Die
Barings-Bank wurde 1762 von zwei Söhnen einer holländischen
Händlerfamilie als "John Francis Baring Company"
gegründet - als erstes privates Handelshaus in London. 1806
wurde es in "Baring Brothers & Company" umfirmiert.
1890 geriet das Unternehmen aufgrund von fehlgeschlagenen Spekulationsgeschäften
in den USA und Lateinamerika in eine bedrohliche Schieflage, wurde
aber vor dem Konkurs gerettet durch die Unterstützung anderer
Finanzhäuser. 1986 gründete das inzwischen wieder renommierte
Unternehmen die Baring Future Pte Ltd. (Singapore) (BFS), um die
Aktivitäten im asiatischen Wertpapiergeschäft zu verstärken.
Genau diese Niederlassung führte in der Folgezeit zum Untergang
der Barings-Bank. Schuld daran war ein Mann - Nick Leeson.
1967
geboren, war Leeson nach einem mittelmäßigen Schulabschluß
zuerst Sekretär beim Bankhaus "Coutts & Co".
1987 wechselte er zu Morgan Stanley, wo er die Grundlagen der Buchführung
im Wertpapierhandel erlernte. 1989 wurde Leeson im Abrechnungsbereich
der Handelsabwicklung bei Barings eingestellt. Innerhalb von 10
Monaten reduzierte er dort die Wertpapieraußenstände
um 90 Millionen Pfund und bekam aufgrund seiner so demonstrierten
Fähigkeiten von Barings eine Stelle in Singapore im Bereich
des Futurehandels angeboten. Leeson nahm die Stelle an und zog nach
Südostasien.
Die
BSF handelte an den Börsen in Singapur, Osaka und Tokio. Dazu
war sie zu verschiedenen Handelsgeschäften von der Barings
Securities Ltd. in London autorisiert worden. Neben Auftragstätigkeiten
für Kunden oder andere Tochtergesellschaften der Barings-Bank
war ihr auch der Eigenhandel in Form von Arbitragegeschäften
in Futures erlaubt. Auch bei hohen Kundenorders durfte die Bank
Einnahmen machen. Andere Möglichkeiten des Handels sowie der
Versuch der Gewinnerzielung waren dagegen untersagt.
Kurz
nach seiner Ankunft unterlief einem Angestellten Leesons ein Fehler.
Um diesen zu korrigieren, eröffnete Leeson ein internes
Konto mit der Nummer 88 888, welches er der Singapore International
Monetary Exchange (kurz: SIMEX) gegenüber als Kundenkonto deklarierte,
aber gleichzeitig von den regelmäßigen Meldungen an die
Zentrale in London ausschloß. Kurze Zeit später konnte
Leeson den Fehler seines Angestellten ausgleichen; das Konto aber
nutzte er von nun an für seine unerlaubten Geschäfte und
Spekulationen.
Anfang
1994 stieg Leeson als Generaldirektor für den Futurehandel
in die Führungsetage auf. Im Unternehmen war er ein beliebter
Mann, denn die zusätzlichen Gehälter, die ihm seine Erfolge
zwischen 1993 und 1994 einbrachten, schüttete er zum Teil an
die Belegschaft aus. 1993 vergrößerte Leeson die Gewinne
der Barings-Tochter von 2 auf 20 Millionen US-Dollar (wohl auch
bedingt durch den in Asien herrschenden Aufwärtstrend an den
Börsen). Doch auch 1994 schloss er das Jahr mit Gewinn ab,
obwohl die asiatischen Märkte einen Rücksetzer hinnehmen
mussten.
Bis
1994 war Leeson mehrmals mit seinem geheimen Konto ins Minus geraten,
konnte aber die Verluste immer wieder durch gutes Gespür für
den Verlauf der Märkte ausgleichen. Durch diese Bestätigung
seiner "Spürnase" und aufgrund seiner anderen - unbestreitbaren
- Erfolge beflügelt, investierte er immer weiter und mit immer
größeren Summen. Um an die nötigen finanziellen
Mittel zu gelangen, war ihm nahezu jedes Mittel recht. So wies er
seine Mitarbeiter an, geschlossene Kontrakte derart zu manipulieren,
dass Kauf- und Verkaufkontrakte saldiert wurden. Dadurch kam es
zu einer Reduzierung der Einschüsse an der SIMEX für die
gehandelten Papiere. Außerdem transferierte er Geld aus dem
Geschäftsverkehr der BFS auf sein Geheimkonto.
