Campis Corner: Die USA als Weltpolizei
von Thomas Badtke

Moin,

das Sommerloch wirft seine ersten Schatten voraus. Die Top-Themen in den Medien werden immer dünner. Die Sendungen und Filme im Fernsehen noch seichterer. Die Wirtschaft zeigt erste Erholungstendenzen - wenn man denn einigen Politikern noch Glauben schenken kann. Aber die Menschen interessiert derzeit nur, wohin sie der nächste Urlaub wohl verschlagen wird. Die Sonne hat sich als Lieblingsland für diesen Sommer allem Anschein nach wohl Deutschland auserkoren und natürlich jammert man hierzulande über die unnormal hohen Temperaturen. Frei nach Remarque: Nichts neues also im Westen...

Wären da nicht die Sticheleien von amerikanischer Regierungsseite. Egal gegen wen, die Regierung Bush scheint sich bereits auf den nächsten verbalen Schlagabtausch unter der Gürtellinie einzustimmen. Der Weltpolizist lehnte erst jüngst den Internationalen Strafgerichtshof ab und gab damit dieser international anerkannte Institution der Lächerlichkeit preis. Bereits zum zweiten Mal erhalten US-Bürger damit sozusagen juristische Absolution, für die kommenden 12 Monate. Die Welt schreit abermals auf, aber ändern wird sich trotzdem nichts. Die USA entscheidet, was sinnvoll in ihren Augen erscheint und was ihrer Meinung nach absurd und unnütz ist. Die UNO scheint ein weiterer amerikanischer Prügelknabe zu sein. Statt den Internationalen Strafgerichtshof zu unterstützen und damit zu zeigen, dass man sich nicht über alle anderen Ländern stellt, versucht man nun über bilaterale Abkommen mit diversen Ländern aushandelt, die die Auslieferung von US-Bürgern und US-Soldaten unterbindet. Besonders aktiv ist man hierbei im EU-Anwärterraum. Die eingesetzten Mittel erinnern an alte, längst vergangene "Kalte-Kriegs-Maßnahmen". Erpressung heißt das Zauberwort. Jüngste Leidtragende waren die Slowenen. Sie sollten das bilaterale Abkommen mit den USA unterzeichnen. Ansonsten hätte man ihnen die Militärhilfe von immerhin acht Millionen US-Dollar gekürzt. Kaum auszudenken, was dann passieren könnte. Ein kleines Bonmot am Rande: Während Slowenien acht Millionen US-Dollar an Militärhilfe bekommt, beläuft sich die gesamte Entwicklungshilfe der USA auf nicht einmal eine Milliarde US-Dollar.

Einen weiteren Fettnapf erwischte der US-Verteidigungsminister Rumsfeld. Er scheint sowieso direkt von einem zum nächsten Fettnapf zu springen. Es könnte lustig sein, wenn die Lage nicht so ernst wäre. Er kündigte als Retour-Kutsche an, den Neubau des Nato-Hauptquartiers zu boykottieren, falls die Belgier auch in Zukunft ihr Gesetz zur "universellen Kompetenz bei Völkermord und Volksverbrechen" anwenden würden. Jüngstes "Opfer" dieses Gesetzes ist US-General Tommy Franks. Die Belgier hatten ihr Gesetz bereits deutlich abgeschwächt, indem sie künftig jede Anzeige gegen einen Bürger aus einem demokratischen Land sofort an dessen Heimatbehörden weiterleiten würden. In der Praxis würde es also den US-Behörden unterliegen, z. B. Franks des Völkermordes anzuklagen. Das dies never-ever geschehen wird, dürfte jedem einleuchten. Trotzdem beharren Rumsfeld und Konsorten auch weiterhin darauf, dass die Belgier dieses Gesetz abschaffen. Sogar eine Verlegung des Nato-Hauptquartiers wurde von Rumsfeld als Konsequenz des Nicht-Reagierens in den Raum gestellt.

