Kaum
eine Branche hat der Abschwung der weltweiten Börsen mehr in
Mitleidenschaft gezogen, als die Telekommunikationsbranche. Europa-,
ja weltweit konnte man Schreckensmeldungen vernehmen, die zu Boomzeiten
noch unter dem Titel Unternehmensnachrichten und -bekanntmachungen
firmierten. Egal ob France Telecom, Telecom Italia, Deutsche Telekom,
KPN, British Telecom oder WorldCom, in den vergangenen beiden Jahren
war mit keinem dieser Titel so richtig Geld zu verdienen. Nicht
einmal der Klassenprimus unter den Mobilfunkern Vodafone konnte
sich der weltweiten Aktienbaisse entziehen. Kaum jemand wollte Titel
kaufen, die auch nur im entferntesten etwas mit Telekommunikation
zu tun hatten.
Die
ehemaligen Staatsunternehmen France Telecom und Deutsche
Telekom traf es besonders arg. Schuldenstände in Größenordnungen,
die man ansonsten nur von Staatsfinanzseite her kannte, Bilanzungereimtheiten
und plötzliche Löcher in den Kassen, wie man sie jüngst
nur aus dem Haushalt von Hans Eichel kennt. Massenentlassungen die
in die Größenordnungen der Zuschauermenge eines Bundesligaspieles
hineinreichen. Abfindungen für ehemalige Vorstände und
Vorstandsvorsitzende, die im Vergleich zur Pension eines Jürgen
W. Möllemann schon unverschämt erscheinen und deren Vergleich
mit der Rente eines Otto-Normalbürgers sich einfach nicht geziemt.
Alls das trug nicht unbedingt dazu bei, dass Vertrauen in die junge,
liberalisierte Telekommunikationsbranche zu stärken oder gar
die Kauflust wieder zu erwecken.
Die
letzten Hiobsbotschaften erreichen uns aus Frankreich und betreffen,
dank Mobilcom, auch uns Deutsche. Das Gerangel bei dem Büdelsdorfer
Unternehmen auf der Suche nach Schuld und Schuldigen ähnelt
langsam aber sicher einer Seifenoper a la Gute Zeiten, schlechte
Zeiten. Einmal Hüh, einmal Hott. Die Ursache dafür
ist aber in Frankreich zu suchen, beim alten, neuen Staatskonzern
France Telecom.
Nachdem
der dortige Vorstandsvorsitzende Michel Bon seinen Platz für
Thierry Breton, kein Interimsvorsitzender - aber das nur am Rande,
räumen musste, scheint ein anderer Wind beim mit sage und schreibe
70 Milliarden Euro verschuldeten Telekomunternehmen zu wehen. Das
scheint auch dringend nötig gewesen zu sein. Während man
sich nämlich beim deutschen Branchenbruder Deutsche Telekom
mit Schulden herumplagt, die nur um eine Nuance geringer sind (64
Mrd. Euro), liegt man beim Umsatz um Welten hinter der Deutschen
Telekom. Während die Franzosen auf das Gesamtjahr hochgerechnete
45 Mrd. Euro an Umsatz erwirtschaften, erwartet man bei der Deutschen
Telekom 80 Milliarden Euro. Gravierender sieht es bei der Gewinnentwicklung
der Franzosen aus. Von 2,3 Mrd. Euro im Jahr 1998 kletterte das
Plus bis auf 3,7 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2000. Dann jedoch
wurde aus dem grünen Plus, ein tiefrotes Minus. Während
der Verlust im Jahr 2001 immerhin schon 8,3 Mrd. Euro betrug, wird
man ihn im laufenden Jahren wohl mehr als verdoppeln. Bereits im
ersten Halbjahr lag das Minus mit insgesamt 12,2 Mrd. Euro um die
Hälfte höher, als der gesamte Verlust des vergangenen
Geschäftsjahres. Nun drückt der Staat auf die Schuldenbremse
und versucht mit einer regelrechten Schocktherapie das Unternehmen
innerhalb von nur drei Jahren zu sanieren. Hut ab, wenn es denn
mal gelingt. Bei der Deutschen Telekom lässt man sich bei der
Sanierung des magentafarbenen Riesen mehr Zeit. Zwangsläufig,
möchte man fast sagen, denn eine Reduzierung des erdrückenden
Schuldenbergs auf 50 Mrd. Euro wurde bereits auf Ende 2003 verschoben.
Doch selbst dieses Datum sehen Analysten als reine Wunschvorstellung
bei einer derzeitigen Verschuldung von immerhin noch 64 Mrd. Euro.
Die
Franzosen um Breton wollen versuchen bis 2005 die Schulden auf 40
Mrd. Euro zu drücken. Drei Lösungsvorschläge legte
der neue Firmenlenker unlängst gleich mit auf den Tisch. Das
3x15-Programm könnte man es nennen. Neben einer
Kapitalerhöhung von 15 Mrd. Euro und einer Erhöhung des
Cash-Flow um ebenfalls 15 Mrd. Euro, sollen 15 Mrd. Euro Verbindlichkeiten,
sprich Schulden neu verhandelt werden. Gleichzeitig will der Staat
seine derzeitige Aktienmehrheit von 56 Prozent noch etwas länger
halten. Während hier die Anwesenheit des Staates von Nutzen
ist, schlägt sich die enge Bindung zum Staat beim Abbau von
Überkapazitäten eher negativ nieder. Zwar werden dank
natürlicher Fluktuation und Pensionsregelungen bis 2005 22.000
Arbeitsplätze sozusagen auf natürliche Weise abgebaut,
bei weiteren Stellenkürzungen stellen sich die jeweiligen Gewerkschaften
bisher stur. Die Mitarbeiter bei der Muttergesellschaft France Telecom
sind ohnehin durch ein Anstellungsverhältnis im Öffentlichen
Dienst besonders geschützt. Hauruck-Aktionen oder schärfere
Maßnahmen seitens der Unternehmensspitze in Richtung Senkung
der Personalkosten wird es also nicht geben. So bleibt Breton in
erster Linie nur ein Zurückfahren der Investitionskosten und
das Fallenlassen einer Dividendenauszahlung. Letzteres ist bei einem
Jahresverlust eh schon gang und gebe bei börsennotierten Unternehmen.
