Campis Corner: Der starke Euro und die Folgen
von Thomas Badtke
01.02.2004

Moin,

jahrelang durfte man als DDR-Bürger nicht so ohne weiteres zum "Klassenfeind" in die Vereinigten Staaten reisen. Dann durfte man, es war aber dank des ungünstigen D-Mark/US-Dollar-Wechselkurses zu teuer. Dann kam der Euro. Dessen Stärke gegenüber dem Dollar hielt jedoch nicht lange an, es dauerte vielmehr nur ein paar Wochen und das alte D-Mark/US-Dollar-Verhältnis galt auch für den Euro. Heutzutage bekommt man für den Euro endlich weit mehr US-Dollar und was macht der US-Präsident? Er erhöht die Sicherheitsvorkehrungen an den Flughäfen und vermiest den Touristen damit den „American Way of Life“ (die Sicherheitsfrage wurde natürlich geraume Zeit im voraus gestellt, was jedoch nichts daran ändert, die EU-Bürger nur unter erschwerten Bedingungen in die USA zu lassen).

Trotzdem sollte man sich über die Stärke des Euro freuen, war dies doch ein, wenn nicht sogar das Hauptmerkmal der heiß und innig geliebten D-Mark. Aber wie so oft: die große Mehrheit der Bevölkerung scheint mit dem Erreichten nicht zufrieden. Dafür könnte es nun mehrere Gründe geben: Einerseits gibt es hierzulande nicht so viele Dinge, die man für US-Dollar käuflich erwerben könnte (abgesehen von US-Teppichmessern aus US-Army-Shops vielleicht). Andererseits steht vielen Deutschen derzeit nicht der Sinn nach Reisen. Auch das hat wiederum mehrere Gründe: Zum Einen befindet sich in den deutschen Portemonnaies dank der lahmenden Wirtschaft nicht mehr das zum Reisen nötige Kleingeld und zum Anderen wollen nur wenige ein Land besuchen, dass von einem "Quasi-Diktator" beherrscht wird (Nein, es geht nicht um Kuba.). Tja, es ist schon eine Crux... mit dem Euro.

Bleibt nun die Frage, was uns dieses Jahr erwarten könnte. Das Gusto der meinungsbildenden Medien hierzulande lautet eindeutig: die EZB muss die Leitzinsen senken. Hoppla, was hat der Euro mit dem Zins zu tun? Dazu muss man tiefer in die Materie einsteigen. Alles was jetzt folgt, ist „ohne Gewähr“. Schließlich habe ich nicht vor, mich demnächst vor einem US-Gericht irgendwelchen Schadensersatzforderungen gegenüber sitzen zu sehen.

Also, los geht’s. Der Grund für den starken Euro ist der schwache US-Dollar. Dieser gilt als Welt-Leitwährung, aber das nur am Rande. Der schwache Dollar, da sind sich die Experten weitgehend einig, fußt u. a. auf dem riesigen Haushaltsdefizit (2003 bei rund 560 000 000 000 US-Dollar) und der enormen Verschuldung der Haushalte. Die US-Regierung muss sich Geld besorgen, ebenso wie die US-Bürger. Das geschieht zumeist im Ausland. Ausländische Notenbanken, allen voran Japan, kaufen, um den Dollar zu stützen, US-Staatsanleihen. Asiatische Notenbanken besitzen mittlerweile für mehr als eine Billion (1 000 000 000 000!!!) US-Dollar amerikanische Staatsanleihen. Vor drei Jahren waren es „nur“ 700 Mrd. US-Dollar. Fed-Chef Greenspan sieht darin kein Problem. Dank der globalen Wirtschaft (dominiert von US-Firmen) und dem damit verbundenen globalen Finanzsystem, so gab er kürzlich zu verstehen, werde es nur zu kleineren Verwerfungen kommen. Diese kleinen Probleme, die bei der Lösung des Problems schwacher US-Dollar auftreten könnten, kann man bereits erahnen, wenn man bedenkt, was passiert, wenn der US-Dollar nicht mehr von ausländischen Notenbanken gestützt werden würde. Allein Japan könnte einen crash-artigen Sturz des Dollar heraufbeschwören, falls sie ihre Geldmittel nicht in die Stützung des Dollar und in Aufkäufe von US-Staatsanleihen stecken würden. Der niedrige Zinssatz in den USA verbietet das schon seit längerem. Allerdings sind niedrige Zinsen positiv für die Wirtschaft. Die Theorie besagt, dass durch niedrige Zinsen die Refinanzierung der Wirtschaft günstiger ist und somit neue Investitionen zu günstigeren Konditionen getätigt werden können. Private Haushalte sollen zudem dadurch animiert werden, weniger auf die hohe Kante zu legen und mehr zu konsumieren. Der billige US-Dollar hilft ebenfalls der US-Wirtschaft. Exporte von US-Gütern werden damit günstiger. Insofern dürfte George W. Bush mit einem schwachen Dollar durchaus leben können. In diesem Jahr sind Präsidentschaftswahlen. Um sein Volk bei seiner Stange zu halten, dürfte eine boomende US-Wirtschaft ihm mehr Wählerstimmen bringen, als eine Invasion Kubas, der „letzten Diktatur Amerikas“, wie sich der in der Montag-Nacht-Pro7-Cartoonshow „2dTV“ verhonepibelte Bush kürzlich ausdrückte. Die Sache hat nur einen Haken: Importe werden teurer. Und da die USA nicht umsonst ein so hohes Handelsdefizit haben, könnte sich das europäische Problem schwacher Dollar auch zum Problem für Amerika ausweiten. Durch die dadurch ansteigende Inflation wäre die Fed zur Zinserhöhung gezwungen.

