Campis Corner: Silvio Berlusconi - Der "Pate" von Italien?
von Thomas Badtke
19.07.2003

Moin,

zu aller erst einmal eine Gedenkminute für Intershop, den einstigen New-Economy-Stolz ganz Thüringens. Stephan Schambach hat für seine Jenenser Softwareschmiede die Prognosen für das laufende Geschäftsjahr drastisch reduziert. Statt wie bisher erwartete 45 Mio. Euro werden wohl allem Anschein nach nur rund 20 bis 25 Mio. Euro umgesetzt. Dagegen soll der Verlust vor Steuern, Abschreibungen und Zinsen auf 20 Mio. Euro anwachsen. Bisher lagen die Schätzungen bei lediglich 5 Mio. Euro. Die Kapitaldecke dürfte daher beträchtlich abschmelzen. Die Zukunft erscheint daher nicht sehr rosig. Zur Entlastung sollte jedoch erwähnt werden, dass diverse Analysten und Experten Intershop schon seit mehreren Jahren kaum Überlebenschancen mehr einräumen. Abwarten heißt also auch weiter die Devise......und Daumen drücken.

Nun aber zu des Pudels Kern. Silvio Berlusconi, vom "Spiegel" als "Der Pate" bezeichnet, was meiner Meinung nach eine Beleidigung für die von Mario Puzo geschaffene Romanfigur und die von Scorsese bravourös in Szene gesetzte Filmfigur ist, ist neuer Ratspräsident der Europäischen Union. Vergleichen kann man ihn mit dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush. Berlusconi bricht zwar keinen Krieg vom Zaun, aber auch er kam nur dank seines Geldes und einer schieren Medienübermacht an der selbigen. Dank seiner drei TV-Privatsender "Italia 1", "Canale 5" und "Rete 4", sowie seiner Mondadori-Pressegruppe (größter Zeitungs- und Zeitschriftenverlag in Italien) gelang es ihm 2001 erneut an die Regierung in Italien zu kommen. Spötter behaupten, er sei nur in die italienische Politik gegangen, um seine weltlichen Verfehlungen aus dem Weg zu räumen. Und derer gibt es mehr als genug: Anklagen wegen Meineid, illegaler Parteienfinanzierung, Bestechung von Finanzbeamten, Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung, Amtsmissbrauch, Bestechung von Richtern und Korruption lassen in etwa erahnen, in welch dubioser Weise Herr Berlusconi an sein Vermögen (reichster Mann Italiens mit geschätzten 10 Mrd. Euro) und seine Macht gekommen ist. Den Beinamen "Der Pate" bekam er verpasst, weil er auch mit dem organisierten Verbrechen Hand in Hand zusammen arbeiten soll. Angeblich stecken diverse Mafia-Familien hinter seinem Aufstieg zum Baumagnaten und Wirtschaftsboss.

Zu seinem Firmenkonglomerat Fininvest zählt auch Mediaset. Das Medienunternehmen war in den letzten Jahren immer wieder in den deutschen Schlagzeilen. Es bestand nicht nur eine Überkreuzbeteiligung mit der deutschen KirchMedia; nein, nach deren Insolvenz war Berlusconi auch als "Retter" ins Gespräch gebracht worden. Nachdem Haim Saban den Kauf des Filmstocks und der ProSieben Sat.1 Media-Gruppe nicht mehr durchführen konnte, weil Co-Investoren fehlten, könnte Berlusconi seine Mediaset erneut ins Bieter-Gespräch bringen. Immerhin schreibt Mediaset tiefgrüne Zahlen, 362 Mio. Euro Reingewinn für 2002 stehen zu Buche. Bei ProSieben Sat. 1 Media dagegen lag der Gewinn bei 15 Mio. Euro. Derzeit werden wieder rote Zahlen geschrieben, auch wenn "Die Harald Schmidt Show" jetzt fünf Tage in der Woche läuft. Zusammen mit den staatlichen Sender der RAI-Gruppe erreicht Berlusconi im italienischen TV-Markt einen Marktanteil von Gates-haften 90 Prozent. Selbst bei der TV-Werbung liegt der Berlusconi-Anteil bei mehr als 65 Prozent. Zum Vergleich: Die beiden deutschen Senderfamilien RTL Group und ProSieben Sat.1 Media kommen jeweils auf 35 bis 40 Prozent Marktanteil beim TV-Werbemarkt.

