| Moin, es 
              ist an der Zeit, wieder einmal indirekt ein Buch vorzustellen. Nach 
              Bill Bryson steht dieses mal, völlig zu Recht, Michael Moore 
              im Fokus des Interesses. Sein erstes "deutsches" Buch 
              "Stupid white men" bewegt sich nun seit mehr als einem 
              dreiviertel Jahr in den Top-Sphären der deutschen Bestsellerlisten. 
              Nun wurde sein amerikanisches Erstlingswerk "Downsize this" 
              (in Amerika 1997 erschienen) auf deutsch veröffentlicht und 
              startete gleich von null auf zwo.  Grund 
              genug ein Kapitel aus "Querschüsse - Downsize this" 
              von Michael Moore, erschienen beim Piper Verlag, ISBN 3-492-04564-2 
              hier vorzustellen. Das Kapitel passt wie kaum ein anderes in die 
              heutige Zeit der Massenentlassungen und Massenarbeitslosigkeit, 
              in eine Zeit wo Aktienkursgewinne mit Entlassungen von mehreren 
              Tausend Menschen "erkauft" werden. "Warum 
              verkauft GM kein Crack?"Für 
              Geschäftsleute "ist der Gewinn am wichtigsten", und 
              sie tragen diesen Grundsatz gern in Sprechchören vor. "Der 
              Profit ist König." ist ein anderes Motto, das sie gerne 
              wiederholen. Dagegen wiederstrebt ihnen der Satz: "Ich übernehme 
              die Rechnung." Denn das bedeutet weniger Gewinn. Wenn sie das 
              Wort "Bilanz" verwenden, meinen sie ihren Gewinn. Die 
              Bilanz gefällt ihnen am besten, wenn sie aus einer Zahl mit 
              möglichst vielen Nullen besteht.
 Hätte ich jedes Mal fünf Cent bekommen, wenn ich einen 
              Anzugträger sagen hörte, dass "ein Unternehmen alles 
              Notwendige tun muß, um einen möglichst hohen Gewinn zu 
              erzielen", könnte ich jetzt eine sehr gute Bilanz ziehen. 
              Hier noch ein weiterer beliebter Spruch aus der Geschäftswelt: 
              "Ein Konzernchef hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass 
              die Aktionäre seines Unternehmens möglichst viel Geld 
              verdienen."
 Macht sie euch Spaß, diese Lehrstunde in Kapitalismus? Ich 
              bekomme sie jedes Mal, wenn ich mit einem Flugzeug fliege. Die Bilanzverbesserer 
              haben alle "Roger & Me" (erster Dokumentarfilm von 
              Michael Moore; Anm. des Verfassrrs), und sie verwechseln den Rumpf 
              einer DC-9 häufig mit der Oxford Debating Society. Also muß 
              ich mir bis zum Erbrechen Vorträge über die Vorzüge 
              unserer freien Marktwirtschaft anhören. Heute sitzt der Besitzer 
              eines amerikanischen Unternehmens neben mir, das Büromaterial 
              herstellt - in Taiwan. "Wieviel ist ´genug´?", 
              frage ich den Unternehmer. "Genug von was?", fragt er 
              zurück. "Wieviel ist ´genug´ Gewinn?" 
              Er lacht und sagt: "Da gibt es kein ´genug´!"
 "Zum Beispiel hat General Motors letztes Jahr fast 7 Milliarden 
              Dollar Profit gemacht, aber es hätten auch 7,1 Milliarden Dollar 
              sein können, wenn es sein Werk in Parma, Ohio, geschlossen 
              und nach Mexiko verlegt hätte. Wäre das in Ordnung gewesen?" 
              "Nicht nur in Ordnung", sagt er. "Es wäre sogar 
              seine Pflicht gewesen, das Werk zu schließen und die zusätzlichen 
              0,1 Milliarden zu verdienen".
 "Selbst wenn das für die Stadt Parma den Ruin bedeutet 
              hätte? Warum sollte sich der Konzern nicht mit einem Gewinn 
              von 7 Milliarden Dollar begnügen und Parma verschonen? Warum 
              sollte er für 0,1 Milliarden Dollar Tausende von Familien ruinieren? 
              Halten sie das für moralisch?"
 "Für moralisch"?, fragt er, als ob er das Wort seit 
              der ersten Konfirmandenstunde nicht mehr gehört hätte. 
              "Das ist doch kein moralisches Problem. Das ist eine rein wirtschaftliche 
              Frage. Ein Unternehmen muss tun können, was es will, um einen 
              Gewinn zu erzielen." Dann lehnt er sich vor, als wolle er mir 
              eine große Offenbarung machen. "Der Gewinn ist am wichtigsten, 
              verstehen Sie?"
