend auf Halbwahrheiten und Propaganda der wahrscheinlich letzte Sargnagel für die Weltkonjunktur, inklusive Rüstungsaktien. Außerdem: in knapp zwei Wochen heißt es eh: Sell in may and go away. Das Gewissen sollte damit erst einmal wieder beruhigt sein.

Ciao,
Euer Campi

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