Im
Jahr 1967 eroberte Israel die Sinai-Halbinsel sowie die Golanhöhlen
und besetzte den Gaza-Streifen, das Westjordanland und Ost-Jerusalem
(im sog. "Sechstagekrieg"). Dadurch geriet es international
zunehmend unter Druck. Besonders die arabischen Staaten forderten
einen umgehenden Rückzug aus den besetzten Gebieten. Doch Israel
wägte sich vorerst in Sicherheit, da sein ägyptische Erzfeind,
Präsident Gamal Abdul-Nassar, kürzlich verstorben war;
Warnungen vor möglichen Vergeltungen der arabischen Welt wurden
ignoriert. Auch das im Jahre 1970 erklärte Angebot des neuen
ägyptischen Präsidenten Anwar as Sadat, mit Israel einen
Friedensvertrag zu schließen, wenn dieses die Halbinsel Sinai
wieder an Ägypten abtreten würde, wurde von dem damaligen
israelischen Regenten Golda Meirs und seiner Labor-Regierung zurückgewiesen.
Durch
diese Zurückweisung wurde die Stimmung im Nahen Osten weiter
angeheizt. In der Folge entschlossen sich Ägypten und Syrien
zu einem Angriff auf Israel. Am 6. Oktober 1973, zu Yom Kippur
(der heiligste Feiertag der Israeliten), fielen die beiden Staaten
in Israel ein. Doch Israel wehrte sich entschieden und stand drei
Wochen später mit seinen Truppen wenige Kilometer vor Kairo
und Damaskus. Die arabischen Staaten mussten reagieren - und ihre
Waffe war das Erdöl.
Am
17. Oktober 1973 beschloss die OPEC (Organisation erdölexportierender
Staaten) als Reaktion auf den so genannten Yom-Kippur-Konflikt eine
5-%ige Reduktion des Ölangebots gegenüber dem September-Niveau
vom 1973 (möglich war dies, weil die arabischen Länder
schon damals einen großen Teil des Ölmarktes unter ihrer
Kontrolle hatten). Es wurde verkündet, die Erdölförderungen
so lange erheblich einzuschränken, bis die von Israel besetzten
Gebiete befreit und die "Rechte des palästinensischen
Volkes" wiederhergestellt waren. Gegen die als Freunde Israels
geltenden USA und die Niederlande wurde sogar ein kompletter Lieferstopp
verhängt. Die OPEC wollte damit die westliche Welt unter Druck
setzen, die weitere Unterstützung Israels aufzugeben (und gleichzeitig
sollte aber auch auf die Inflation und den Verfall des Dollars mittels
einer Erhöhung des Ölpreises reagiert werden, denn durch
die höheren Ölpreise versprach man sich, die ständig
steigenden Kosten für Anlagen und Waren, die die arabischen
Staaten in den westlichen Industriestaaten kauften, aufzufangen).
Die
Reduktion des Ölangebots wirkte sich unmittelbar auf den Ölmarkt
aus. Der Ölpreis ging durch die Decke. Dadurch wurden die westlichen
Industrieländer und auch Japan in eine schwierige Situation
gebracht - Erdöl bildete bei ihnen einen wichtigen Produktionsfaktor
und Energielieferanten. So wurde z.B. in der Bundesrepublik Deutschland
55% des Energiebedarfs zu der Zeit durch aus den arabischen Ländern
bezogenes Erdöl gedeckt.
Bis
zu diesem Zeitpunkt war man in den Industrieländern der Ansicht,
die globalen Energiereserven seien unerschöpflich. Doch nun
erkannte man, dass dies ein Irrtum war. So stellte sich heraus,
dass z.B. in der Bundesrepublik Deutschland selbst bei sparsamstem
Verbrauch nur eine Ölreserve für drei Monate zur Verfügung
stand. Das plötzliche Embargo löste in der Bevölkerung
einen Schock aus, Politikern befürchteten eine Krise ungeahnten
Ausmaßes, und Ökonomen prognostizierten das Ende von
Wirtschaft du Wohlstand. Angeheizt wurde die Stimmung von den Zeitungen,
die mit immer schlimmeren Überschriften die Angst in der Bevölkerung
schürten.
