Moin,
ich
komme , obwohl Gott weiß, dass ich es versucht habe, nicht
am Thema USA vorbei. Dieses Mal geht es allerdings nicht um die
Außenpolitik, sondern um die Wirtschaft. In erster
Linie um das versprochene und bereits mehrfach angesprochene Steuersenkungsprogramm
der Administration Bush. Was nämlich in den deutschen Medien
nahezu untergegangen ist: Es wurde genehmigt. Mit 51 Ja- und 50
Nein-Stimmen wurde es am 23. Mai im amerikanischen Senat verabschiedet.
Die ausschlaggebende Ja-Stimme steuerte der Senatspräsident
himself, Vize-Präsident Dick Cheney bei. Die Demokraten zeigten
zur Abwechslung mal Einigkeit und votierten geschlossen gegen das
Steuersenkungsprogramm. Mit einem Volumen von 350 Mrd. US-Dollar
ist es das drittgrößte in der bisherigen US-Geschichte.
Es soll sich über einen Zeitraum von zehn Jahren erstrecken.
Experten meinen, dass das Volumen problemlos auf 800 Mrd. US-Dollar
erweitert werden könne. Und hier kommt Deutschland ins Spiel.
Auf dem Treffen der G8 (G7 und Russland genaugenommen) im französischen
Evian, hörte man erstmals aus dem sozialdemokratischen Lager,
dass auch eine Schuldenerhöhung nunmehr denkbar sei, um die
Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen. Das Kieler Institut für
Weltwirtschaft sagte erst kürzlich Wachstumsprognosen für
die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr von sage und schreibe 0,0
Prozent voraus. Jawoll. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen,
dass das quasi kein Wachstum mehr ist, ich tu es aber trotzdem und
zwar aus dem Grund, dass unser oberster Herr über die Finanzen
Hans Eichel noch immer mit einem Wachstum von 0,75 Prozent rechnet.
Seiner Meinung nach gewinnt die deutsche Wirtschaft deutlich an
Fahrt - im dritten Quartal diesen Jahres allerdings erst. Also weiter
Geduld wahren ist angesagt.
Eigentlich spielen diese Zahlen ja keine Rolle, da erst ab 2,5 bis
drei Prozent Wirtschaftswachstum neue Arbeitsplätze entstehen,
sagt die herrschende Lehrmeinung an den deutschen Wirtschaftsuniversitäten.
Da passt auch noch ins Bild, dass man für die BfA ein Defizit
in diesem Jahr von bis zu zehn Milliarden Euro und im kommenden
Jahr nochmals von bis zu fünf Milliarden Euro erwartet. Tja,
wenn es dick kommt, dann aber richtig.....
Nun
gibt es zwei verschiedene Meinungen, wie man aus dieser Krise wieder
herauskommt. Entweder man (in diesem Fall der Staat) investiert
bzw. fördert Investitionen, erhöht also die Ausgaben oder
man spart. Bisher hat es Eichel mit Sparen versucht. Mehr schlecht
als recht allerdings, weil er gar nicht so schnell mit dem Stopfen
der Haushaltslöcher nachgekommen ist, wie sich neue auftaten.
Die Amerikaner hingegen gehen den anderen Weg. Sie geben Geld aus.
Allerdings nicht über die Investitionsschiene. Bush und Konsorten
machen das, worüber in ganz Deutschland gestritten wird. Sie
haben den Sozialstaat bereits vor den Baum gefahren. Das verabschiedete
Steuersenkungsprogramm gilt vielerorts als reines Umverteilungsprogramm
zugunsten der Reichen. Das hört sich zwar wie aus einer Klassenkampfpostille
von Marx an, stellt aber die blanke Realität dar. Um mit Rolf
E. Breuer zu sprechen: "Peanuts". Peanuts sind es, die
z. B. kinderreiche Familien bekommen oder auch die Investitionsanreize
für Unternehmer. Der Großteil des Programms, rund 90
Prozent, kommt den sogenannten "oberen Zehntausend" zu
Gute oder etwas unverfänglicher ausgedrückt: den amerikanischen
Spitzenverdienern. So wird beispielsweise der maximale Steuersatz
auf Kapitalgewinne, egal welcher Couleur, von derzeit 20 auf 15
Prozent reduziert. In den 80er Jahren betrug er noch 40 Prozent.
Gleiches gilt für die Dividendeneinkünfte. Bisher wurden
diese nach dem jeweiligen persönlichen Einkommenssteuersatz
berechnet, maximal konnte er somit 38 Prozent betragen. Nun liegt
er ebenso bei 15 Prozent. Hmm, aber in Amerika hat doch jeder Aktien,
oder? Jein. In den Vereinigten Staaten verfügen die bereits
erwähnten "oberen Zehntausend", dieses mal sind die
oberen zehn Prozent der Einkommensklassen gemeint, über 70
Prozent des Aktienvermögens. Das Robin-Hood-Prinzip, es von
den Reichen zu nehmen, um es den Armen zu geben, wurde quasi umgedreht.