 Wenn der Gewinn wirklich am wichtigsten ist, verstehe ich nur eins 
              nicht: Warum verkauft ein Unternehmen wie GM keinen Crack? Crack 
              ist eine sehr gewinnträchtige Ware. Mit jedem Pfund Kokain, 
              aus dem Crack produziert wird, macht ein Dealer einen Gewinn von 
              45000 Dollar. Demgegenüber verdient ein Autohändler an 
              einem 2000 Pfund schweren Auto nicht einmal 2000 Dollar. Außerdem 
              ist Crack sicherer als Autos. Jedes Jahr sterben 40000 Menschen 
              bei Autounfällen, Crack dagegen verursacht der regierungsamtlichen 
              Statistik zufolge nur ein paar hundert Todesopfer pro Jahr, und 
              obendrein verschmutzt es die Umwelt nicht. Warum also verkauft GM 
              kein Crack? Wenn der Gewinn am wichtigsten ist, warum dann nicht 
              Crack verkaufen?
 GM verkauft Crack nicht, weil der Verkauf von Crack illegal ist. 
              Warum ist er illegal? Weil wir als Gesellschaft zu der Einsicht 
              gekommen sind, dass Crack das Leben von Menschen ruiniert. Es zerstört 
              ganze Gemeinden. Es nagt direkt am Rückgrat unseres Landes. 
              Deshalb können wir einem Unternehmen wie GM nicht erlauben, 
              Crack zu verkaufen, gleichgültig, wie viel Gewinn die Firma 
              damit machen könnte.
 Wenn wir GM nicht erlauben, Crack zu verkaufen, weil das Rauschgift 
              unsere Gemeinden zerstört, warum darf der Konzern dann seine 
              Werke schließen? Das zerstört doch auch unsere Gemeinden. 
              "Wir können ihn nicht daran hindern, Fabriken zu schließen, 
              weil er das Recht hat, zu tun, was er will, um Gewinne zu machen", 
              würde mein vielfliegender Freund darauf antworten. Aber das 
              stimmt nicht. Es gibt viele Dinge, auf die der Konzern kein "Recht" 
              hat. Er darf auch Kinderpornographie nicht verkaufen und weder Chemiewaffen 
              noch andere lebensgefährliche Produkte herstellen, nur weil 
              er mit ihnen Gewinn machen könnte. Wir können Gesetze 
              verabschieden, die Konzerne daran hindern, uns zu schaden.
 Und der massive Abbau von Arbeitskräften, diese ganze Gesundschrumpferei, 
              schadet uns. Ich spreche nicht von berechtigten Entlassungen, wenn 
              ein Unternehmen Verluste macht und einfach nicht mehr die Kapitalreserven 
              hat, um seine Arbeiter zu bezahlen. Ich spreche von Konzernen wie 
              GM, AT&T und GE, die Entlassungen vornehmen, obwohl sie Rekordgewinne 
              in Milliardenhöhe erzielen. Topmanager, die so etwas tun, werden 
              nicht verachtet, öffentlich angeprangert oder verhaftet - sie 
              werden als Helden verehrt! Sie kommen auf die Titelseiten von Fortune 
              und Forbes. Sie dozieren in der Harvard Business School über 
              ihre Erfolge. Sie veranstalten große Galadiners, um Wahlkampfspenden 
              zu sammeln, und sitzen neben dem amerikanischen Präsidenten. 
              Sie sind die Herren des Universums, schlicht und einfach, weil sie 
              ungeachtet der gesellschaftlichen Folgen riesige Profite machen.
 Ja, 
              sind wir denn wahnsinnig geworden? Warum lassen wir so etwas zu? 
              Es ist unrecht, wenn man mit der Arbeit anderer Leute Geld macht 
              und sie feuert, nachdem man das Geld gemacht hat. Es ist unmoralisch, 
              dass ein Konzernchef Millionen Dollar verdient, obwohl er gerade 
              das Leben von 40000 Familien zerstört hat. Und es ist absolut 
              irre, dass amerikanische Konzerne auf Kosten unserer eigenen Bevölkerung 
              Fabriken nach Übersee verlegen dürfen. Wenn ein Unternehmen 
              Tausende entlässt, was passiert dann in der betroffenen Gemeinde? 
              Kriminalität, Selbstmordrate, Drogenmissbrauch, Alkoholismus, 
              Gewalt in der Ehe, Scheidungen, das alles nimmt mit gefährlichen 
              Rückkopplungseffekten zu. Genauso wirkt Crack. Nur das Crack 
              illegal ist und Massenentlassungen nicht. Wenn sich in eurem Viertel 
              ein Crack-Haus befände, was würdet ihr tun? Ihr würdet 
              versuchen, es abzureißen! Ich glaube, es ist an der Zeit, 
              Massenentlassungen genauso betrachten wie Crack. Es ist ganz einfach: 
              Wenn sie der Bevölkerung schaden, sollten sie illegal sein. 
