Der Krieg ist vorbei!
von Thomas Badtke

"Der Krieg ist vorbei" war vielerorts zu lesen und zu hören. Aber ist er es wirklich? Nur weil die Amerikaner vor einem riesigen Weltpublikum am Fernsehschirm eine Statue des irakischen Diktators mit einem Bergepanzer vom Sockel gerissen haben? In Saddam-City, wo zwischen zwei und drei Millionen, großteils schiitische Iraker in Armut leben, fand diese "Befreiung" statt. Doch so, wie die Statue erst nach mehreren Stunden vom Sockel geholt werden konnte, könnte auch das weitere Kriegsszenario aussehen.

Vor dem Beginn des Krieges war immer zu hören und zu lesen, von beiden Seiten übrigens, dass die Hauptstadt Bagdad der wohl umkämpfteste Ort im Irak sein werde. Mehrere Millionen Einwohner warteten angeblich nur darauf, den amerikanisch-zionistischen Feinden entgegentreten zu können. Ein blutiger, menschenzerschleißender Häuserkampf wurde erwartet. "Bagdad wird das amerikanische Stalingrad", tönten irakische Politiker. Nichts von alledem ist eingetreten. Um es mit Wowereit zu sagen: "Und das ist gut so."

Bagdad scheint eingenommen. Es waren zwar Bilder von jubelnden Menschen zu sehen, diese waren jedoch meistens jung. Die älteren Iraker hielten sich merklich zurück. Viele Fernsehteams interviewten dann Hussein-Gegner, Leute die froh sind, dass der Diktator weg ist. Aber was ist mit seinen Millionen Unterstützern? Mit seinen Anhängern, seinen Verbündeten? Den 10.000 Gotteskämpfern, die sich für ihn als Selbstmordattentäter verdingen sollten bzw. wollten? Das Springer-Blatt "Die Welt" verglich die Situation in Bagdad mit dem 1989er Szenarien in Berlin, Warschau, Prag und Budapest. Aber das halte ich persönlich für historisch falsch und reißerisch. Damals fand ein friedlicher Umschwung statt. Es musste keiner sterben. Es wurde kein "präventiver Angriffskrieg" geführt, um z.B. die Ostdeutschen "zu befreien" und ihnen die dann folgende "Kohlsche Demokratie" zu schenken. Insofern haben die Stimmen recht, die vor genau der jetzigen Situation im Irak gewarnt haben. Eine Demokratie muss von den Bürgern, von innen heraus, wachsen und darf nicht von außen aufgepflanzt werden. Ein Iraker sagte dann auch prompt in die Kamera, dass man den Amerikanern danken muss für die Befreiung, aber deshalb dürften diese nicht den Irak besetzt halten. Ein Stationierung von Truppen, wie beispielsweise nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland oder Japan ist damit ausgeschlossen. Ähnliches war auch von Peter Scholl-Latour zu hören, der lange vor dem Einmarsch der Amerikaner in Bagdad vor der Situation nach dem Kriegsende warnte. Eine Demokratie sei nicht so einfach installierbar in einem islamischen Land. Das "demokratischste" islamische Land sei derzeit der Iran. Die Türkei hat mehrere Jahrzehnte und einen "absolutistischen" Atatürk gebraucht, um halbwegs demokratisch zu werden. Egal ob nun in Ägypten, Jordanien, Syrien, Saudi-Arabien usw., in all diesen Ländern ist eine "Herrscherfamilie" am Werk, die vom Ausland gestützt wird. Nirgendwo, bis auf den Iran, seien deshalb im islamischen Raum demokratische Verhältnisse zu erkennen. Demokratie wie sie der Westen kennt, sowieso nicht.

Bush und Rumsfeld meinten gleich nach dem fast unblutigen Einmarsch in Bagdad, wenn man einmal von ein paar toten Journalisten absieht, dass der Krieg noch geraume Zeit dauern könne. Und da werden sie wohl oder übel Recht behalten. Neben Saddams Geburtsstadt Tikrit sind auch die beiden nördlichen Ölstädte Mossul und Kirkuk hart umkämpft. Auch in Basra herrscht noch keine absolute Ruhe. Die Briten bemühen sich zwar, aber auch hier zeigt sich vor allen Dingen die ältere Bevölkerung misstrauisch. Besonders die kurdischen Peschmerga-Kämpfer im Norden, wieder einmal von den Amerikanern ausgerüstet und als eine Art afghanische Nord-Allianz fungierend, könnten ein Problem für eine Nachkriegsordnung im Irak darstellen. Während die Türken keinen kurdischen Staat im Norden des Irak wollen, der auch noch über gehörige Ölvorräte verfügen könnte, streben die Kurden schon seit mehreren Jahren und Jahrzehnten genau dies an. Mit den nun von den Amerikanern erhaltenen Waffen könnte sich durchaus eine Verlagerung des Krieges andeuten. Die Chance zur Unabhängigkeit war noch nie so groß für die Kurden. Fraglich ist dann nur, wie sich die Türken verhalten werden. Und auch die Amerikaner werden wohl kaum ihre neugewonnene Ölmacht so mir nichts, dir nichts aus den Händen geben. Auch ein interner Nato-Konflikt wäre daraus abkeitbar.

