Blickpunkt Unternehmen : Dt. Telekom/ France Telecom
von Thomas Badtke

Kaum eine Branche hat der Abschwung der weltweiten Börsen mehr in Mitleidenschaft gezogen, als die Telekommunikationsbranche. Europa-, ja weltweit konnte man Schreckensmeldungen vernehmen, die zu Boomzeiten noch unter dem Titel Unternehmensnachrichten und -bekanntmachungen firmierten. Egal ob France Telecom, Telecom Italia, Deutsche Telekom, KPN, British Telecom oder WorldCom, in den vergangenen beiden Jahren war mit keinem dieser Titel so richtig Geld zu verdienen. Nicht einmal der Klassenprimus unter den Mobilfunkern Vodafone konnte sich der weltweiten Aktienbaisse entziehen. Kaum jemand wollte Titel kaufen, die auch nur im entferntesten etwas mit Telekommunikation zu tun hatten.

Die „ehemaligen“ Staatsunternehmen France Telecom und Deutsche Telekom traf es besonders arg. Schuldenstände in Größenordnungen, die man ansonsten nur von Staatsfinanzseite her kannte, Bilanzungereimtheiten und plötzliche Löcher in den Kassen, wie man sie jüngst nur aus dem Haushalt von Hans Eichel kennt. Massenentlassungen die in die Größenordnungen der Zuschauermenge eines Bundesligaspieles hineinreichen. Abfindungen für ehemalige Vorstände und Vorstandsvorsitzende, die im Vergleich zur Pension eines Jürgen W. Möllemann schon unverschämt erscheinen und deren Vergleich mit der Rente eines Otto-Normalbürgers sich einfach nicht geziemt. Alls das trug nicht unbedingt dazu bei, dass Vertrauen in die junge, liberalisierte Telekommunikationsbranche zu stärken oder gar die Kauflust wieder zu erwecken.

Die letzten Hiobsbotschaften erreichen uns aus Frankreich und betreffen, dank Mobilcom, auch uns Deutsche. Das Gerangel bei dem Büdelsdorfer Unternehmen auf der Suche nach Schuld und Schuldigen ähnelt langsam aber sicher einer Seifenoper a la „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Einmal Hüh, einmal Hott. Die Ursache dafür ist aber in Frankreich zu suchen, beim alten, neuen Staatskonzern France Telecom.

Nachdem der dortige Vorstandsvorsitzende Michel Bon seinen Platz für Thierry Breton, kein Interimsvorsitzender - aber das nur am Rande, räumen musste, scheint ein anderer Wind beim mit sage und schreibe 70 Milliarden Euro verschuldeten Telekomunternehmen zu wehen. Das scheint auch dringend nötig gewesen zu sein. Während man sich nämlich beim deutschen Branchenbruder Deutsche Telekom mit Schulden herumplagt, die nur um eine Nuance geringer sind (64 Mrd. Euro), liegt man beim Umsatz um Welten hinter der Deutschen Telekom. Während die Franzosen auf das Gesamtjahr hochgerechnete 45 Mrd. Euro an Umsatz erwirtschaften, erwartet man bei der Deutschen Telekom 80 Milliarden Euro. Gravierender sieht es bei der Gewinnentwicklung der Franzosen aus. Von 2,3 Mrd. Euro im Jahr 1998 kletterte das Plus bis auf 3,7 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2000. Dann jedoch wurde aus dem grünen Plus, ein tiefrotes Minus. Während der Verlust im Jahr 2001 immerhin schon 8,3 Mrd. Euro betrug, wird man ihn im laufenden Jahren wohl mehr als verdoppeln. Bereits im ersten Halbjahr lag das Minus mit insgesamt 12,2 Mrd. Euro um die Hälfte höher, als der gesamte Verlust des vergangenen Geschäftsjahres. Nun drückt der Staat auf die Schuldenbremse und versucht mit einer regelrechten Schocktherapie das Unternehmen innerhalb von nur drei Jahren zu sanieren. Hut ab, wenn es denn mal gelingt. Bei der Deutschen Telekom lässt man sich bei der Sanierung des „magentafarbenen Riesen“ mehr Zeit. Zwangsläufig, möchte man fast sagen, denn eine Reduzierung des erdrückenden Schuldenbergs auf 50 Mrd. Euro wurde bereits auf Ende 2003 verschoben. Doch selbst dieses Datum sehen Analysten als reine Wunschvorstellung bei einer derzeitigen Verschuldung von immerhin noch 64 Mrd. Euro.

Die Franzosen um Breton wollen versuchen bis 2005 die Schulden auf 40 Mrd. Euro zu drücken. Drei Lösungsvorschläge legte der neue Firmenlenker unlängst gleich mit auf den Tisch. Das „3x15“-Programm könnte man es nennen. Neben einer Kapitalerhöhung von 15 Mrd. Euro und einer Erhöhung des Cash-Flow um ebenfalls 15 Mrd. Euro, sollen 15 Mrd. Euro Verbindlichkeiten, sprich Schulden neu verhandelt werden. Gleichzeitig will der Staat seine derzeitige Aktienmehrheit von 56 Prozent noch etwas länger halten. Während hier die Anwesenheit des Staates von Nutzen ist, schlägt sich die enge Bindung zum Staat beim Abbau von Überkapazitäten eher negativ nieder. Zwar werden dank natürlicher Fluktuation und Pensionsregelungen bis 2005 22.000 Arbeitsplätze sozusagen auf natürliche Weise abgebaut, bei weiteren Stellenkürzungen stellen sich die jeweiligen Gewerkschaften bisher stur. Die Mitarbeiter bei der Muttergesellschaft France Telecom sind ohnehin durch ein Anstellungsverhältnis im Öffentlichen Dienst besonders geschützt. Hauruck-Aktionen oder schärfere Maßnahmen seitens der Unternehmensspitze in Richtung Senkung der Personalkosten wird es also nicht geben. So bleibt Breton in erster Linie nur ein Zurückfahren der Investitionskosten und das Fallenlassen einer Dividendenauszahlung. Letzteres ist bei einem Jahresverlust eh schon gang und gebe bei börsennotierten Unternehmen. Die Aktionäre werden aber auch in Frankreich, ähnlich wie in Deutschland nochmals die Fäuste in den Taschen zusammenballen.

