Campi´s Corner: Die Bande zwischen Politik und Wirtschaft (Teil 1)
von Thomas Badtke

Moin,

den Wirtschaftsstandort Deutschland, die Lokomotive der EU in diesem Bereich, gibt es nicht mehr. Will man dem Großteil der deutschen und europäischen Medien glauben. Das Problem mit den berühmten 3 Prozent Haushaltsdefizit wurde ja bereits schon diskutiert, die Eichelsche "Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts" wird wohl auch noch in den kommenden Jahren als Ausrede für überhöhte Verschuldung herhalten müssen. Der ausgeglichene Haushalt, angestrebt bis 2006, gehört wohl nunmehr in das Reich der Märchen oder besser noch der Fabel. Sind die Gebrüder Grimm etwa Vorfahren unserer rot-grünen Bundesregierung?

Es ist kaum möglich eine Zeitung aufzuschlagen, eine Internetseite aufzurufen oder eine Nachrichtensendung des immer kritischen Fernsehens zu schauen, ohne in dieser kalten, dunklen Jahreszeit Depressionsanfälle zu bekommen. Bei den Schmidtschen Gesundheitsreformvorschlägen werden erstmals Vergleiche mit dem im Endeffekt gar nicht vorhandenen Gesundheitssystem der USA laut. "Sozialbankrott" nennt man das. Schröder kündigt weitere "schmerzhafte Einschnitte" an. Eichel muss einen eigentlich verfassungswidrigen Nachtragshaushalt durchboxen. Die Arbeitslosenzahlen nähern sich wieder bedrohlichen Marken und werden diese, dem Winter sei Dank, auch locker überbieten. Schreckensszenarien sehen bereits 5 Millionen Arbeitslose auf uns zu kommen. Usw. usw.
Den Knaller landete aber der frühere Finanzminister und jetzige "Ruheständler" Oskar Lafontaine, SPD (wenn es nach Kanzlergattin Schröder-Köpf ginge, wohl nicht mehr lange). Er verglich unseren ehemaligen "Kanzler der Bosse" und jetzigen "Gewerkschaftskanzler" mit dem Reichskanzler Brüning, der dank seiner Sparpolitik - immerhin in einer vergleichbar schwierigen Zeit, wenn man den deutschen Massenmedien Glauben schenken will - die Massenarbeitslosigkeit förderte und somit Hitler den Weg an die Macht bereitet haben soll. Dazu nur soviel: Wer sich ein bisschen mit den damaligen Zusammenhängen auskennt und nicht nur die sture, allgemeine deutsche oder anglo-amerikanische Geschichtsschreibung berücksichtigt, wäre nie auf den Gedanken für solch einen Vergleich gekommen. Aber das nur am Rande.

Ein Lichtblick in der Presselandschaft scheint da die Wochenzeitung "Die Zeit" zu sein, denn ihr Aufmacher lautete vor kurzem: "Deutschland im Leerlauf - Gang rein, Kanzler". Hier scheint das Glas noch halbvoll zu sein, im Gegensatz zum Rest der meinungsmachenden Presse der Republik, die schon seit Monaten an einem halbleeren Glas zu nippen scheinen. Mit der Stimmung in der Bevölkerung, auch hervorgerufen durch die recht einseitige Meinungsbildung der Medien, scheint es nicht besonders weit her zu sein. Untersuchungsausschüsse zu etwaigen Wahllügen - ich will hier nicht wieder von den blühenden Landschaften eines Ex-Kanzlers anfangen - verstärken die Skepsis der Deutschen gegenüber der Politik nur noch. Der Neidfaktor wächst und wächst. Wenn der Kanzler später einmal in Pension geht, wird er mehr als 10.000 Euro pro Monat an Pension bekommen. Das spricht nicht unbedingt für die Sparpolitik der Regierung. Eine Nullrunde bei den Diäten ist zwar geplant, aber wer weiß schon, was mit den Kostenpauschalen passiert. Früher wollte man auch einmal die Verbindungen der Abgeordneten zu ihren Interessenverbindungen aufdecken. Das war früher. Noch vor den Wahlen. Mittlerweile hat man ja wichtigeres zu tun. Um das Vertrauen der Bürger wieder zu erlangen, was wiederum sehr wichtig für eine positive Grundstimmung in der Bevölkerung ist, sollte man da aber anfangen. Es reicht nicht, das man quasi nebenbei erwähnt, dass von den SPD-Abgeordneten im Bundestag ca. 190 Mitglieder im DGB sind. Nein, es muss weiter gehen, sonst drohen uns nicht nur in der Gesundheits- und Wirtschaftspolitik amerikanische Verhältnisse. Das große neoliberale Vorbild USA kränkelt nämlich an denselben Problemen. Die Glaubwürdigkeit der Politik ist dort bereits Thema, seitdem Bush als von der Bevölkerung nicht gewählter Präsident, ebendiese Funktion ausführt.

