Moin,
das
Sommerloch wirft seine ersten Schatten voraus. Die Top-Themen in
den Medien werden immer dünner. Die Sendungen und Filme im
Fernsehen noch seichterer. Die Wirtschaft zeigt erste Erholungstendenzen
- wenn man denn einigen Politikern noch Glauben schenken kann. Aber
die Menschen interessiert derzeit nur, wohin sie der nächste
Urlaub wohl verschlagen wird. Die Sonne hat sich als Lieblingsland
für diesen Sommer allem Anschein nach wohl Deutschland auserkoren
und natürlich jammert man hierzulande über die unnormal
hohen Temperaturen. Frei nach Remarque: Nichts neues also im Westen...
Wären
da nicht die Sticheleien von amerikanischer Regierungsseite. Egal
gegen wen, die Regierung Bush scheint sich bereits auf den nächsten
verbalen Schlagabtausch unter der Gürtellinie einzustimmen.
Der Weltpolizist lehnte erst jüngst den Internationalen Strafgerichtshof
ab und gab damit dieser international anerkannte Institution der
Lächerlichkeit preis. Bereits zum zweiten Mal erhalten US-Bürger
damit sozusagen juristische Absolution, für die kommenden 12
Monate. Die Welt schreit abermals auf, aber ändern wird sich
trotzdem nichts. Die USA entscheidet, was sinnvoll in ihren Augen
erscheint und was ihrer Meinung nach absurd und unnütz ist.
Die UNO scheint ein weiterer amerikanischer Prügelknabe zu
sein. Statt den Internationalen Strafgerichtshof zu unterstützen
und damit zu zeigen, dass man sich nicht über alle anderen
Ländern stellt, versucht man nun über bilaterale Abkommen
mit diversen Ländern aushandelt, die die Auslieferung von US-Bürgern
und US-Soldaten unterbindet. Besonders aktiv ist man hierbei im
EU-Anwärterraum. Die eingesetzten Mittel erinnern an alte,
längst vergangene "Kalte-Kriegs-Maßnahmen".
Erpressung heißt das Zauberwort. Jüngste Leidtragende
waren die Slowenen. Sie sollten das bilaterale Abkommen mit den
USA unterzeichnen. Ansonsten hätte man ihnen die Militärhilfe
von immerhin acht Millionen US-Dollar gekürzt. Kaum auszudenken,
was dann passieren könnte. Ein kleines Bonmot am Rande: Während
Slowenien acht Millionen US-Dollar an Militärhilfe bekommt,
beläuft sich die gesamte Entwicklungshilfe der USA auf nicht
einmal eine Milliarde US-Dollar.
Einen
weiteren Fettnapf erwischte der US-Verteidigungsminister Rumsfeld.
Er scheint sowieso direkt von einem zum nächsten Fettnapf zu
springen. Es könnte lustig sein, wenn die Lage nicht so ernst
wäre. Er kündigte als Retour-Kutsche an, den Neubau des
Nato-Hauptquartiers zu boykottieren, falls die Belgier auch in Zukunft
ihr Gesetz zur "universellen Kompetenz bei Völkermord
und Volksverbrechen" anwenden würden. Jüngstes "Opfer"
dieses Gesetzes ist US-General Tommy Franks. Die Belgier hatten
ihr Gesetz bereits deutlich abgeschwächt, indem sie künftig
jede Anzeige gegen einen Bürger aus einem demokratischen Land
sofort an dessen Heimatbehörden weiterleiten würden. In
der Praxis würde es also den US-Behörden unterliegen,
z. B. Franks des Völkermordes anzuklagen. Das dies never-ever
geschehen wird, dürfte jedem einleuchten. Trotzdem beharren
Rumsfeld und Konsorten auch weiterhin darauf, dass die Belgier dieses
Gesetz abschaffen. Sogar eine Verlegung des Nato-Hauptquartiers
wurde von Rumsfeld als Konsequenz des Nicht-Reagierens in den Raum
gestellt.
