Moin,
den
Wirtschaftsstandort Deutschland, die Lokomotive der EU in diesem
Bereich, gibt es nicht mehr. Will man dem Großteil der deutschen
und europäischen Medien glauben. Das Problem mit den berühmten
3 Prozent Haushaltsdefizit wurde ja bereits schon diskutiert, die
Eichelsche "Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts"
wird wohl auch noch in den kommenden Jahren als Ausrede für
überhöhte Verschuldung herhalten müssen. Der ausgeglichene
Haushalt, angestrebt bis 2006, gehört wohl nunmehr in das Reich
der Märchen oder besser noch der Fabel. Sind die Gebrüder
Grimm etwa Vorfahren unserer rot-grünen Bundesregierung?
Es
ist kaum möglich eine Zeitung aufzuschlagen, eine Internetseite
aufzurufen oder eine Nachrichtensendung des immer kritischen Fernsehens
zu schauen, ohne in dieser kalten, dunklen Jahreszeit Depressionsanfälle
zu bekommen. Bei den Schmidtschen Gesundheitsreformvorschlägen
werden erstmals Vergleiche mit dem im Endeffekt gar nicht vorhandenen
Gesundheitssystem der USA laut. "Sozialbankrott" nennt
man das. Schröder kündigt weitere "schmerzhafte Einschnitte"
an. Eichel muss einen eigentlich verfassungswidrigen Nachtragshaushalt
durchboxen. Die Arbeitslosenzahlen nähern sich wieder bedrohlichen
Marken und werden diese, dem Winter sei Dank, auch locker überbieten.
Schreckensszenarien sehen bereits 5 Millionen Arbeitslose auf uns
zu kommen. Usw. usw.
Den Knaller landete aber der frühere Finanzminister und jetzige
"Ruheständler" Oskar Lafontaine, SPD (wenn es nach
Kanzlergattin Schröder-Köpf ginge, wohl nicht mehr lange).
Er verglich unseren ehemaligen "Kanzler der Bosse" und
jetzigen "Gewerkschaftskanzler" mit dem Reichskanzler
Brüning, der dank seiner Sparpolitik - immerhin in einer vergleichbar
schwierigen Zeit, wenn man den deutschen Massenmedien Glauben schenken
will - die Massenarbeitslosigkeit förderte und somit Hitler
den Weg an die Macht bereitet haben soll. Dazu nur soviel: Wer sich
ein bisschen mit den damaligen Zusammenhängen auskennt und
nicht nur die sture, allgemeine deutsche oder anglo-amerikanische
Geschichtsschreibung berücksichtigt, wäre nie auf den
Gedanken für solch einen Vergleich gekommen. Aber das nur am
Rande.
Ein
Lichtblick in der Presselandschaft scheint da die Wochenzeitung
"Die Zeit" zu sein, denn ihr Aufmacher lautete vor kurzem:
"Deutschland im Leerlauf - Gang rein, Kanzler". Hier scheint
das Glas noch halbvoll zu sein, im Gegensatz zum Rest der meinungsmachenden
Presse der Republik, die schon seit Monaten an einem halbleeren
Glas zu nippen scheinen. Mit der Stimmung in der Bevölkerung,
auch hervorgerufen durch die recht einseitige Meinungsbildung der
Medien, scheint es nicht besonders weit her zu sein. Untersuchungsausschüsse
zu etwaigen Wahllügen - ich will hier nicht wieder von den
blühenden Landschaften eines Ex-Kanzlers anfangen - verstärken
die Skepsis der Deutschen gegenüber der Politik nur noch. Der
Neidfaktor wächst und wächst. Wenn der Kanzler später
einmal in Pension geht, wird er mehr als 10.000 Euro pro Monat an
Pension bekommen. Das spricht nicht unbedingt für die Sparpolitik
der Regierung. Eine Nullrunde bei den Diäten ist zwar geplant,
aber wer weiß schon, was mit den Kostenpauschalen passiert.
Früher wollte man auch einmal die Verbindungen der Abgeordneten
zu ihren Interessenverbindungen aufdecken. Das war früher.
Noch vor den Wahlen. Mittlerweile hat man ja wichtigeres zu tun.
Um das Vertrauen der Bürger wieder zu erlangen, was wiederum
sehr wichtig für eine positive Grundstimmung in der Bevölkerung
ist, sollte man da aber anfangen. Es reicht nicht, das man quasi
nebenbei erwähnt, dass von den SPD-Abgeordneten im Bundestag
ca. 190 Mitglieder im DGB sind. Nein, es muss weiter gehen, sonst
drohen uns nicht nur in der Gesundheits- und Wirtschaftspolitik
amerikanische Verhältnisse. Das große neoliberale Vorbild
USA kränkelt nämlich an denselben Problemen. Die Glaubwürdigkeit
der Politik ist dort bereits Thema, seitdem Bush als von der Bevölkerung
nicht gewählter Präsident, ebendiese Funktion ausführt.
