Der Irak-Konflikt - Historie
von Thomas Badtke

Nicht erst seit dem Pyrrhussieg der weltweiten Antiterrorkoalition im Kampf gegen die Taliban und Usama bin Ladin in Afghanistan und dem Auftauchen des Irak in der „Achse des Bösen“ von US-Präsident George W. Bush, ist der irakische Diktator Saddam Hussein wieder in die besorgten Köpfe der westlich orientierten Weltbevölkerung zurückkehrt. Bereits nach dem 11. September 2001 kam man dank der Medien nicht umhin, sich für den Irak und dessen diktatorischen Präsidenten zu interessieren. Neoliberale Vordenker wie Samuel Huntington, die bereits Jahre zuvor einen „Kampf der Kulturen“ vorhergesagt und damit quasi instruiert hatten, sahen sich bestätigt. Die ganze Welt befand sich im Schock. Die Vereinigten Staaten waren voller Wut. Statt des vorhergesagten „Jahrtausend des Friedens“ wurde nun das „Jahrtausend des Terrorismus“ proklamiert. Anstelle des Feindbildes Kommunismus, sprich Sowjetunion, trat nun, Jahre nach Beendigung des „Kalten Krieges“, das Feindbild des islamischen Terrorismus. Der „Krieg gegen den Terror“ begann nur wenige Wochen später.

Die Geschichte des heute bekannten Landes Irak begann in den ersten Jahres des letzten Jahrhunderts. Deutschland wollte durch das osmanische Reich bis nach Bagdad die berühmt-berüchtigte „Berlin-Bagdad-Bahn“ bauen. Die Engländer sahen dies als Affront und als Angriff auf ihre Vormachtstellung das Öl und die Welt betreffend. Was folgte, war der 1. Weltkrieg mit Millionen von Opfern, einer Niederlage Deutschlands, einer Zerschlagung des Osmanischen Reiches und einer „Neuordnung“ der Verhältnisse im Nahen Osten. Im Jahr 1917 rückten britische Truppen, während ihre Verbündeten, wie z.B. die Franzosen in Europa gegen Deutschland und Österreich kämpften, im Irak ein. Systematische Bombenangriffe sorgten für Ruhe in der Bevölkerung und schlugen Aufstände nieder. Die Staatsgrenzen des Irak wurden schon vorher von Briten und Franzosen willkürlich festgelegt. Die Saat für den Hass unter den ethnischen Bevölkerungsgruppen, nicht nur im Irak, sondern auch in Indien-Pakistan und Israel-Palästina wurde damit bereits vor rund 100 Jahren zum Großteil vom britischen Kolonialismus gesät. Stammesverbindungen und kulturelle Werte blieben dabei auf der Strecke. Mit dem „Zeichnen“ einer weiteren Grenze des Irak im Süden, entstand Kuwait und dem Irak blieb damit ein Zugang zum Persischen Golf verwehrt. Bereits 1932 wurde der Irak als souveräner Staat anerkannt und trat dem Völkerbund bei. Das Land wurde allerdings, nach britischem Vorbild, von einem König geführt.

Nach dem 2. Weltkrieg betrat dann eine neue politische und wirtschaftliche Macht die Bühne der Welt. Die Vereinigten Staaten von Amerika schickten sich an, die unangefochtene Nummer Eins der Welt zu werden. Mit ihr bekam auch das Bild des Nahen Ostens neue Konturen. Der Vordenker des US-Außenministeriums George Kennan schrieb bereits 1948 diese hochschwangeren Worte:

„Die USA besitzen etwa 50 Prozent des Reichtums der Welt, machen aber nur 6,3 Prozent der Weltbevölkerung aus. In dieser Situation werden wir zwangsläufig mit Neid und Unmut konfrontiert werden. Wir dürfen nicht der Täuschung erliegen, dass wir uns den Luxus von Altruismus und weltweiter Wohltätigkeit leisten können. Wir sollten aufhören, von so vagen und unrealistischen Zielen wie Menschenrechte, Anhebung von Lebensstandards und Demokratisierung zu reden. Der Tag ist nicht mehr fern, dass unser Handeln von nüchternem Machtdenken geleitet sein muss.“

Bereits 1951 wurden diese theoretischen Prioritäten der US-Außenpolitik praktiziert. Im Iran verstaatlichte der an die Macht gekommene Mohammed Mossadegh die Ölressourcen seines Landes. Die CIA betrieb daraufhin seinen Sturz. Zyniker meinen heute, es gebe mehr von der CIA bestimmte und eingesetzte Präsidenten weltweiten, als demokratisch gewählte.
„Nachfolger“ Mossadeghs wurde der Schah von Persien. Die Verstaatlichung der Ölressourcen wurde rückgängig gemacht. Die anglo-amerikanischen Ölgesellschaften konnten wieder aus dem vollen Schöpfen. Ähnlich wie in Afghanistan heute, regierte damit eine Marionette der USA das Land.