              Wir leben in einer Demokratie. Wir machen Gesetze, die auf unserem 
              Verständnis von Recht und Unrecht beruhen. Wenn wir eine Handlung 
              als unrecht empfinden, machen wir ein Gesetz, das sie verbietet. 
              Mord? Unrecht, also wird er gesetzlich verboten. Einbruch? Unrecht, 
              also versuchen wir Einbrecher vor Gericht zu stellen. Zwei große, 
              stark behaarte Jungs aus Newt Gingrichs Büro schlagen mich 
              zusammen, nachdem sie dieses Buch gelesen haben? Dafür kriegen 
              sie fünf bis zehn Jahre Knast.Als Gesellschaft haben wir das Recht, uns vor Schaden zu schützen. 
              Als Demokratie haben wir die Pflicht, uns durch gesetzliche Maßnahmen 
              vor Schaden zu schützen. Folgende Maßnahmen sollten wir 
              meiner Ansicht nach zu unserem Schutz ergreifen:
  
              1. 
                Wir verbieten, dass ein Konzern eine gewinnbringende Fabrik schließt 
                und nach Übersee verlegt. Wer ein Werk schließt und 
                es an einen anderen Ort in den USA verlegt, muß die Kommune 
                des bisherigen Unternehmenssitzes entschädigen. Wenn eine 
                Frau hart gearbeitet hat, damit ihr Mann studieren konnte, und 
                er sie verlässt, nachdem er durch das von ihr ermöglichte 
                Studium reich geworden ist, dann muß der Mann seine Ex-Frau 
                nach unseren Scheidungsgesetzen angemessen entschädigen. 
                Bei der "Ehe" zwischen einer Kommune und einem Konzern 
                sollte das nicht anders sein. Wenn ein Unternehmen die Koffer 
                packt und abhaut, sollte es ordentlich Alimente bezahlen müssen. 2. 
                Wir verbieten, dass Unternehmen Bundesstaaten gegeneinander ausspielen. 
                Wir sind alle Amerikaner. Es ist kein Sieg für unsere Gesellschaft, 
                wenn ein Staat auf Kosten des anderen gewinnt. Texas sollte nicht 
                in der Lage sein, Massachusetts die Arbeitskräfte abzuwerben. 
                Diese Mechanismen schaden der Allgemeinheit und sind offen gesagt 
                legale Formen der Erpressung. 3. 
                Wir besteuern alle Gewinne mit 100 Prozent, die ein Aktionär 
                macht, wenn seine Aktien wegen der Ankündigung von Massenentlassungen 
                steigen. Niemand sollte von so schlimmen Nachrichten profitieren 
                dürfen. 4. 
                Wir verbieten, dass das Einkommen eines Topmanagers das Durchschnittseinkommen 
                seiner Arbeitskräfte um mehr als das Dreißigfache übersteigt. 
                Wenn den Arbeitskräften in Krisenzeiten der Lohn gekürzt 
                wird, sollte sich die Kürzung auch auf das Gehalt des Konzernchefs 
                erstrecken. In einem Jahr, in dem ein Konzernchef eine Menge Beschäftigte 
                entlässt, sollte er keinen Bonus kassieren dürfen. 5. 
                Im Vorstand von Staatsbetrieben müssen die Beschäftigten 
                des Unternehmens und die Verbraucher vertreten sein. Ein Unternehmen 
                arbeitet besser, wenn es denen Gehör schenkt, die seine Produkte 
                herstellen und benützen. Radikalen 
              Befürwortern der freien Marktwirtschaft, die mit diesen gemäßigten 
              Vorschlägen nicht einverstanden sind und vielleicht demnächst 
              neben mir im Flugzeug sitzen und schreien: "Ihr könnt 
              einem Unternehmen doch nicht vorschreiben, wie es arbeiten soll!", 
              habe ich folgendes zu sagen: Aber natürlich können wir 
              das! Wir schreiben den Unternehmen gesetzlich vor, dass sie sichere 
              Produkte herstellen, die Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleisten, 
              ihren Beschäftigten zumindest den Mindestlohn zahlen, Sozialbeiträge 
              leisten und noch eine Vielzahl anderer Regeln beachten, die wir 
              als Gesellschaft zur Sicherung unseres Wohlstandsfür nötig 
              halten. Und wir können auch alle gesetzlichen Maßnahmen 
              ergreifen, die ich oben vorgeschlagen habe. GM 
              kann kein Crack verkaufen. Und ich sage voraus, dass GM und andere 
              Konzerne uns auch bald nicht mehr für dumm verkaufen können. 
              Feuert einfach noch mehr Arbeiter, meine Freunde, und ihr werdet 
              schon sehen, was passiert.
 Ciao,
 Euer Campi
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