Das ist jedoch nicht das einzige Problem. Nun steht die Versorgung der irakischen Bevölkerung im Vordergrund. Der Hunger und die Nöte sind zwar nicht vergleichbar mit denen mancher afrikanischer Völker derzeit, trotzdem kann es recht schnell, dank der großen Bevölkerungsmassen zu Unruhen kommen, sollte nicht genug Nahrung und Wasser vorhanden sein. Die Amerikaner haben sehr deutlich versucht, die lebensnotwendige Infrastruktur im Krieg zu verschonen, ganz im Gegensatz zum 1. Golfkrieg. Gelungen ist ihnen das aber nur zum Teil.

Das größte Problem stellt jedoch noch immer Saddam Hussein dar. Denn er ist verschwunden. Man vermutet ihn zwar im Norden des Landes, aber genaues weiß man nicht. Es könnte also dasselbe Szenario entstehen, wie bei Usama Bin Ladin. Ausgezogen war man ja, um Saddam Hussein zu vernichten. Dieses oberste Kriegsziel steht noch in den Sternen. Auch die Vernichtung von allen Massenvernichtungswaffen dürfte schwierig sein, wenn man keine findet. Es häufen sich zwar die Meldungen, dass die Soldaten irgendwo irgendwelche Fässer finden, aber am Ende stellte sich bisher immer heraus, dass nicht das darin enthalten war, was man vermutete. Kürzlich bekamen Soldaten Hauausschlag auf Pflanzenschutzmittel. Die Rechtfertigung des Krieges, Saddam Hussein besitze Massenvernichtungswaffen und würde die nur zu gern auf amerikanischen Boden einsetzen (wie das auch immer hätte geschehen sollen), ist keine mehr bzw. ist nie eine gewesen. Jetzt, wo Hussein direkt mit dem Rücken zur Wand steht, wäre es nur allzu logisch, falls er Massenvernichtungswaffen besäße, diese zum Einsatz zu bringen. Aber bisher bleibt es ruhig, was die Vermutung erhärtet, dass er nichts mehr von all dem Teufelszeug besitzt, was ihm die Amerikaner zur Verfügung gestellt haben, als er gegen den Iran kämpfte. Wundern würde es mich jedoch nicht, wenn die Amerikaner trotzdem, ganz plötzlich über ein paar Fässer biologische oder chemische Kampfstoffe stolpern, auf deren Fässern dann noch ziemlich gut lesbar als Herkunftsland Syrien, Iran oder auch Frankreich bzw. Deutschland zu lesen ist. Zum einen könnte man so einen weiteren Kriegseinsatz rechtfertigen und zum anderen hätte man die bisherigen Kriegsgegner in der Ecke wo man sie haben will. Es wäre nicht das erste Mal, dass Amerika zu solcherlei Mitteln greift. Es ist allerdings nur eine von mir aufgestellte Hypothese.

Meiner Meinung nach ist der Krieg auch noch nicht vorbei. Noch lange nicht. Leider. Der Sommer kommt und damit die vielgefürchtete Hitze. Sollte der Wiederaufbau der Versorgungsinfrastruktur nicht sehr schnell gelingen, könnte sich das Blatt sehr zugig gegen die anglo-amerikanischen "Befreier" wenden. Eine wütende Bevölkerung ist manchmal zu mehr fähig, als eine bezahlte Armee. Bürgerkriegsähnliche Zustände stünden dann bevor.

Zu hoffen bleiben also drei Dinge:

  • Die Amerikaner dürfen anhand des relativ schnellen Obsiegens sich nicht zu weiteren Präventivkriegen gegen ihnen nicht wohlgesonnene Staaten hinreißen lassen. Egal ob die nun Syrien, Iran oder Nordkorea heißen.
  • Eine noch immer drohende humanitäre Katastrophe tritt nicht ein.
  • Es wird endlich eine Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes in der Weltbevölkerung angestrebt. Denn hier liegt das wirkliche Problem im Nahen Osten. Die Amerikaner tragen auch hier ein gehöriges Stück Mitverantwortung.

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