Campis Corner: Ölsand
von Thomas Badtke
04.08.2003

Moin,

fast täglich liest bzw. hört man von immer neuen alliierten Todesfällen im Irak. Hauptbetroffene dabei sind die Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika unter ihrem Oberbefehlshaber George W. Bush. Das "Vietnam", was den amerikanischen Befehlshabern und den Politikern in Washington vielerorts vorhergesagt wurde, scheint sich zu bewahrheiten. Immer neue tote GIs und andere Hiobsbotschaften aus dem besetzten Irak erreichen das amerikanische Festland und damit die Heimat. Nur die mediale Propaganda erinnert noch an die "Erfolge" des Irak-Krieges. Unlängst schaffte man es, der beiden Söhne Saddam Husseins habhaft zu werden. Kaum waren die beiden tot, meldete sich ihr Vater wieder und kündigte Vergeltung an. Ebenso trat John Ashcroft auf den Plan und warnt vor neuen Terroranschlägen. Im gleichen Atemzug erklärt er den "Kampf gegen den Terror" als Erfolg. Mehr als einhundert geplanter Anschläge konnte man bisher verhindern. Die Frage sei erlaubt, warum man dann den am 11. September 2001 nicht verhindern konnte...

Worauf ich heute jedoch hinaus will: Der Irak-Krieg drehte sich nicht etwa um Massenvernichtungswaffen oder Diktatoren, sondern um die Sicherung der Energieversorgung der USA und der westlichen Welt. Das zweitgrößte Ölvorkommen sollte geschützt bzw. in "demokratische, freiheitliche und friedliebende Hände", nämlich anglo-amerikanische fallen. Zuvor hatte man bereits der 3.000 Toten des WTC-Anschlags mit einem Bombenteppich auf Afghanistan gedacht. Dabei wurden bereits in den ersten drei Wochen mehr zivile Opfer in Kauf genommen, als beim Angriff auf das WTC umgekommen waren. Und das alles nur, weil man eine Öl- und Gas-Pipeline durch Afghanistan Richtung Ceyhan in der Türkei bauen wollte bzw. noch muss und man dafür amerikafreundliche, afghanische, korrupte Politiker braucht. Aber das, wie immer, nur am Rande.

Als der zweite Irak-Krieg vom Zaun gebrochen wurde, konnte sich die "Wiege der Menschheit" noch als Nummer Zwei der Welt was Ölvorräte anbetrifft, rühmen. Die größten Erdölvorräte besitzt der islamische Staat Saudi-Arabien, Geburtsort des angeblichen WTC-Anschlagführers Usama bin Ladin. Satte 35,4 Mrd. Tonnen "Schwarzes Gold" schlummerte 2001 und auch 2002 im saudischen Wüstenboden. Der Irak folgte mit Vorräten von 15,1 Mrd. Tonnen bereits etwas abgeschlagen. Kuwait (13 Mrd. t), die Vereinigten Arabischen Emirate (12,9 Mrd. t) und der Iran (12,3 Mrd. t) machen die arabische Übermacht in diesem Bereich perfekt. Da die USA jedoch als Weltverbraucher Nummer Eins beim Öl gelten, musste man sich die weltpolitische und wirtschaftliche Vormachtstellung auch für die Zukunft sichern. Mit den irakischen Ölquellen dürfte ein erster Schritt in diese Richtung getan sein. Auf den weiteren Plätzen in der Rangliste der weltweiten Erdölvorkommen rangieren mit Venezuela (10,9 Mrd. t), der GUS (6,6 Mrd. t), Libyen (3,9 Mrd. t) und Nigeria (3,3 Mrd. t) ebenfalls Staaten, in denen die demokratischen Grundwerte nicht immer eingehalten werden. Aber welches Land kann das schon von sich behaupten, die USA einmal ausgenommen. Irgendwo abgeschlagen im unteren Mittelfeld landete 2001 Kanada mit 0,7 Mrd. t. Bereits ein Jahr später, also 2002 gibt es jedoch zwei Veränderungen in dieser Rangliste. Die Russische Föderation konnte ihre Vorräte auf 8,2 Mrd. t steigern und der Irak liegt nur noch auf Platz Drei der Rangliste. Neue Nummer Zwei ist, raten sie mal......KANADA. Von 0,7 Mrd. t 2001 stieg das Ölvorkommen auf unglaubliche 24,2 Mrd. t.