Die Höhenluft, die die amerikanische Regierung seit ihrem "grandiosem" Sieg gegen den Irak atmet, scheint ihr nicht gut zu bekommen. Die alte, bereits immer schon vorhandene amerikanische Arroganz anderen Ländern, Völkern und deren Volksvertretern gegenüber, scheint sich dank des militärischen Erfolges in ungeahnte Höhen weiter zu entwickeln. Da dürften die jüngsten Unruhen im Gottes-Staat Iran den Machern und Planern hinter den US-Regierungskulissen wie gerufen Kommen. Bereits im Sommer 1999 gab es heftige Studentenunruhen im Land der Mullahs und obwohl der Iran als das demokratischste Land im Nahen Osten gilt, drängt die Jugend des Landes, immerhin der überwiegende Teil der Bevölkerung des Iran, immer mehr zur "Amerikanisierung". So scheint es zumindest. Die Mullahs, die Wächter der Religion, reagieren mit Härte. Die Bilder, die man bislang vereinzelt im TV sehen konnte, zeigen überwiegend vermummte Menschen. Die Unruhen werden zudem von außerhalb des Landes via Fernsehen von Exil-Iranern, hauptsächlich in Amerika lebend, angeheizt. Wer jetzt eins und eins zusammen zählt, könnte durchaus Vermutungen in der Richtung anstellen, dass die US-Regierung dieses Verhalten der Exil-Iraner unterstützt oder sie gar dazu aufgestachelt hat. Denn immerhin scheint somit ein eventuelles Eingreifen der "demokratischen Schutzmache der Welt", der USA, wahrscheinlicher zu werden. Noch hat der Iran keine Atombomben, die das Land unangreifbar machen würden. Und wie schnell ein Konflikt aus dem Ruder laufen kann, sieht man in Palästina. Kaum schlägt "Hamas" wieder zu, warum auch immer und unterstützt von wem auch immer, fühlen sich die Israelis dazu befugt, mit Kampfhubschraubern und schweren Panzern den jüngsten von George W. Bush "erdachten" Frieden ad acta zu legen. Selbst wenn es jemals Frieden zwischen den beiden "Ländern" geben sollte, könnte ein einzelner Attentäter, Terrorist, Freiheitskämpfer, Siedler usw. den Konflikt wieder aufbrechen lassen. Ohne das die Weltbevölkerung je erfahren wird, ob es wirklich ein palästinensischer Freiheitskämpfer oder nur ein verkleideter israelischer Geheimdienstler gewesen ist.

Und da wären wir wieder bei der Rolle der Medien. Der Bürgerkrieg im Kongo kam erst in die Schlagzeilen als Ausländer in Gefahr gerieten. Das bereits zuvor Millionen Kongolesen abgeschlachtet wurden, sah und las man nirgendwo. Aber immer wieder wird auf die knapp 3.000 Toten des WTC hingewiesen. Das hingegen mehrere hundert Verdächtige in Guantanamo Bay dahin vegetieren, mit amerikanischer Billigung, ohne menschenunwürdigen Verhältnissen, kann nicht nachgewiesen werden, da Menschenrechtsorganisationen nicht das Lager betreten dürfen. Nur das Internationale Rote Kreuz hat bisher Zutritt erhalten, aber auch nur begrenzt. Legt man dies alles zu Grunde, wird einem zumindest ersichtlich, warum die USA den Internationalen Strafgerichtshof ablehnen. Grob geschätzt, dürften wohl ¾ aller dort behandelten Fälle US-Bürger, US-Soldaten und US-Regierende als Angeklagte haben. Vielfach wahrscheinlich zu Recht. Die seit mehreren Jahrzehnten bekannte und mehrfach angewendete Siegerjustiz, auch im Irak daran erkennbar, dass ehemalige Saddam-Polizisten bereits wieder in Amt und Brot stehen, könnte dank des Internationalen Strafgerichtshofes verhindert werden. Das gefällt den Amerikanern natürlich gar nicht. Vor allem, wenn man erst am Anfang eines langen weltweiten Anti-Terror-Krieges steht.

Vielleicht sollten Sie in den kommenden Sommermonaten die Medien intensiver studieren als Sie es bisher getan haben, zwischen den Zeilen lesen usw., nach Hintergründen Ausschau halten. Schaden kann es nicht und etwaige Zusammenhänge werden erst so erkenn- und erschließbar. Mit diesen Worten wünsche ich allen Lesern einen wunderschönen, sonnigen Sommer!

Ciao,
Euer Campi

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