Campis Corner: Argentinien und der IWF
von Thomas Badtke
20.10.2003

Moin,

in der letzten Zeit standen Schulden als Themen dieser Kolumne hoch im Kurs. Warum etwas Erfolgreiches ändern? Erwähnung fand dabei ja auch das Land Argentinien. Das Land der Rinder und Gauchos. Das Land der Telenovelas und von Diego Armando Maradona. Er wurde auch die "Hand Gottes" genannt. Probleme hat sein Land in erster Linie mit Institutionen von "gods own country", Amerika, in letzter Zeit. Der IWF ist zwar eine globale Organisation, das Sagen haben aber die anglo-amerikanischen Finanzinstitute. Allen voran die der amerikanischen Ostküste. Argentinien ist pleite. Ob nun in den Ruin getrieben oder hineingeschlittert sei einmal dahingestellt. Knapp 190 Mrd. US-Dollar an Schuldendienst konnte bzw. wollte das Land nicht mehr begleichen. Ruck-Zuck brachen daraufhin Volksaufstände und Chaos aus. Die "gewählten" Präsidenten gaben sich in der Folgezeit die Klinke in die Hand. Hat sich dadurch und seitdem etwas geändert? Wohl kaum. Nur die Medien haben wichtigere Dinge zum Veröffentlichen gefunden. Die argentinische Krise ist wieder in das zweite Glied der Meldungen zurückgetreten.

Wäre da nicht der neue Präsident Néstor Kirchner und die immer noch auf Begleichung wartenden internationalen Gläubiger. Neue Besen kehren gut, heißt es. Mit Kirchner schien sich dieses geflügelte Wort zu bewahrheiten. Das zarte Pflänzchen des wirtschaftlichen Aufschwungs erblühte und gedieh prächtig. Langsam zwar, aber wir wissen ja: Gut Ding will Weile haben. Jetzt funkt der IWF dazwischen. Wie so oft, wenn es mal nicht nach seinem Gusto bzw. nicht zum Wohl der Globalisierung geht. Eine Rate von 2,9 Mrd. US-Dollar sollte Argentinien kürzlich bezahlen. Dies entspricht etwa einem Viertel der Devisenreserven des Landes. Es erschien dem Präsidenten daher ratsam, die Rate nicht zu bezahlen. Wieso auch? Schulden begleichen auf Kosten der Armen? Wo doch bald Regionalwahlen anstehen. Reines politisches Macht-Kalkül so scheint es. Aber Kirchner fährt damit richtig. Streitpunkte mit dem IWF, mit dem man auch in Zukunft über die Schuldendienste weiter verhandeln will, sind folgende:

  • Argentinien soll die kommenden Haushaltsüberschüsse - derzeit bewegen sich diese bei rund vier Prozent - als Schuldendienste verwenden. Damit stünden aber wieder mit hoher Wahrscheinlichkeit Bürgerunruhen auf der Tagesordnung. Kirchner wäre sein Amt schneller wieder los, als der IWF "Geld" sagen kann.
  • Der zweite Stolperstein sind die Gebühren für Wasser, Strom, Erdgas und Telefon. In diese Bereiche haben vor allem spanische, italienische und französische Unternehmen unter dem früheren Präsidenten Carlos Menem Milliarden von US-Dollar investiert. Nach der Abwertung vor eineinhalb Jahren um etwa 60 Prozent sind die Gewinne magerer geworden und der Staat genehmigte bis heute keine Gebührenerhöhungen. Presseberichten zufolge üben diese Unternehmen über ihre Heimatregierungen erheblichen Druck innerhalb des IWF aus, Argentinien nur dann grünes Licht für einen neuen Kredit zu geben, wenn die Regierung die Anhebung der Gebühren genehmigt. Aber auch das kann sich Kirchner im Vorfeld der wichtigen Regionalwahlen kaum leisten.
  • Auch das dritte Thema hat es in sich. Es betrifft die Frage, ob die privaten Banken vom Staat Entschädigung verlangen können, weil sie durch Gerichtsentscheidungen gezwungen wurden, vom Staat zwangsweise auf Peso umgestellte Dollarguthaben später doch in Dollar auszuzahlen. Mehrere Milliarden US-Dollar soll es die Banken gekostet haben, sich diese Devisenbeträge gegen Hergabe inzwischen abgewerteter Pesos zu besorgen. Die Banken jedoch aus öffentlichen Kassen zu entschädigen, käme zurzeit einem politischen Harakiri gleich. Denn die Regierung von Interimspräsident Eduardo Duhalde (2002-2003) hatte dafür gesorgt, dass die privaten Banken als die Hauptschuldigen für den Verlust der Devisenguthaben angeprangert wurden. Die Wut der Menschen über den Verlust eines erheblichen Teils ihrer Ersparnisse richtete sich deshalb gegen die privaten Geldhäuser.

Man sieht, es ist nicht einfach. Entweder Schuldendienste für neue Kredite, die dann unter ganz bestimmten Voraussetzungen nur gegeben werden oder das Übel bei der Wurzel packen und das Geld gegen interne argentinische Probleme einsetzen, statt es den internationalen Geldhaien und Anlegern in den Rachen zu werfen. In Argentinien herrschen Armut und hohe Arbeitslosigkeit. Die internationalen Medien gehen auf dieses Thema allerdings nur unzureichend ein. Für sie ist Argentinien das Land, das seine Schulden nicht begleicht. Nach den Hintergründen wird kaum gefragt. Sie sind bestenfalls eine kleine Randnotiz wert. Im Normalfall werden sie dezent unter den Teppich gekehrt. Bevor man sich daher ein Urteil erlauben sollte, insofern man nicht auf argentinischen Anleihen sitzt, sollte man versuchen zwischen den Zeilen zu lesen. Oft genug findet man da wirkliche Informationen. Das Problem sind nicht die Schulden, auch nicht Argentinien - Brasilien und Venezuela geht es nicht viel besser, die USA will ich hier gar nicht erst anführen - das Problem ist der IWF. Hier müsste man den Hebel ansetzen. Das IWF-System krankt, aber der Arzt, der das diagnostiziert, wird noch gesucht.

Ciao,
Euer Campi

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