Im neuen Buch von Michael Moore, seines Zeichens "Chefsarkastiker" der Staaten und das scheinbar noch letzte lebende Gewissen der "Neuen Freien Welt", schreibt er von einer "Bananenrepublik" USA. Er fordert sogar UN-Generalsekretär Annan auf, Blauhelm-Soldaten ins Land zu schicken und den sich widerrechtlich an der Macht befindlichen George W. Bush zu entfernen. Bush sei nur wegen seines Vaters und dessen Verbindungen, sowie seinem Bruder Jeb, Gouverneur von Florida, an die Macht gekommen und nicht durch die Mehrheit des Volkes gewählt worden. Knappe 500.000 Stimmen hatte er weniger auf sich vereinen können, als sein demokratischer Widerpart Al Gore.
Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so ernst wäre. In Deutschland müssen die Politiker noch zurücktreten, wenn Interessenkonflikte, hervorgerufen durch die Privatwirtschaft, auftreten. Allerdings auch nur, wenn man ein bekannter Abgeordneter oder Minister ist. Der Rest mauschelt weiter wie bisher. Gewerkschaften, Verbände, Politiker und selbst wir, das Volk, suggeriert durch die geballte Medienmacht, fordern Minister aus der Wirtschaft für die Politik. Welche, die sich mit den globalwirtschaftlichen Unwägbarkeiten auskennen. Wie wäre es denn mit Ron Sommer als neuem Superminister, statt Wolfgang Clement? Sie lachen???
In Amerika ist das so normal wie die Übergewichtigkeit der Bevölkerung. Von wegen in Amerika gibt es keine Dicke. Zur Verdeutlichung nun ein paar Beispiele inklusive ihrer Verbindungen zur Wirtschaft.

George W. Bush: Sein Ziehpferd ist die Ölindustrie. Da er aber nur als Marionette fungiert und er schon einmal Thema dieser "Campi´s corner" gewesen ist, belasse ich es mal dabei. Verweisen möchte ich nur noch einmal auf "Das Bush-Imperium" von J. Hatfield.

"Dick" Cheney: Seines Zeichens Vizepräsident der jetzigen Regierung. Er war unter Nixon Stellvertreter des damaligen Berater des weißen Hauses, Donald Rumsfeld (Huch, den Namen hab ich doch schon mal gehört.). Unter Ford war er Stabschef und ersetzte dabei Rumsfeld. George Bush, der Vater von W., setzte ihn als Verteidigungsminister ein. Die Intervention in Panama, wegen des Kanals, und der "Wüstensturm" gehören zu seinen Verdiensten. Während der demokratischen Clintonregierung war er dann CEO von Halliburton, einem bekannten Zulieferer der Ölindustrie. Was macht man als CEO einer solchen Firma und als ehemaliger Verteidigungsminister? Richtig, man macht Geschäfte mit dem "Staatsfeind Nr. 1" und heutiger "Achse des Bösen"-Hauptmitgliedes, Irak. Aber das reichte ihm noch nicht. Er will auch nach Öl in dem unter Bush ins Gerede gekommenen Naturschutzgebiet auf Alaska suchen, sowie im Golf von Mexiko. Und gerade deshalb wollte er sich auch nicht von seinen Halliburton-Aktien trennen.

John Ashcroft: Justizminister. Unter seiner Ägide wurde der Microsoft-Kartellfall ad acta gelegt. Dem Unternehmen war das während der Wahlen immerhin 10.000 US-Dollar wert. Gleichzeitig bekam er Gelder von AT&T, Monsanto und Schering-Plough. Letztere ließen ihm 50.000 US-Dollar im Wahlkampf zukommen, damit er eine Patentschutzverlängerung für ein Allergiemittel durchsetzt. Überragendster Beweis für seine Befähigung als Justizminister aber ist die Tatsache, dass er als Justizminister und NRA-Mitglied (National Rifle Organisation) veranlasste, das bereits 24h nach dem Kauf einer Schusswaffe und der Überprüfung alle Daten des Käufers vernichtet werden müssen. In einem Land wo es mehr Waffen als Einwohner gibt, Ex-Schauspieler entweder Präsident des Landes (Reagan) oder der NRA (Charlton Heston, alias Ben Hur bzw. Moses) werden, der amtierende Präsident Terroristen per Hightech-Drohne mit Raketenbestückung suchen und ausschalten lässt und mehr Kinder durch Schusswaffen sterben, als in manchen Ländern Afrikas Kinder an Hunger, ist das natürlich eine Großtat für die Waffenlobby.