Warren Buffet gab zu verstehen, dass sich sein persönlicher
Einkommenssteuersatz von bisher 30 Prozent auf drei Prozent (!!!)
reduzieren wird, dank des Steuersenkungsprogramms der Bush-Regierung.
Gegner des Programms werden schon mal als "Anstifter zum Klassenkampf"
gebrandmarkt. Aber was macht das schon? Solange man nicht als Terrorist
eingestuft wird...
Der
amerikanische Staat erhöht also seine Ausgaben um die Rezession
oder Wirtschaftsschwäche zu überwinden. Kurzfristig betrachtet,
mag das okay sein. Allerdings treten in der Demografie der amerikanischen
Bevölkerung nun einige Besonderheiten zu Tage. Die sogenannte
Baby-Boomer-Generation, zu der auch ein George W. Bush gehört,
marschiert auf das Rentenalter zu. Das bedeutet, dass das bereits
arg in Mitleidenschaft gezogene soziale Netz in Amerika weiter belastet
wird. Ähnlich wie in Deutschland, werden durch die steigende
Zahl der Rentner, die Renten- und Gesundheitsausgaben stetig ansteigen.
Aus dieser Sicht betrachtet, erscheint das Haushaltsdefizit, dass
bereits in diesem Jahr bei rund 300 Mrd. US-Dollar liegen soll,
dank der stark expandierenden Ausgaben für das Militär
und den "Heimatschutz", als letzter Sargnagel für
den amerikanischen Finanznotstand. Galt vor ein paar Jahren, in
der Clinton-Ära, Amerika noch als Vorbild, weil es Haushaltsüberschüsse
einfuhr, ist es jetzt auf dem besten Weg zum Hinterbänkler
zu mutieren.
Das
die Lage ernst ist beweisen zwei Dinge. Zum einen erhöhte der
amerikanische Kongress, ebenfalls am 23. Mai, die Obergrenze für
die Regierungsverschuldung von bisherigen 6,4 Billionen US-Dollar
auf 7,38 Billionen US-Dollar. Das hört sich zwar nach einer
Menge Holz an, aber bei Defiziten von 300 bzw. 500 Mrd. US-Dollar
(letzteres erwartet für 2004) ist diese Obergrenze bereits
in ein bis zwei Jahren reine Makulatur. Für den Ernst der Lage
spricht auch die Tatsache, dass niemand darüber spricht. In
den Nachrichten in Amerika und weltweit erfährt man kaum etwas
darüber. Ab und an wird in einer Talkshow dann mal erwähnt,
dass Bush ein riesiges Steuersenkungsprogramm durchsetzen will bzw.
durchgesetzt hat und das Schröder und Eichel gut daran täten,
dasselbe zu tun.
Ich
hoffe, sie lassen es. Das Steuersenkungsprogramm von Bush birgt
noch eine weitere Gefahr. Durch den nahezu finanziellen Bankrott,
wird das Sozialsystem in Amerika ad acta gelegt. Ähnlich wie
nach dem 11. 9. 2001, als man die Terroranschläge als Grund
zur Beschneidung der Grundrechte von amerikanischen Bürgern
anführte, wird nun die katastrophale und vor allen Dingen selbst
verschuldete Haushaltskrise dazu genutzt, das amerikanische Sozialsystem
einzustampfen. Bisher wurde es in schlechten Zeiten nur "an
den Rändern beschnitten", meint der bekannte amerikanische
Ökonom Paul Krugman, was die Neokonservativen jetzt vorhaben,
ist das komplette "Zusammenstreichen der populären Sozialprogramme".
Gegen Krugman wird übrigens Rufmord betrieben, indem man ihm
der Verbreitung von Verschwörungstheorien bezichtigt.
Das
auch Deutschland nicht vor einer solchen neokonservativen Politik
gefeit ist, beweisen die Statements von Arbeitgeberpräsidenten
Hundt, der jüngst forderte, dass sich Azubis ihren Lohn "miteinander
teilen" sollen (wahrscheinlich nach dem Motto: Geteiltes Leid
ist halbes Leid.) und von Unionsfraktionsvize Merz, der eine "stärkere
Besteuerung der Rentner" forderte. Das lasse ich jetzt als
Abschluss dieser Kolumne einfach mal so stehen, "zur Vermehrung
der gewonnenen Einsichten", wie Frau Illner immer so schön
sagt.
Ciao,
Euer Campi
zurück
zum "Corner"
|