Die Macht, die Berlusconi medial besitzt, nutzt er auch. So ließ er diverse Berlusconi-kritische Sendungen, Moderatoren und Redakteure beim Staatsfernsehen RAI aussortieren. Auch im Zeitungsgeschäft versucht er kritische Äußerungen ihm gegenüber zu unterbinden. Ähnliches versucht er mit dem italienischen Justizsystem. Gesetze, die nicht nach seinem Gusto sind bzw. seiner Machtfülle Einhalt gebieten könnten, werden abgeschafft oder geändert. Sein Lehrmeister in diesem Fall war der ehemalige italienische Ministerpräsident Bettino Craxi. Er erlaubte es Berlusconi erst, per Dekret, sein Quasi-TV-Monopol aufzubauen. Parallelen zum deutschen Privatfernsehmarkt zeichnen sich hier ab. Auch in Deutschland sorgte erst eine christdemokratische Offensive unter Ex-Kanzler Kohl dafür, dass aus Kabel-Versuchsprojekten Privatsender wurden. Und da RTL ehemals sozialdemokratische Züge trug (ist lange her), unterstützte Kohl seinen konservativen Gleichdenker Kirch wo er nur konnte. Als Premiere (Bertelsmann), DF1 (Kirch) und die Deutsche Telekom (Technikbereich) im digitalen Fernsehmarkt per Joint Venture eng zusammenarbeiten wollten, untersagte dies die Europäische Kommission. Kohl versuchte dann erheblichen Druck auf die Wettbewerbshüter auszuüben. Er scheiterte jedoch.

Aber zurück zur Justiz. Im Sinne Berlusconis geändertes Recht findet man in Italien immer öfter. So stellt ein 2001 neu erlassenes Gesetz Bilanzfälschung nicht mehr unter Strafe. Berlusconi ist in den vergangenen zehn mehrere Male wegen Bilanzfälschung angeklagt worden. Ein ebenfalls aus dem Jahr 2001 stammendes Gesetz schränkt Rechtshilfeersuchen erheblich ein. Beweismaterialien aus dem Ausland können so nur eingeschränkt in italienischen Prozessen verwendet werden. Ein Jahr später wurde dann per Gesetz festgezurrt, dass man den Gerichtsort verlegen kann, wenn an der Unvoreingenommenheit des Richters Zweifel aufkommen. Konkret ging es dabei um die Verlegung des Gerichtsortes bei einer Bilanzfälschungsanklage gegenüber Berlusconi. Die letzten Fälle für das Eingreifen Berlusconis in den demokratischen Apparat Italiens sind die sogenannten "Immunitäts-Gesetze". Das erste erhebt die fünf höchsten staatlichen Repräsentanten Italiens in den Bereich völliger Immunität, während ihrer Amtszeit. Da aber auch ein Berlusconi nicht ewig regieren kann, plant er ein weiteres Immunitäts-Gesetz. Dieses soll auch den Parlamentariern Immunität verleihen. Damit bestünde auch nach einer Abwahl keine Möglichkeit gegen Berlusconi vorzugehen, da er als normaler Parlamentarier ebenfalls völlige Immunität genießen würde.

Das Porzellan, welches George W. Bush außenpolitisch zerdeppert, zertrümmert Berlusconi innenpolitisch. Das Berlusconis Regierungsbündnis "Casa delle Liberta" auch auf Stimmen aus dem Rechten Lager baut, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Für die kommenden sechs Monate steht nun dieses italienische Musterbeispiel für einen "Hüter der Demokratie" an der Spitze Europas. Einerseits könnte sich dadurch das europäisch-amerikanische Verhältnis wieder deutlich entspannen. Andererseits sorgte bereits Berlusconis erste Ansprache vor dem europäischen Parlament für Zündstoff, als er einen deutschen SPD-Abgeordneten, der ihn zuvor kritisiert hatte, mit einem "KZ-Aufseher" verglich. Das war natürlich ironisch gemeint vom "Tele-Duce Silvio". Auf Kritik scheint er gereizt zu reagieren. Aber er muss lernen damit umzugehen, denn Kritik an ihm wird es in den kommenden sechs Monaten regelrecht hageln. Für Europa ist Berlusconi nicht gut, für das Sommerloch in den Medien hingegen schon.

Ciao,
Euer Campi

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