Nachruf: Rudolf Augstein
von Thomas Badtke

"So, wie auf den nächsten fünfzehnhundert Seiten zu sehen, haben wir angefangen, sind wir angefangen worden. Drei britische Soldaten in Hannover, ein Major und zwei Stabsfeldwebel, wollten die besiegten Deutschen für die menschliche Kultur zurückgewinnen, und das Instrument, das sie sich für diesen Zweck ausgedacht hatten, waren wir." So stand es in "Der Spiegel" des ersten Jahrgangs 1947 zu lesen. Geschrieben vom Herausgeber und damaligen Chefredakteur Rudolf Augstein.

Rudolf Augstein ist tot.
Der in Hannover geborene und 1999 zum "Journalisten des Jahrhunderts" gewählte Herausgeber des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" starb im Alter von 79 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Der ehemalige Chefredakteur des bekanntesten deutschen und ehemals auflagenstärksten Nachrichtenmagazins in Europa schrieb mit seinem Magazin, dass er selbst als "Sturmgeschütz der Demokratie" bezeichnete, deutsche Journalismusgeschichte.

Nach der Einstellung des Vorläufers des "Spiegel", genannt "Diese Woche", wurde Augstein als einer von drei Lizenzinhabern quasi die tonangebende Schlüsselfigur der Nachkriegspresse im neu entstandenen demokratischen Deutschland. Die Startauflage, deren Preis bei 1 Reichsmark gelegen hatte, betrug damals 15.000 Stück. Eng mit den SPD-Persönlichkeiten Schumacher und Brandt verbunden, unterstützte er vor allem die "Öffnung und Aussöhnung Deutschlands mit dem Osten", Brandts Bemühen um eine Wiedervereinigung Deutschlands.
Bereits im Jahr 1950 wurde der erste parlamentarische Untersuchungsausschuss aufgrund eines Artikels im Spiegel eingesetzt. Zum Inhalt hatte er die Abstimmung zur Wahl der neuen Bundeshauptstadt, bei der es zu Bestechungen von Politikern zugunsten Bonns und gegen Frankfurt/Main gekommen sein soll.
Der "Politik der Westintegration" des ersten deutschen Bundeskanzlers Adenauer stand er dagegen kritisch gegenüber. Auch weil er darin eines seiner Lebensziele, die deutsche Wiedervereinigung in Gefahr sah.

Allen bekannt ist die sogenannte "Spiegel-Affäre" (Titel: Bedingt abwehrbereit) des Jahres 1962, aufgrund dieser Augstein für mehr als Hundert Tage inhaftiert wurde. Der Herausgeber sah darin einen Angriff auf "sein" Magazin. Die Öffentlichkeit stand jedoch hinter ihm und dem immer montags erschienendem "Spiegel". Zu Tausenden gingen sie auf die Straße um für die Freiheit Augsteins und indirekt damit auch für die Pressefreiheit und die von Augstein postulierte Demokratie zu demonstrieren. Der erste Politskandal wurde zum Wendepunkt in der deutschen Nachkriegspolitik. Es war der Anfang vom Ende der Regierung Adenauer. Der damalige Bundeskanzler sprach vom "Landesverrat", als Interna über ein Nato-Manöver aus dem Verteidigungsministerium an die Öffentlichkeit gelangten. Der damalige Minister dieses Regierungsressorts Franz Josef Strauß stolperte über die "Spiegel-Affäre" und die Verhaftung Augsteins. Strauß musste kurz darauf zurücktreten. Der Popularität des "Straußenjäger" Augstein und seinem Wochenmagazin, welches mittlerweile nach Hamburg umgezogen war, tat dies keinen Abbruch. Die Auflage stieg bis Ende 1966 auf über 900.000 Stück.
Nach einem dreimonatigem Gastspiel als FDP-Bundestagsabgeordneter in Bonn, kümmerte er sich wieder zu "100 Prozent" seinem Magazin, schlug "Breschen für die Wahrheit", bis zuletzt. Obwohl er die Chefredaktion des Blattes an Stefan Aust abgegeben hatte, war die Person Augstein immer omnipräsent. Im positiven Sinne.

Als einen der "wichtigsten deutschen Journalisten und unbeugsamen Demokraten" hat der amtierende Bundespräsident Johannes Rau den "Spiegel"-Herausgeber gewürdigt. Bundeskanzler Schröder bezeichnet Augstein als "einen der bedeutendsten publizistischen Wegbereiter unseres Landes". Außenminister Fischer spricht über Augstein als die "große Gründerfigur des deutschen Nachkriegsjournalismus". Augstein selbst bezeichnete sich als "positiven Zyniker".
Zu hoffen ist, das Rudolf Augstein in den Köpfen aller unvergesslich bleibt und auch weiterhin ganze Generationen, nicht nur von Journalisten, prägen wird

Rau: "Unser Land ist ärmer ohne ihn."

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