Im
neuen Buch von Michael Moore, seines Zeichens "Chefsarkastiker"
der Staaten und das scheinbar noch letzte lebende Gewissen der "Neuen
Freien Welt", schreibt er von einer "Bananenrepublik"
USA. Er fordert sogar UN-Generalsekretär Annan auf, Blauhelm-Soldaten
ins Land zu schicken und den sich widerrechtlich an der Macht befindlichen
George W. Bush zu entfernen. Bush sei nur wegen seines Vaters und
dessen Verbindungen, sowie seinem Bruder Jeb, Gouverneur von Florida,
an die Macht gekommen und nicht durch die Mehrheit des Volkes gewählt
worden. Knappe 500.000 Stimmen hatte er weniger auf sich vereinen
können, als sein demokratischer Widerpart Al Gore.
Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so ernst wäre.
In Deutschland müssen die Politiker noch zurücktreten,
wenn Interessenkonflikte, hervorgerufen durch die Privatwirtschaft,
auftreten. Allerdings auch nur, wenn man ein bekannter Abgeordneter
oder Minister ist. Der Rest mauschelt weiter wie bisher. Gewerkschaften,
Verbände, Politiker und selbst wir, das Volk, suggeriert durch
die geballte Medienmacht, fordern Minister aus der Wirtschaft für
die Politik. Welche, die sich mit den globalwirtschaftlichen Unwägbarkeiten
auskennen. Wie wäre es denn mit Ron Sommer als neuem Superminister,
statt Wolfgang Clement? Sie lachen???
In Amerika ist das so normal wie die Übergewichtigkeit der
Bevölkerung. Von wegen in Amerika gibt es keine Dicke. Zur
Verdeutlichung nun ein paar Beispiele inklusive ihrer Verbindungen
zur Wirtschaft.
George
W. Bush: Sein Ziehpferd ist die Ölindustrie. Da er aber
nur als Marionette fungiert und er schon einmal Thema dieser "Campi´s
corner" gewesen ist, belasse ich es mal dabei. Verweisen möchte
ich nur noch einmal auf "Das Bush-Imperium" von J. Hatfield.
"Dick"
Cheney: Seines Zeichens Vizepräsident der jetzigen Regierung.
Er war unter Nixon Stellvertreter des damaligen Berater des weißen
Hauses, Donald Rumsfeld (Huch, den Namen hab ich doch schon mal
gehört.). Unter Ford war er Stabschef und ersetzte dabei Rumsfeld.
George Bush, der Vater von W., setzte ihn als Verteidigungsminister
ein. Die Intervention in Panama, wegen des Kanals, und der "Wüstensturm"
gehören zu seinen Verdiensten. Während der demokratischen
Clintonregierung war er dann CEO von Halliburton, einem bekannten
Zulieferer der Ölindustrie. Was macht man als CEO einer solchen
Firma und als ehemaliger Verteidigungsminister? Richtig, man macht
Geschäfte mit dem "Staatsfeind Nr. 1" und heutiger
"Achse des Bösen"-Hauptmitgliedes, Irak. Aber das
reichte ihm noch nicht. Er will auch nach Öl in dem unter Bush
ins Gerede gekommenen Naturschutzgebiet auf Alaska suchen, sowie
im Golf von Mexiko. Und gerade deshalb wollte er sich auch nicht
von seinen Halliburton-Aktien trennen.
John
Ashcroft: Justizminister. Unter seiner Ägide wurde der
Microsoft-Kartellfall ad acta gelegt. Dem Unternehmen war das während
der Wahlen immerhin 10.000 US-Dollar wert. Gleichzeitig bekam er
Gelder von AT&T, Monsanto und Schering-Plough. Letztere ließen
ihm 50.000 US-Dollar im Wahlkampf zukommen, damit er eine Patentschutzverlängerung
für ein Allergiemittel durchsetzt. Überragendster Beweis
für seine Befähigung als Justizminister aber ist die Tatsache,
dass er als Justizminister und NRA-Mitglied (National Rifle Organisation)
veranlasste, das bereits 24h nach dem Kauf einer Schusswaffe und
der Überprüfung alle Daten des Käufers vernichtet
werden müssen. In einem Land wo es mehr Waffen als Einwohner
gibt, Ex-Schauspieler entweder Präsident des Landes (Reagan)
oder der NRA (Charlton Heston, alias Ben Hur bzw. Moses) werden,
der amtierende Präsident Terroristen per Hightech-Drohne mit
Raketenbestückung suchen und ausschalten lässt und mehr
Kinder durch Schusswaffen sterben, als in manchen Ländern Afrikas
Kinder an Hunger, ist das natürlich eine Großtat für
die Waffenlobby.