Das Nachbarland des Iran, der Irak, wird von rund 20 Millionen Menschen bevölkert. Diese spalten sich in drei große Bevölkerungsgruppen auf. Die Mehrzahl der Bevölkerung, immerhin 60 Prozent, wird von den Schiiten gestellt. Sie leben im Süden des Irak. Bekannteste Stadt dort: Basra. Die Städte Nadjaf und Kerbala sind die berühmtesten Pilgerstätten des schiitischen Islam. Die schiitische Richtung des Islam ist die Staatsreligion des Iran. Enge Beziehungen der iranischen und irakischen Schiiten sind die Folge. Im Norden wiederum befindet sich das Hauptsiedlungsgebiet der irakischen Kurden. Sie stellen immerhin ein Fünftel der irakischen Bevölkerung und sind damit die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe. Sie besitzen eine eigene Sprache, aber keinen eigenen souveränen Staat. Sowohl in der Türkei, im Iran, im Norden und Nordosten des Irak, in Syrien und in Armenien leben heute Kurden. In all diesen Ländern stellen sie jedoch nur Minoritäten in der jeweiligen Bevölkerung. Bleiben noch die irakischen Sunniten. Ihr Hauptgebiet liegt im mittleren Irak. Bekanntester Sunnit ist Saddam Hussein. Die Sunniten stellen die kleinste Bevölkerungsgruppe des Irak. Dank des Präsidenten Hussein und seiner Verwandten und Fürsprecher stellen sie jedoch auch die einflussreichste und machtvollste Gruppe dar. Rund 20.000 Sunniten, eng verflochten mit Saddam Hussein, herrschen über den Rest der Bevölkerung. Vergleiche mit den Paschtunen und Afghanistan fallen auch hier auf.

Saddam Hussein wurde 1937 geboren und trat 1956 der sozialistisch angehauchten Baath-Partei bei. Im Jahre 1958 wurde gegen den von den Briten eingesetzten König geputscht. Abd al-Quassim übernahm die Macht. Mehrere Putschversuche später, u.a. daran beteiligt Saddam Hussein, aber auch der US-Geheimdienst CIA, übernahm die Baath-Partei 1968 im Irak die Macht und Hussein wurde Vizepräsident unter dem Herrscher Ahmed Hassan Bakr. Hussein zeigte sich daraufhin für den Aufbau eines weitverzweigten Geheimdienstnetzwerkes zuständig und vernichtete mit dessen Hilfe einen Großteil der Gegner von Bakr und der Baath-Partei. Auch hier sorgte die Verstaatlichung der Ölressourcen 1972, immerhin besitzt der Irak die zweitgrößten Reserven der Welt, für böses Blut mit den Amerikanern, an dessen Spitze ein Präsident Nixon stand. Er sorgte mit Hilfe des Schah von Persien für die Bewaffnung der irakischen Kurden im Norden des Irak. Zugleich propagierte man gegen den Irak, als „Staat, der den Terror unterstützt“. Der Schah und der Irak einigten sich kurz darauf über die Nutzung des Schatt al-Arab. Der Schifffahrtsweg im Persischen Golf unterstand nun den amerikanisch wohlgesinnten Iranern. Daraufhin lieferten die Amerikaner keine Waffen mehr an die im irakischen Norden lebenden Kurden. Das hierfür eingesparte Geld nutzte man aber für die Aufrüstung des Iran. Früher oder später musste es um Konflikt zwischen diesen beiden Staaten, wegen des Schatt al-Arab kommen.

Durch die unmenschlichen Lebensbedingungen im Iran unter dem Schah kam es zu mehreren Aufständen. Im Volksaufstand von 1979 wurde schließlich der Schah, samt seiner Amerika-freundlichen Politik zum Teufel gejagt. Ajatollah Chomeini betrat die Weltbühne. Statist sollte er nicht bleiben. In das Rampenlicht trat auch Saddam Hussein. Er entmachtete nahezu zeitgleich den bisherigen irakischen Herrscher Bakr und wurde Präsident des Irak. Seine Herrschaft festigte er zu Beginn bereits mit Hilfe des von ihm aufgebauten Geheimdienstnetzes und der Exekution aller ihm gefährlich erscheinenden Rivalen.