Finanzminister Paul O´Neill war CEO von Alcoa, dem größten Aluminiumhersteller der Welt. Allerdings auch der größte Umweltverschmutzer in Bundesstaat Texas, wo man mehr als 60.000t Schwefeldioxyd in die Luft verpulvern darf, dank eines Schlupfloches im dortigen Gesetzbuch. Ob O´Neill dafür noch immer stattliche 962.000 US-Dollar von Alcoa bekommt???

Die in unseren Breitengraden noch mehr oder weniger unbekannte Landwirtschaftsministerin der USA, Ann Veneman, arbeitete bereits für den Schauspieler Ronald Reagan und Papa Bush. Bitte nicht mit Papa Schlumpf verwechseln. Auch wenn "blau" im Hause der Bushs eine große Bedeutung zu haben scheint. Vor allem bei George W. und seinen Zwillingstöchtern. Zurück zu Veneman. Sie schaffte in Kalifornien quasi die Familienbetriebe in der Rindfleischproduktion ab, was dazu führte, dass nur noch vier Unternehmen den Markt unter sich aufteilen dürfen. "Liberales" Vorgehen ist da etwas anderes. Ähnliche Parallelen gibt es in Deutschland in der Energiewirtschaft und dem Ex-Wirtschaftsminister Müller. Immerhin teilen sch den deutschen Energiemarkt E.on, RWE und Vattenfall unter sich auf. Wobei letztere ziemlich ins Straucheln geraten könnten und wir dann eine Senkung der Preise mit einem Duopol wohl kaum bekommen werden. Zusätzlich sitzt Veneman im Vorstand der Biotechnologiefirma Calgene. Calgene ist das erste Unternehmen in den USA, das genmanipulierte Lebensmittel auf den Markt bringen darf. Es wurde erst von Monsanto geschluckt und dieses dann wiederum von Pharmacia. Monsanto versucht derzeit ein Gesetz zu verhindern, das eine Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmitteln vorschreibt. Immerhin 12.000 US-Dollar spendete man für Bushs Wahlkampf.

Verteidigungsminister Donald "Don" Rumsfeld gehört schon, ebenso wie Dick Cheney, seit den Nixonschen Watergate-Tagen zum regierenden Establishment. Um es kurz zu machen: Er ist CEO des Pharmaunternehmens G.D. Searle (mittlerweile ebenfalls zu Pharmacia gehörend) und im Vorstand von General Instrument, nun bekannt unter dem Namen Motorola tätig. Er saß allerdings auch schon in den Vorständen von Kellogg´s, Allstate und der Tribune Company. Letztere ist ein Verlagsunternehmen, das die bekannten Meinungsbilder "Chicago Tribune" und "L.A. Times" herausbringt.

Energieminister Abraham hält Ölbohrungen in Alaska für "zukunftsweisend". Die Autoindustrie unterstützte ihn mit zehntausenden von US-Dollar. Darunter auch DaimlerChrysler, die eine Verschärfung des Standards zum Benzinverbrauch verhindern wollen und dafür die "Coalition for Vehicle Choice" gegründet haben. Das die Amis auf große, schwere und benzinschluckende Monstren von Autos abfahren, weiß man nicht erst seit den "BigBlock"-Maschinen der 60er Jahre. Geländewagen und Minivan bestimmen den Straßenverkehr in den Staaten. Selbst in Manhattan sind die meistverkauften Automobile Geländewagen. Die einzigen Berge, die es in New York gibt, bestehen aus Trümmern. Wozu also Geländewagen? Der durchschnittliche Benzinverbrauch stieg innerhalb weniger Jahre vom niedrigsten Wert der Geschichte unter Clinton von 10,4 l pro 100 km auf knapp 12 l unter Bush. Die USA verbrauchen im Übrigen täglich mehr als 20 Millionen Barrel Öl. Vielleicht versteht man jetzt, warum die amerikanischen Soldaten nach Afghanistan und damit in die Nähe des Kaspischen Meeres gegangen sind und spätestens ab Februar "Urlaub" im geschichts- und ölträchtigen Gebiet (zweitgrößtes Ölgebiet der Welt) am Euphrat und Tigris machen wollen bzw. müssen.