Finanzminister
Paul O´Neill war CEO von Alcoa, dem größten
Aluminiumhersteller der Welt. Allerdings auch der größte
Umweltverschmutzer in Bundesstaat Texas, wo man mehr als 60.000t
Schwefeldioxyd in die Luft verpulvern darf, dank eines Schlupfloches
im dortigen Gesetzbuch. Ob O´Neill dafür noch immer stattliche
962.000 US-Dollar von Alcoa bekommt???
Die
in unseren Breitengraden noch mehr oder weniger unbekannte Landwirtschaftsministerin
der USA, Ann Veneman, arbeitete bereits für den Schauspieler
Ronald Reagan und Papa Bush. Bitte nicht mit Papa Schlumpf verwechseln.
Auch wenn "blau" im Hause der Bushs eine große Bedeutung
zu haben scheint. Vor allem bei George W. und seinen Zwillingstöchtern.
Zurück zu Veneman. Sie schaffte in Kalifornien quasi die Familienbetriebe
in der Rindfleischproduktion ab, was dazu führte, dass nur
noch vier Unternehmen den Markt unter sich aufteilen dürfen.
"Liberales" Vorgehen ist da etwas anderes. Ähnliche
Parallelen gibt es in Deutschland in der Energiewirtschaft und dem
Ex-Wirtschaftsminister Müller. Immerhin teilen sch den deutschen
Energiemarkt E.on, RWE und Vattenfall unter sich auf. Wobei letztere
ziemlich ins Straucheln geraten könnten und wir dann eine Senkung
der Preise mit einem Duopol wohl kaum bekommen werden. Zusätzlich
sitzt Veneman im Vorstand der Biotechnologiefirma Calgene. Calgene
ist das erste Unternehmen in den USA, das genmanipulierte Lebensmittel
auf den Markt bringen darf. Es wurde erst von Monsanto geschluckt
und dieses dann wiederum von Pharmacia. Monsanto versucht derzeit
ein Gesetz zu verhindern, das eine Kennzeichnung von genmanipulierten
Lebensmitteln vorschreibt. Immerhin 12.000 US-Dollar spendete man
für Bushs Wahlkampf.
Verteidigungsminister
Donald "Don" Rumsfeld gehört schon, ebenso
wie Dick Cheney, seit den Nixonschen Watergate-Tagen zum regierenden
Establishment. Um es kurz zu machen: Er ist CEO des Pharmaunternehmens
G.D. Searle (mittlerweile ebenfalls zu Pharmacia gehörend)
und im Vorstand von General Instrument, nun bekannt unter dem Namen
Motorola tätig. Er saß allerdings auch schon in den Vorständen
von Kellogg´s, Allstate und der Tribune Company. Letztere
ist ein Verlagsunternehmen, das die bekannten Meinungsbilder "Chicago
Tribune" und "L.A. Times" herausbringt.
Energieminister Abraham hält Ölbohrungen in Alaska
für "zukunftsweisend". Die Autoindustrie unterstützte
ihn mit zehntausenden von US-Dollar. Darunter auch DaimlerChrysler,
die eine Verschärfung des Standards zum Benzinverbrauch verhindern
wollen und dafür die "Coalition for Vehicle Choice"
gegründet haben. Das die Amis auf große, schwere und
benzinschluckende Monstren von Autos abfahren, weiß man nicht
erst seit den "BigBlock"-Maschinen der 60er Jahre. Geländewagen
und Minivan bestimmen den Straßenverkehr in den Staaten. Selbst
in Manhattan sind die meistverkauften Automobile Geländewagen.
Die einzigen Berge, die es in New York gibt, bestehen aus Trümmern.
Wozu also Geländewagen? Der durchschnittliche Benzinverbrauch
stieg innerhalb weniger Jahre vom niedrigsten Wert der Geschichte
unter Clinton von 10,4 l pro 100 km auf knapp 12 l unter Bush. Die
USA verbrauchen im Übrigen täglich mehr als 20 Millionen
Barrel Öl. Vielleicht versteht man jetzt, warum die amerikanischen
Soldaten nach Afghanistan und damit in die Nähe des Kaspischen
Meeres gegangen sind und spätestens ab Februar "Urlaub"
im geschichts- und ölträchtigen Gebiet (zweitgrößtes
Ölgebiet der Welt) am Euphrat und Tigris machen wollen bzw.
müssen.