Die USA dagegen, in Besinnung auf die Äußerungen Kennans, verabschiedeten die „Carter-Doktrin“. Sie besagten, dass die Vereinigten Staaten in der Region des Nahen Osten militärisch eingreifen würden, falls ihre Ölinteressen bedroht würden. Die Sicherung des Zugriffs auf den reichlich vorhandenen und benötigten Rohstoff stand also an erster Stelle. Zbignew Brzezinski, damaliges Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates der USA, und, wie sein „Freund“ Henry Kissinger, auch heute noch immer beratende Tätigkeit ausübend, forderte damals unverhohlen einen Krieg der beiden Staaten Iran und Irak. In aller Öffentlichkeit befahl er Hussein, sich den Schatt al-Arab zurückzuholen. Der Iran bändelte unterdessen mit der Sowjetunion an. Der Nachfolger von US-Präsident Carter, der ehemalige Hollywood-Schauspieler und B-Western-Star Ronald Reagan sah die Vormachstellung der USA in der Nahost-Region durch ein Erstarken des Iran als große Gefahr an. Die Aufrüstung des Irak und die Stärkung des Präsidenten Hussein waren die logische Folge. Erst Feind, dann Freund. Später sagte dann US-Außenminister Baker über Hussein: „Er ist zwar ein Schurke, aber er ist unser Schurke.“ Parallelen zum Vorgehen in Afghanistan werden auch hier überdeutlich.

Saddam Hussein ließ sich natürlich auch nicht lange bitten. Zu groß war sein Hunger nach Macht und iranischem Öl. Zu groß seine Abneigung gegen den islamischen Fundamentalismus, wie ihn Chomeini verkörperte. Und zu groß war das Drängen der Vereinigten Staaten. 1982 wurde der Irak von der Liste der Länder gestrichen, die den Terror unterstützen oder/und finanzieren. Volle diplomatische Beziehungen nahmen die USA 1984 auf. Zudem begann man militärisch und geheimdienstlich zusammenzuarbeiten. Irakische Streitkräfte wurden mit schweren Waffen ausgerüstet, bekamen Satellitenaufklärungsfotos der Amerikaner und wurden in taktischer Kampfführung geschult. Inwieweit sich ein Mittelklasse-Schauspieler mit maximal durchschnittlicher Intelligenz der Folgen seines Handelns damals bewusst war, sei einmal dahingestellt. Parallelen zum heutigen US-Präsidenten liegen allerdings auf der Hand. Bereits damals berieten und arbeiteten schon solche „Friedensgrößen“ wie Rumsfeld und Cheney und zogen im Hintergrund die Fäden.
Mehr als eine Milliarde US-Dollar ließ man sich die Aufrüstung des Irak in den Anfangsjahren der 80-er kosten. Selbst als Insektenbekämpfungsmittel deklarierte Chemikalien, zur Herstellung von chemischen Kampfstoffen nutzbar und Anthrax-Sporen, sowie Nährlösungen zur biologischen Aufrüstung lieferte der damalige Waffenbruder USA. 15.000 iranische Soldaten starben bei irakischen Giftgasangriffen. 4.000 Kurden kamen 1986 in Chalabscha um, als Saddam Hussein Giftgas gegen seine eigene Bevölkerung einsetzte. Den kritischen Medien sei Dank, gingen zumindest diese Bilder um die Welt.

Der Irak hätte den Krieg unweigerlich verloren, wäre man nicht von Seiten der USA unterstützt wurden. Aber wie bereits bei vielen Kriegen zuvor unterstützten die USA auch die Gegner. Im Austausch für Gefangene verkauften die Amerikanern u.a. 1.000 TOW-Raketen an die Iraner. Die Erlöse aus diesem Verkauf stellte man den Contras in Nikaragua zur Verfügung. Als dann 1988 ein Waffenstillstand zwischen den beiden Ländern geschlossen wurde, waren beide Staaten, sowohl der Irak, als auch der Iran wirtschaftlich am Boden. Nur die USA profitierten von diesem Krieg. Reagan wurde, trotz der Iran-Contra-Affäre zuvor wiedergewählt.

Aber wie beim 1. Weltkrieg, liegen im Iran-Irak-Krieg bereits die Ursachen und Gründe für darrauffolgende Konflikte. Die letzten Endes wieder in einem Krieg münden. Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist verdammt dazu, sie zu wiederholen. Das Problem dabei ist, dass zumeist die Unschuldigen die Hauptlast zu tragen haben, während sich andere, wenige schadlos halten. Der Boden für den 1. Irak-Krieg war bereitet...

Einführung
Wie es zum ersten Irak-Krieg kam......
Gründe für den 2. Irak-Krieg
Folgen

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