Die
Höhenluft, die die amerikanische Regierung seit ihrem "grandiosem"
Sieg gegen den Irak atmet, scheint ihr nicht gut zu bekommen. Die
alte, bereits immer schon vorhandene amerikanische Arroganz anderen
Ländern, Völkern und deren Volksvertretern gegenüber,
scheint sich dank des militärischen Erfolges in ungeahnte Höhen
weiter zu entwickeln. Da dürften die jüngsten Unruhen
im Gottes-Staat Iran den Machern und Planern hinter den US-Regierungskulissen
wie gerufen Kommen. Bereits im Sommer 1999 gab es heftige Studentenunruhen
im Land der Mullahs und obwohl der Iran als das demokratischste
Land im Nahen Osten gilt, drängt die Jugend des Landes, immerhin
der überwiegende Teil der Bevölkerung des Iran, immer
mehr zur "Amerikanisierung". So scheint es zumindest.
Die Mullahs, die Wächter der Religion, reagieren mit Härte.
Die Bilder, die man bislang vereinzelt im TV sehen konnte, zeigen
überwiegend vermummte Menschen. Die Unruhen werden zudem von
außerhalb des Landes via Fernsehen von Exil-Iranern, hauptsächlich
in Amerika lebend, angeheizt. Wer jetzt eins und eins zusammen zählt,
könnte durchaus Vermutungen in der Richtung anstellen, dass
die US-Regierung dieses Verhalten der Exil-Iraner unterstützt
oder sie gar dazu aufgestachelt hat. Denn immerhin scheint somit
ein eventuelles Eingreifen der "demokratischen Schutzmache
der Welt", der USA, wahrscheinlicher zu werden. Noch hat der
Iran keine Atombomben, die das Land unangreifbar machen würden.
Und wie schnell ein Konflikt aus dem Ruder laufen kann, sieht man
in Palästina. Kaum schlägt "Hamas" wieder zu,
warum auch immer und unterstützt von wem auch immer, fühlen
sich die Israelis dazu befugt, mit Kampfhubschraubern und schweren
Panzern den jüngsten von George W. Bush "erdachten"
Frieden ad acta zu legen. Selbst wenn es jemals Frieden zwischen
den beiden "Ländern" geben sollte, könnte ein
einzelner Attentäter, Terrorist, Freiheitskämpfer, Siedler
usw. den Konflikt wieder aufbrechen lassen. Ohne das die Weltbevölkerung
je erfahren wird, ob es wirklich ein palästinensischer Freiheitskämpfer
oder nur ein verkleideter israelischer Geheimdienstler gewesen ist.
Und
da wären wir wieder bei der Rolle der Medien. Der Bürgerkrieg
im Kongo kam erst in die Schlagzeilen als Ausländer in Gefahr
gerieten. Das bereits zuvor Millionen Kongolesen abgeschlachtet
wurden, sah und las man nirgendwo. Aber immer wieder wird auf die
knapp 3.000 Toten des WTC hingewiesen. Das hingegen mehrere hundert
Verdächtige in Guantanamo Bay dahin vegetieren, mit amerikanischer
Billigung, ohne menschenunwürdigen Verhältnissen, kann
nicht nachgewiesen werden, da Menschenrechtsorganisationen nicht
das Lager betreten dürfen. Nur das Internationale Rote Kreuz
hat bisher Zutritt erhalten, aber auch nur begrenzt. Legt man dies
alles zu Grunde, wird einem zumindest ersichtlich, warum die USA
den Internationalen Strafgerichtshof ablehnen. Grob geschätzt,
dürften wohl ¾ aller dort behandelten Fälle US-Bürger,
US-Soldaten und US-Regierende als Angeklagte haben. Vielfach wahrscheinlich
zu Recht. Die seit mehreren Jahrzehnten bekannte und mehrfach angewendete
Siegerjustiz, auch im Irak daran erkennbar, dass ehemalige Saddam-Polizisten
bereits wieder in Amt und Brot stehen, könnte dank des Internationalen
Strafgerichtshofes verhindert werden. Das gefällt den Amerikanern
natürlich gar nicht. Vor allem, wenn man erst am Anfang eines
langen weltweiten Anti-Terror-Krieges steht.
Vielleicht
sollten Sie in den kommenden Sommermonaten die Medien intensiver
studieren als Sie es bisher getan haben, zwischen den Zeilen lesen
usw., nach Hintergründen Ausschau halten. Schaden kann es nicht
und etwaige Zusammenhänge werden erst so erkenn- und erschließbar.
Mit diesen Worten wünsche ich allen Lesern einen wunderschönen,
sonnigen Sommer!
Ciao,
Euer Campi
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