Kurz zusammengefasst bedeutet das: Europas Export-Wirtschaft hat derzeit stark unter dem schwachen US-Dollar zu leiden. Der Aufschwung könnte, wenn man einigen Wirtschaftsexperten Glauben schenken will, gefährdet sein. Der EZB wird angeraten die Zinsen zu senken, um den Euro im Vergleich zum Dollar billiger zu machen. Andererseits profitiert die US-Wirtschaft vom starken Euro, da sie ihre Waren im Ausland (besonders in Europa) „teurer“ verkaufen können. Gleichzeitig wird weniger aus Europa importiert, weil der Euro so stark ist. Dies führt wiederum zu einem steigenden Inflationsrisiko in den USA, welches durch das hohe Haushaltsdefizit weiter angeheizt wird. Natürlicherweise müsste sich das ganze Szenario von selbst und ohne jegliches Eingreifen von außen auf einem gesunden Niveau stabilisieren. Wirtschaftsexperten sehen ein gesundes Euro-Dollar-Verhältnis bei 1,20 bis 1,25 US-Dollar je Euro. Somit befinden wir uns derzeit innerhalb dieser Range. Selbst wenn das faire Verhältnis bei 1,15 liegen sollte, sind die derzeitigen 1,24 US-Dollar je Euro kein Grund zur Panik. Schließlich lag das Euro-Dollar-Verhältnis lange Zeit unterhalb der Parität. Geschadet hat es kaum jemandem. Aber das Geschrei von der weichen Währung Euro war groß. Genau wie heute, aber eben umgekehrt.

Sehen wir das derzeitige Erstarken des Euro zum Dollar oder umgekehrt die Dollar-Schwäche zum Euro als Normalisierung des Kursverhältnisses an. Der einstmals unterbewertete Euro hat etwas Boden gut gemacht und der einst überbewertete Dollar hat Terrain eingebüßt. Erst wenn das Verhältnis über 1,35 oder 1,40 steigt und dazu noch längere Zeit dort verharrt, sollte man sich Gedanken machen. Derzeit kann ich Ihnen nur eins raten: Kaufen Sie sich für amerikanische Bucks in einem amerikanischen Army-Shop in Deutschland ein Teppich-Messer und fliegen Sie damit ins gelobte Land (USA), lernen Sie die netten Flughafen-Sicherheitskräfte kennen und genießen Sie ihren Aufenthalt in den Vereinigten Staaten. All das haben Sie nur dem starken Euro zu verdanken! Oder tanken Sie mal wieder billig. Ach, so billig ist das gar nicht? Eigentlich müsste Benzin viel günstiger an den Tanken zu haben sein? Richtig! Aber das ist eine andere Geschichte......

Ciao,
Euer Campi

zurück zum "Corner"