"So,
wie auf den nächsten fünfzehnhundert Seiten zu sehen,
haben wir angefangen, sind wir angefangen worden. Drei britische
Soldaten in Hannover, ein Major und zwei Stabsfeldwebel, wollten
die besiegten Deutschen für die menschliche Kultur zurückgewinnen,
und das Instrument, das sie sich für diesen Zweck ausgedacht
hatten, waren wir." So stand es in "Der Spiegel"
des ersten Jahrgangs 1947 zu lesen. Geschrieben vom Herausgeber
und damaligen Chefredakteur Rudolf Augstein.
Rudolf
Augstein ist tot.
Der in Hannover geborene und 1999 zum "Journalisten des Jahrhunderts"
gewählte Herausgeber des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel"
starb im Alter von 79 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.
Der ehemalige Chefredakteur des bekanntesten deutschen und ehemals
auflagenstärksten Nachrichtenmagazins in Europa schrieb mit
seinem Magazin, dass er selbst als "Sturmgeschütz der
Demokratie" bezeichnete, deutsche Journalismusgeschichte.
Nach
der Einstellung des Vorläufers des "Spiegel", genannt
"Diese Woche", wurde Augstein als einer von drei Lizenzinhabern
quasi die tonangebende Schlüsselfigur der Nachkriegspresse
im neu entstandenen demokratischen Deutschland. Die Startauflage,
deren Preis bei 1 Reichsmark gelegen hatte, betrug damals 15.000
Stück. Eng mit den SPD-Persönlichkeiten Schumacher und
Brandt verbunden, unterstützte er vor allem die "Öffnung
und Aussöhnung Deutschlands mit dem Osten", Brandts Bemühen
um eine Wiedervereinigung Deutschlands.
Bereits im Jahr 1950 wurde der erste parlamentarische Untersuchungsausschuss
aufgrund eines Artikels im Spiegel eingesetzt. Zum Inhalt hatte
er die Abstimmung zur Wahl der neuen Bundeshauptstadt, bei der es
zu Bestechungen von Politikern zugunsten Bonns und gegen Frankfurt/Main
gekommen sein soll.
Der "Politik der Westintegration" des ersten deutschen
Bundeskanzlers Adenauer stand er dagegen kritisch gegenüber.
Auch weil er darin eines seiner Lebensziele, die deutsche Wiedervereinigung
in Gefahr sah.
Allen
bekannt ist die sogenannte "Spiegel-Affäre" (Titel:
Bedingt abwehrbereit) des Jahres 1962, aufgrund dieser Augstein
für mehr als Hundert Tage inhaftiert wurde. Der Herausgeber
sah darin einen Angriff auf "sein" Magazin. Die Öffentlichkeit
stand jedoch hinter ihm und dem immer montags erschienendem "Spiegel".
Zu Tausenden gingen sie auf die Straße um für die Freiheit
Augsteins und indirekt damit auch für die Pressefreiheit und
die von Augstein postulierte Demokratie zu demonstrieren. Der erste
Politskandal wurde zum Wendepunkt in der deutschen Nachkriegspolitik.
Es war der Anfang vom Ende der Regierung Adenauer. Der damalige
Bundeskanzler sprach vom "Landesverrat", als Interna über
ein Nato-Manöver aus dem Verteidigungsministerium an die Öffentlichkeit
gelangten. Der damalige Minister dieses Regierungsressorts Franz
Josef Strauß stolperte über die "Spiegel-Affäre"
und die Verhaftung Augsteins. Strauß musste kurz darauf zurücktreten.
Der Popularität des "Straußenjäger" Augstein
und seinem Wochenmagazin, welches mittlerweile nach Hamburg umgezogen
war, tat dies keinen Abbruch. Die Auflage stieg bis Ende 1966 auf
über 900.000 Stück.
Nach einem dreimonatigem Gastspiel als FDP-Bundestagsabgeordneter
in Bonn, kümmerte er sich wieder zu "100 Prozent"
seinem Magazin, schlug "Breschen für die Wahrheit",
bis zuletzt. Obwohl er die Chefredaktion des Blattes an Stefan Aust
abgegeben hatte, war die Person Augstein immer omnipräsent.
Im positiven Sinne.
Als einen der "wichtigsten deutschen Journalisten und unbeugsamen
Demokraten" hat der amtierende Bundespräsident Johannes
Rau den "Spiegel"-Herausgeber gewürdigt. Bundeskanzler
Schröder bezeichnet Augstein als "einen der bedeutendsten
publizistischen Wegbereiter unseres Landes". Außenminister
Fischer spricht über Augstein als die "große Gründerfigur
des deutschen Nachkriegsjournalismus". Augstein selbst bezeichnete
sich als "positiven Zyniker".
Zu hoffen ist, das Rudolf Augstein in den Köpfen aller unvergesslich
bleibt und auch weiterhin ganze Generationen, nicht nur von Journalisten,
prägen wird
Rau: "Unser Land ist ärmer ohne ihn."
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