Außenminister Colin Powell, die "Taube unter den Falken" sitzt im Vorstand von Gulfstream Aerospace, einem Jethersteller, der seine Flugzeuge gern an Regierungen aus dem Nahen Osten oder aus Scheichtümern verkauft. Kuwaitis und die Saudis gehören zu den bevorzugten Kunden. Auch im Vorstand von AOL thront er. Das er Aktien von der Firma besitzt bzw. besessen hat, macht es nicht besser. Denn sein Sohn Michael war bei der Fusion AOL-TimeWarner Mitglied der Federal Communications Commission (FCC). Er war der einzige der Kommission, der empfahl, die Fusion anstandslos zu genehmigen. Braver Sohn. Mittlerweile ist Powells Sohn zum Vorsitzenden der Kommission ernannt worden, die die Aktivitäten von AOL-TimeWarner überwachen soll. Den Bock zum Gärtner machen, nennt man so etwas.

Allen bekannt dürfte auch Condoleeza Rice sein. Sie ist Beraterin für "Nationale Sicherheit" und seit dem 11.9.2001 nicht mehr aus der Führungsriege von George W. wegzudenken. Sie war Vorstandsmitglied bei Chevron. Das Unternehmen scheint zufrieden mit ihr zu sein, denn es benannte einen Tanker nach ihr. Man stelle sich nur mal vor, der vor Galizien geberstete Tanker "Prestige" hätte "Condi Rice" gehießen. Auch der Vorstand von Charles Schwab, Tradern auf jedem Fall ein Begriff, konnte auf C. Rice zählen. J.P. Morgan, mittlerweile J.P. MorganChase, kann auf ihre Dienste als Beraterin noch immer nicht verzichten.

Gesundheitsminister Tommy Thompson, den Namen gibt's wirklich, ist Aktionär von Philip Morris gewesen und bekam 72.000 US-Dollar von diesem Unternehmen an Wahlkampfspenden. Der Tabakriese bezahlte ihm auch Auslandsreisen. Als "Pro Life"-Anhänger kämpft er entschlossen gegen das Recht der Frauen auf Abtreibung. Ob er Wahlspenden von Drahtbügelherstellern bekommen hat, ist allerdings unklar.

Und so zieht sich das weiter und weiter. Ein ehemaliger Enron-Spitzenfunktionär berät jetzt George W. Bush in Energiefragen und war auch mitverantwortlich für die Stromkrise in Kalifornien. Die Liberalisierung des Strommarktes zeichnet sich als ein einziges Fiasko aus. Die Preise sanken nicht etwa. Nein, sie stiegen. Hinzugekommen ist noch eine Beschränkung, die dazu führte, dass Firmen teilweise nur 16-20h am Tag Strom hatten. Die Tabak-, die Pharma-, die Öl- und die Waffen- und Rüstungsindustrie profitieren von ihrer hervorragenden Lobbyarbeit im Vorfeld er Wahlen und wegen ihrer Verbindungen zu Papa Bush. Unternehmen wie Microsoft, AOL-TimeWarner, Pharmacia, Philip Morris, ChevronTexaco, ExxonMobil, Eli Lilly, Pfizer, BPAmoco, Ford Motor, General Motors, Boeing oder Raytheon stehen auf der Wahlkampf-Spendenliste ganz oben. Manche Firmen, wie etwa Microsoft, unterstützten beide Lager, sowohl die Republikaner, als auch die Demokraten. Die meisten der Unternehmen haben direkte Verbindungen zur Politik. Entweder durch Politiker in ihren Vorständen oder durch deren Beratertätigkeiten.

Wollen wir in Deutschland wirklich solche Verhältnisse haben? Die sogenannten "Schwarzen Kassen" sind ein Beispiel für eine ähnliche Handhabe. Elf Aquitaine, mittlerweile zum viertgrößten Ölkonzern der Welt gehörend (TotalFinaElf), und der Ex-Kanzler Helmut Kohl sind das in der deutschen Öffentlichkeit bekannteste Beispiel für Lobbyarbeit per excellence. Allerdings wurden auch hier die Hintergründe und Verbindungen noch nicht annähernd vollständig entschlüsselt und aufgedeckt. Um das Vertrauen der deutschen Bürger wiederzuerlangen, wäre es nötig, alle Verbindungen der Wirtschaft zur Politik offen zu legen. Hier sind alle gefragt, aber der erste Schritt muss von den Politikern selbst ausgehen. Nur so kann sich ein halbleeres in ein halbvolles Glas verwandeln.

Ciao,
Euer Campi

P.S.: In der nächsten Kolumne wird die Entwicklung der oben genannten Unternehmen an den Börsen untersucht, insbesondere, seitdem der amerikanische Präsident George W. Bush heißt.

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