Die Sanierung des daniederliegenden französischen Telekommunikationsriesen wird, wie bei Staatsunternehmen nun mal üblich, vom Steuerzahler bezahlt. Nicht nur für das kurzfristige Einräumen einer Kreditlinie von 9 Mrd. Euro für die in naher Zukunft zu tilgenden Verbindlichkeiten, auch bei der Eigenkapitalerhöhung hat der Staat seine Finger im Spiel. Von den 15 Mrd. Euro um die das Eigenkapital ausgebaut werden soll, wird der Staat 56 Prozent übernehmen. Sprich es entstehen nochmals rund 8 Mrd. Euro, die der Steuerzahler tragen muss. Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Mer sieht das ganze eher als „Investition“, vergleichbar etwa mit dem Bau einer Straße. Auf längere Sicht betrachtet, hat er sicherlich Recht. Denn für ein marodes Unternehmen lassen sich nur sehr schwer neue Investoren gewinnen, ebenso wie schlechte Straßen die „Lust am Fahren“ hindern. Die Aktionäre sehen das wohl genauso. Der Aktienkurs stieg zumindest nach der Ankündigung des Sanierungskonzeptes. Nur die Europäische Kommission will die staatlichen Beihilfen unter die Lupe nehmen und sie genauestens überprüfen. Der durch die ganzen Querelen der vergangene Monate eh schon in Mitleidenschaft gezogene Wettbewerb im Telekommunikationsbereich, dürfte abermals leiden. Nicht nur die deutsche Beihilfe für Mobilcom sorgte für Unruhe in Brüssel. Auch die französische Hilfe für France Telecom wird arglistig beäugt.

Das staatliche Beihilfen hilfreich sein können, zeigt das Beispiel der niederländischen Gesellschaft KPN. Mit Hilfe einer Kapitalerhöhung unter Mitbeteiligung des Staates, eines kompletten Managementwechsels, sowie Investitionskürzungen war es gelungen, den Fortbestand des Telekommunikationsunternehmens, zumindest auf mittlere Sicht betrachtet, zu sichern. Die Gläubiger von KPN freuten sich. Die Anleihenkurse des Unternehmens zogen stark an. Mittlerweile sank die Rendite wieder in den Bereich unter fünf Prozent bei einer Laufzeit von drei Jahren. Auch der Renditeaufschlag der allgemeinen Branche sank seit Juli um mehr als einen Prozentpunkt. Die Telekomgesellschaften dürfte es freuen, schließlich ist es ihnen jetzt wieder möglich, günstigere Kredite am Kapitalmarkt aufzunehmen. Sowohl Vodafone, als auch die Deutsche Telekom taten dies bereits und platzierten Anleihen von 1,5 Mrd. Euro bis 1,7 Mrd. Euro. Die höchsten Renditen gibt es noch immer bei der France Telecom (Laufzeit 2007, Rendite rund 7 Prozent) und der Deutschen Telekom (Laufzeit 2007, Rendite 6,3 Prozent).

Die Umstrukturierung der hochverschuldeten, zum Teil noch staatlichen Telekommunikationsunternehmen in Europa ist in vollem Gange. Ob sie von Erfolg gekrönt sein wird, ist bisher noch nicht abzusehen. Die eingeleiteten Schritte am drastischsten Beispiel France Telecom zeigen, dass man bereits bis zum Hals im Schuldensumpf steckte und das Befreien daraus umso schwieriger wird. Vieles dürfte auch davon abhängen, wie sich die einst als Goldesel gepriesene Zukunftstechnologie UMTS entwickeln wird. Aber wie bei der teilweisen Liberalisierung des Strommarktes in den Vereinigten Staaten zeigt sich auch bei der „Entstaatlichung“ des Telekommunikationsmarktes in Europa, dass nicht alles Gold ist, was glänzt und wo neoliberales Wirtschaftsdenken und Globalisierung dahinterstehen. Wer jedoch als Anleger noch immer nicht die Finger von zu privatisierenden Telekommunikationsunternehmen lassen kann, dem bietet sich in Saudi-Arabien ein neues Schmankerl. Der Staat, also das saudische Königshaus, will 30 Prozent der Saudi Telecom Company, kurz STC an der Börse in Riad platzieren. STC wird sofort mit einer Marktkapitalisierung von rund 8 Mrd. US-Dollar eines der beiden Top-Schwergewichte der saudischen Börse. Einziges Problem: Die Aktien sind für Ausländer nur indirekt über saudische Investmentfonds erwerbbar.

zurück