Jetzt fragt man sich natürlich, wie ist so etwas möglich? Hat Kanada etwa Kuwait und den Iran überfallen oder feindlich übernommen? Nein, natürlich nicht. Es ist alles viel einfacher: Statt nach Öl zu bohren, baggert man danach, ähnlich der Kohlegewinnung. Die Lösung heißt Ölsande. Mit gigantischen Baggern gräbt man sich durch Kies, Lehm und Sand. Im Norden der kanadischen Provinz Alberta befindet sich ca. 50 m unter der Erdoberfläche eine durchschnittlich 60 m dicke Schicht aus Sand, Wasser, Lehm und Bitumen. Genau daraus wird dann das wertvolle Öl gewonnen. Zuerst trägt man dafür die oberste Schicht ab. Es folgen mehrere Trennungs- und Veredelungsvorgänge und fertig ist das Rohöl. Die Fläche, unter der das Öl quasi vor sich hin schlummert ist mit 42.000 Quadratkilometern von der Größe her vergleichbar mit der Schweiz. Drei kanadische Ölgesellschaften haben sich mit dem "Ölbaggern" befasst und scheinen jetzt die Rohölfrüchte ernten zu können. Suncor, Syncrude und Albian Sands heißen die drei kanadischen Öl-Glücksritter. Allerdings ist nur noch Suncor von den großen anglo-amerikanischen Ölmultis unabhängig. Suncor ist börsennotiert und setzte im vergangenen Jahr etwa drei Milliarden Euro um, wobei etwas mehr als 460 Mill. Euro Gewinn erzielt wurden. An Albian Sands hingegen ist die britisch-niederländische Shell bereits mit 60 Prozent beteiligt. Der amerikanische Riese Exxon-Mobil (einst Teil des Rockefeller-Imperiums Standard Oil) hält an Syncrude immerhin 25 Prozent.
In den vergangenen zwanzig Jahren konnte man die Kosten für das Ölbaggern um mehr als 50 Prozent reduzieren. Die Kosten sanken von umgerechnet 12,8 Euro auf 7,7 Euro und sind damit mit denen der normalen Ölbohrungen vergleichbar. Weltweit rechnen Experten mit einem Ölsand-Vorkommen von 100 Milliarden Tonnen. Kanada besitzt demnach rund ein Viertel dieser Vorräte.

"Die Kosten können noch weiter gedrückt werden", ist sich Syncrude-Geschäftsführer Jim Carter sicher. Das kostspieligste ist bisher die 50 m umfassende Deckschicht abzutragen. In der Entwicklung befindet sich daher ein Verfahren, das "In-situ" genannt wird. Übersetzt bedeutet dies etwa "An Ort und Stelle". Dabei werden zwei Löcher bis zu den Ölsanden gebohrt in denen dann dickwandige Rohre verlegt werden. Durch eines dieser beiden Rohre wird mit Hochdruck Dampf hindurch gejagt, der den Ölsand durch das Rohr Nummer Zwei an die Oberfläche drückt. Suncor rechnet durch dieses Verfahren mit einer Kostensenkung von nochmals 30 Prozent, da das kostenaufwendige Abtragen der Deckschicht entfällt.

Bisher dachte man ja, dass der Iran, vielleicht auch Nordkorea auf George W. Bushs Weltverbesserungs- und Demokratisierungsliste, allgemein bekannt unter dem Pseudonym "Achse des Bösen", ganz oben stehen. Nun könnte es sein, dass sich die Begehrlichkeiten des Texaners gen Norden richten. Das amerikanisch-kanadische Verhältnis ist in etwa mit dem britisch-deutschen Verhältnis vergleichbar. So richtig kann man sich nicht riechen und wenn die Kanadier im Eishockey dann noch gegen die US-Boys gewinnen, ist das in etwa vergleichbar mit einem deutschen Sieg gegen England im Fußball. Wer noch immer denkt, dass die USA und Kanada zwei sich respektierende Nachbarstaaten darstellen, sollte sich zwei Filme ansehen. Zum einen: "South Park - Der Film" und zum anderen "Bowling for Columbine". Noch wichtiger als ein Eishockey-Weltmeistertitel ist für Amerika die Vormachtstellung in der Welt. Durch die Ölsandvorkommen im benachbarten Kanada könnte diese arg gefährdet sein, auch deshalb weil man in manchen Provinzen bzw. Teilen Kanadas sich näher an Frankreich und dessen Traditionen gebunden sieht. Um den großen Bruder im Süden nicht zu verärgern, sollten sich die Kanadier an uns Deutschen ein Vorbild nehmen. Erst vor kurzem schenkte der Deutsche Jan Ullrich dem Amerikaner Lance Armstrong den Sieg beim prestigeträchtigsten Radrennen der Welt, der "Tour de France", in dem er nach einem von Armstrong selbst verschuldeten Sturz auf ihn wartete und dann als dieser erneut angriff, ihn ziehen ließ. Was ist schon ein weiterer "Tour de France"-Sieg wenn es um die Rettung der bereits arg angekratzten deutsch-amerikanischen Freundschaft geht. Vielleicht sollte man den Amerikanern das nächste Mal den Eishockey-WM-Titel einfach schenken. Wer weiß, was sonst passiert. In Afghanistan wurden ja bereits erste kanadische Soldaten von der amerikanischen Luftwaffe bombardiert. Offiziell geschah dies aus Versehen, aber unter Drogeneinfluss. Beim nächsten Mal könnte man schon Absicht vermuten... Denn mittlerweile kennen wir die wahren Gründe. Amerika ist scharf auf kanadisches Öl.

Ciao,
Euer Campi

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