Außenminister
Colin Powell, die "Taube unter den Falken" sitzt
im Vorstand von Gulfstream Aerospace, einem Jethersteller, der seine
Flugzeuge gern an Regierungen aus dem Nahen Osten oder aus Scheichtümern
verkauft. Kuwaitis und die Saudis gehören zu den bevorzugten
Kunden. Auch im Vorstand von AOL thront er. Das er Aktien von der
Firma besitzt bzw. besessen hat, macht es nicht besser. Denn sein
Sohn Michael war bei der Fusion AOL-TimeWarner Mitglied der Federal
Communications Commission (FCC). Er war der einzige der Kommission,
der empfahl, die Fusion anstandslos zu genehmigen. Braver Sohn.
Mittlerweile ist Powells Sohn zum Vorsitzenden der Kommission ernannt
worden, die die Aktivitäten von AOL-TimeWarner überwachen
soll. Den Bock zum Gärtner machen, nennt man so etwas.
Allen
bekannt dürfte auch Condoleeza Rice sein. Sie ist Beraterin
für "Nationale Sicherheit" und seit dem 11.9.2001
nicht mehr aus der Führungsriege von George W. wegzudenken.
Sie war Vorstandsmitglied bei Chevron. Das Unternehmen scheint zufrieden
mit ihr zu sein, denn es benannte einen Tanker nach ihr. Man stelle
sich nur mal vor, der vor Galizien geberstete Tanker "Prestige"
hätte "Condi Rice" gehießen. Auch der Vorstand
von Charles Schwab, Tradern auf jedem Fall ein Begriff, konnte auf
C. Rice zählen. J.P. Morgan, mittlerweile J.P. MorganChase,
kann auf ihre Dienste als Beraterin noch immer nicht verzichten.
Gesundheitsminister
Tommy Thompson, den Namen gibt's wirklich, ist Aktionär
von Philip Morris gewesen und bekam 72.000 US-Dollar von diesem
Unternehmen an Wahlkampfspenden. Der Tabakriese bezahlte ihm auch
Auslandsreisen. Als "Pro Life"-Anhänger kämpft
er entschlossen gegen das Recht der Frauen auf Abtreibung. Ob er
Wahlspenden von Drahtbügelherstellern bekommen hat, ist allerdings
unklar.
Und so zieht sich das weiter und weiter. Ein ehemaliger Enron-Spitzenfunktionär
berät jetzt George W. Bush in Energiefragen und war auch mitverantwortlich
für die Stromkrise in Kalifornien. Die Liberalisierung des
Strommarktes zeichnet sich als ein einziges Fiasko aus. Die Preise
sanken nicht etwa. Nein, sie stiegen. Hinzugekommen ist noch eine
Beschränkung, die dazu führte, dass Firmen teilweise nur
16-20h am Tag Strom hatten. Die Tabak-, die Pharma-, die Öl-
und die Waffen- und Rüstungsindustrie profitieren von ihrer
hervorragenden Lobbyarbeit im Vorfeld er Wahlen und wegen ihrer
Verbindungen zu Papa Bush. Unternehmen wie Microsoft, AOL-TimeWarner,
Pharmacia, Philip Morris, ChevronTexaco, ExxonMobil, Eli Lilly,
Pfizer, BPAmoco, Ford Motor, General Motors, Boeing oder Raytheon
stehen auf der Wahlkampf-Spendenliste ganz oben. Manche Firmen,
wie etwa Microsoft, unterstützten beide Lager, sowohl die Republikaner,
als auch die Demokraten. Die meisten der Unternehmen haben direkte
Verbindungen zur Politik. Entweder durch Politiker in ihren Vorständen
oder durch deren Beratertätigkeiten.
Wollen
wir in Deutschland wirklich solche Verhältnisse haben? Die
sogenannten "Schwarzen Kassen" sind ein Beispiel für
eine ähnliche Handhabe. Elf Aquitaine, mittlerweile zum viertgrößten
Ölkonzern der Welt gehörend (TotalFinaElf), und der Ex-Kanzler
Helmut Kohl sind das in der deutschen Öffentlichkeit bekannteste
Beispiel für Lobbyarbeit per excellence. Allerdings wurden
auch hier die Hintergründe und Verbindungen noch nicht annähernd
vollständig entschlüsselt und aufgedeckt. Um das Vertrauen
der deutschen Bürger wiederzuerlangen, wäre es nötig,
alle Verbindungen der Wirtschaft zur Politik offen zu legen. Hier
sind alle gefragt, aber der erste Schritt muss von den Politikern
selbst ausgehen. Nur so kann sich ein halbleeres in ein halbvolles
Glas verwandeln.
Ciao,
Euer Campi
P.S.:
In der nächsten Kolumne wird die Entwicklung der oben genannten
Unternehmen an den Börsen untersucht, insbesondere, seitdem
der amerikanische Präsident George W. Bush heißt.
zu
Teil 2
zurück
zum "Corner"
|