Die
deutsche Regierung unter dem Bundeskanzler Willy Brandt beschloss
am 19. November 1973 als Sofortmaßnahme ein Sonntagsfahrverbot
für alle Autofahrer für vier Wochen und ein Tempolimit
von 100km/h auf allen Autobahnen, um wenigsten einen Teil des Öls
einzusparen. Lediglich für ein paar Gruppen, wie z.B. Taxifahrer
und Ärzte, bestanden Ausnahmegenehmigungen. Durchgesetzt wurde
das Verbot mittels intensiver Kontrollen und einer Erhöhung
des Bußgelds für eine Übertretung des Sonntagsfahrverbots
von 80 auf 500 DM. In Deutschland waren von dieser Maßnahme
13 Millionen Autobesitzer betroffen.
Auch
politisch wurde auf das Ölembargo reagiert. Am 5. November
1973 forderten die EG-Außenminister Israel in einer Erklärung
auf, die seit 1967 besetzten Gebiete zu räumen. Im Dezember
schloss sich Japan dieser Erklärung an. In der Folge lockerte
die OPEC schrittweise die Abgabebeschränkung. Doch auch nach
der Entspannung der Lage, verbunden mit einer Anhebung der Produktion,
verharrte der Ölpreis auf hohem Niveau - gegenüber dem
Stand vor dem Ausbruch des Nahostkonflikts hatte sich der Preis
pro Barrel zum Jahresende vervierfacht.
Die
wirtschaftlichen Auswirkungen waren verheerend. Die in kurzer Zeit
drastisch angestiegenen Energiepreise verursachten einen massiven
Absturz der Konjunktur mit rezessiven Tendenzen. Gleichzeitig wurde
durch den hohen Ölpreis die Inflation angeheizt. Die Wirtschaft
schlitterte in die Stagflation (ein Zustand, in dem die Preise steigen,
obwohl die Wirtschaft stagniert). Durch den Ölpreisschock wurde
die westliche Welt in die schwerste Wirtschaftskrise seit den dreißiger
Jahren gestürzt. Zwar beschloss die Bundesregierung Gegenmaßnahmen,
aber diese waren nicht in der Lage, die Konjunktur zu stabilisieren.
Folgende Beispiele sollen zur Verdeutlichung der Krise dienen:
- von
1973 bis 1974 stieg der Preis pro Barrel Rohöl trotz der
Dollarentwertung von 82,2 DM auf 223,87 DM (eine Steigerung um
172,2%)
- die
Arbeitslosigkeit stieg auf 2,6% (1974) und 4,8% (1975)
- das
Bruttoinlandsprodukt fiel von 5,3% (1972) auf 0,4% (1974) und
-1,8% (1975)
- der
DAX (historisch verknüpft mit der Zeitreihe des Index der
Börsenzeitung, da er erst 1988 offiziell eingeführt
wurde) stand Ende September 1974 fast 40% unter seinem Höchstkurs
vom Juli 1972
- viele
Branchen mussten einen starken Rückgang der Produktion hinnehmen:
die Autoindustrie um 18%, das Baugewerbe um 16% und die Textilbranche
um 11%
Ab
1975 besserte sich die wirtschaftliche Lage wieder. Nichtsdestotrotz
hatte die Krise den westlichen Industriestaaten deutlich vor Augen
geführt, wie abhängig ihre Wirtschaft vom Erdöl war.
In der Folge versuchten viele Staaten, durch Investitionen in alternative
Energien (wie Atom-, Wind- und Solarenergie) ihre Abhängigkeit
vom Öl zu verringern. So wurde z.B. in der Bundesrepublik im
Dezember 1973 ein Milliarden-Programm zum Bau von 40 Kernkraftwerken
verabschiedet. Dennoch blieb das Erdöl bis heute einer der
wichtigsten Energielieferanten. Das Problem der Massenarbeitslosigkeit
in den westlichen Industriestaaten konnte aber nicht mehr beseitigt
werden und schaffte so neue soziale und wirtschaftliche Probleme.
Die Zeit des Wirtschaftswunders war endgültig vorbei.
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