Die Aktionäre werden aber auch in Frankreich, ähnlich
wie in Deutschland nochmals die Fäuste in den Taschen zusammenballen.
Die
Sanierung des daniederliegenden französischen Telekommunikationsriesen
wird, wie bei Staatsunternehmen nun mal üblich, vom Steuerzahler
bezahlt. Nicht nur für das kurzfristige Einräumen einer
Kreditlinie von 9 Mrd. Euro für die in naher Zukunft zu tilgenden
Verbindlichkeiten, auch bei der Eigenkapitalerhöhung hat der
Staat seine Finger im Spiel. Von den 15 Mrd. Euro um die das Eigenkapital
ausgebaut werden soll, wird der Staat 56 Prozent übernehmen.
Sprich es entstehen nochmals rund 8 Mrd. Euro, die der Steuerzahler
tragen muss. Der französische Wirtschafts- und Finanzminister
Mer sieht das ganze eher als Investition, vergleichbar
etwa mit dem Bau einer Straße. Auf längere Sicht betrachtet,
hat er sicherlich Recht. Denn für ein marodes Unternehmen lassen
sich nur sehr schwer neue Investoren gewinnen, ebenso wie schlechte
Straßen die Lust am Fahren hindern. Die Aktionäre
sehen das wohl genauso. Der Aktienkurs stieg zumindest nach der
Ankündigung des Sanierungskonzeptes. Nur die Europäische
Kommission will die staatlichen Beihilfen unter die Lupe nehmen
und sie genauestens überprüfen. Der durch die ganzen Querelen
der vergangene Monate eh schon in Mitleidenschaft gezogene Wettbewerb
im Telekommunikationsbereich, dürfte abermals leiden. Nicht
nur die deutsche Beihilfe für Mobilcom sorgte für Unruhe
in Brüssel. Auch die französische Hilfe für France
Telecom wird arglistig beäugt.
Das
staatliche Beihilfen hilfreich sein können, zeigt das Beispiel
der niederländischen Gesellschaft KPN. Mit Hilfe einer Kapitalerhöhung
unter Mitbeteiligung des Staates, eines kompletten Managementwechsels,
sowie Investitionskürzungen war es gelungen, den Fortbestand
des Telekommunikationsunternehmens, zumindest auf mittlere Sicht
betrachtet, zu sichern. Die Gläubiger von KPN freuten sich.
Die Anleihenkurse des Unternehmens zogen stark an. Mittlerweile
sank die Rendite wieder in den Bereich unter fünf Prozent bei
einer Laufzeit von drei Jahren. Auch der Renditeaufschlag der allgemeinen
Branche sank seit Juli um mehr als einen Prozentpunkt. Die Telekomgesellschaften
dürfte es freuen, schließlich ist es ihnen jetzt wieder
möglich, günstigere Kredite am Kapitalmarkt aufzunehmen.
Sowohl Vodafone, als auch die Deutsche Telekom taten dies bereits
und platzierten Anleihen von 1,5 Mrd. Euro bis 1,7 Mrd. Euro. Die
höchsten Renditen gibt es noch immer bei der France Telecom
(Laufzeit 2007, Rendite rund 7 Prozent) und der Deutschen Telekom
(Laufzeit 2007, Rendite 6,3 Prozent).
Die
Umstrukturierung der hochverschuldeten, zum Teil noch staatlichen
Telekommunikationsunternehmen in Europa ist in vollem Gange. Ob
sie von Erfolg gekrönt sein wird, ist bisher noch nicht abzusehen.
Die eingeleiteten Schritte am drastischsten Beispiel France Telecom
zeigen, dass man bereits bis zum Hals im Schuldensumpf steckte und
das Befreien daraus umso schwieriger wird. Vieles dürfte auch
davon abhängen, wie sich die einst als Goldesel gepriesene
Zukunftstechnologie UMTS entwickeln wird. Aber wie bei der teilweisen
Liberalisierung des Strommarktes in den Vereinigten Staaten zeigt
sich auch bei der Entstaatlichung des Telekommunikationsmarktes
in Europa, dass nicht alles Gold ist, was glänzt und wo neoliberales
Wirtschaftsdenken und Globalisierung dahinterstehen. Wer jedoch
als Anleger noch immer nicht die Finger von zu privatisierenden
Telekommunikationsunternehmen lassen kann, dem bietet sich in Saudi-Arabien
ein neues Schmankerl. Der Staat, also das saudische Königshaus,
will 30 Prozent der Saudi Telecom Company, kurz STC an der Börse
in Riad platzieren. STC wird sofort mit einer Marktkapitalisierung
von rund 8 Mrd. US-Dollar eines der beiden Top-Schwergewichte der
saudischen Börse. Einziges Problem: Die Aktien sind für
Ausländer nur indirekt über saudische Investmentfonds
erwerbbar.
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