Ende
1994 drohte die Aufdeckung seiner illegalen Machenschaften. Die
Einschüsse auf Wertpapiere, die zentral von London aus koordiniert
wurden, waren aufgrund von Spekulationen von 39 Millionen (Anfang
1994) auf 221 Millionen Pfund (Ende 1994) angewachsen. Darüber
hinaus wies das Geheimkonto eine Verlustposition in Höhe von
50 Millionen auf. Um seine Machenschaften zu vertuschen, gab Leeson
den Verlust als Forderung gegen ein Unternehmen aus. Gleichzeitig
machte er Falschaussagen und täuschende Statements gegenüber
den Wirtschaftsprüfern und den Barings-Gremien. Schließlich
gaukelte er Anfang Februar 1995 durch erneute Manipulation den Erhalt
des Geldes vor. Die Entdeckung seiner Machenschaften war vorerst
abgewendet. In der Realität blieben die Verlustpositionen natürlich
bestehen und raubten Leeson den Schlaf.
Im
Januar 1995 dann war Leeson der Ansicht, seine Verluste mit einem
vermeintlich sicheren Geschäft kompensieren zu können.
Am 17. Januar 1995 wurde Japan von einem Erdbeben der Stärke
7,2 auf der Richterskala heimgesucht. Innerhalb von 20 Sekunden
wurden weite Teile der Stadt Kobe zerstört, es gab mehr als
4.000 Tote und über 300.000 Obdachlose. Ein Großfeuer
zerstörte über 100 Hektar der Stadt; der Sachschaden aus
dem Beben belief sich auf über 100 Milliarden Euro. Die Börsen
reagierten sofort. Alle großen Indizes hatten Verluste zu
verbuchen, der Nikkei-225 die größten, er verlor zwischen
dem 13. und dem 23. Januar fast 8% und fiel unter 19.000 Punkte.
Leeson war der Meinung, dass sich der Index wieder erholen würde:
aktuelle Konjunkturdaten deuteten eine leichte wirtschaftliche Erholung
in Japan an, und außerdem stand der Nikkei seit Anfang 1994
- bis auf einen kleinen Ausrutscher im November 1994 - immer oberhalb
der Marke von 19.000 Punkten. Leeson kaufte deshalb zunächst
10.000 Future-Kontrakte mit Fälligkeit März.
Wider
Erwarten fielen die Kurse jedoch weiter. Um die weiteren Verluste
ausgleichen zu können, musste Leeson immer höhere Risiken
eingehen. Er kaufte also weiter, hielt Anfang Februar 30.000 der
obigen Kontrakte, Mitte Februar 40.000, und Ende Februar 61.039
Future-Kontrakte. Der Nikkei stand zu diesem Zeitpunkt bei 17.000
Punkten. Daneben tätigte er Fehlinvestments in Japanese-Government-Bond-Futures,
Euro-Yen-Futures und Optionen auf den Nikkei-Index-Futures. Insgesamt
belief sich der Verlust auf 619 Millionen britische Pfund. Er war
so hoch, dass Leeson Ende Februar nicht mehr in der Lage war, die
fälligen Einschüsse für die Sicherheitsmargen an
die betreffenden Börsen aufzubringen.
Da
Leeson keine Möglichkeit mehr sah, seine Verluste zu kompensieren
oder zu vertuschen, beschloss er, unterzutauchen. Kurz nach seinem
Verschwinden wurden dann die Verluste entdeckt - Barings war
pleite. Am 27. Februar musste das Traditionshaus den Handel
einstellen und Vergleich beantragen. Im März wurde die Bank
von der niederländischen ING Groep übernommen,
welche sie als ING Barings in den Konzern eingliederte.
Einige
Tage nach seiner Flucht wurde Leeson in Frankfurt verhaftet und
am 23. November 1995 nach Singapur ausgeliefert. Er wurde wegen
Betrugs und Urkundenfälschung zu 6,5 Jahren Gefängnisverurteilt.
Wegen guter Führung wurde er am 3. Juli 1999 vorzeitig aus
dem Gefängnis entlassen. Seine Erlebnisse hat Leeson in dem
Buch "Rouge Trader" / "DasMilliardenspiel" niedergeschrieben.
Gleichzeitig wurde seine Geschichte in dem Film "High Speed
Money" verewigt
Der
Nikkei fiel in der Folgezeit sogar noch unter 10.000 Punkte
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