Die Folgen eines neuen Irak-Krieges
von Thomas Badtke

„Die Zeit der Abrechnung naht“ drohte unlängst US-Präsident Bush dem Irak. Sowohl Streitkräfte der Vereinigten Staaten, als auch von Großbritannien werden derzeit an den Persischen Golf verlegt. In britischen Medien ist die Rede von zunächst 20.000 britischen Soldaten. Das Kontingent der Amerikaner ist mittlerweile fast auf dem Niveau des ersten Krieges gegen den Irak. Nachdem bereits die Historie dieses Konfliktes der Amerikaner mit Saddam Hussein ausführlich geschildert wurde und auch nach eventuellen Gründen für einen erneuten Angriff gesucht wurde, sollen jetzt einmal die Folgen einer erneuten militärischen Auseinandersetzung näher betrachtet werden. Der Fokus soll sich dabei auf die Kosten, die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und die Situation des Irak und des Nahen Osten nach einem zweiten Irakkrieg richten. Was kostet also der ein eventueller zweiter Teil der „Privatfehde“ Bush vs. Hussein und welche wirtschaftlichen Folgen wären zu erwarten?

Genaue Zahlen findet man nirgendwo. Überall liest man nur Schätzungen. Und auch diese liegen meist weit auseinander. Was sie jedoch eint, ist die Tatsache, dass sich die Kosten drastisch erhöhen werden, wenn der Krieg nicht, wie eigentlich an den Schreibtischen des US-Verteidigungsministeriums geplant, nur wenige Wochen, sondern mehrere Monate, ja bis zu mehreren Jahren dauert. Ein kurzer, und erfolgreicher Militärschlag gegen den Irak wäre für die Konjunktur in den Vereinigten Staaten wahrscheinlich besser, als wenn es nicht zu einem Krieg kommt. Zu diesem Schluss kamen unlängst Ökonomen auf einem Kongress des Center for Strategic and International Studies, kurz CSIS, einer amerikanischen Denkfabrik. Man braucht keinen überdurchschnittlichen IQ, um zu erahnen, wer diese Denkfabrik betreibt bzw. von wem sie die nötigen Mittel erhält. Die Ökonomen auf diesem Kongress waren weiter der Meinung, dass wenn es gelänge, die Herrschaft Saddam Husseins innerhalb von nur vier bis sechs Wochen abzulösen, der Ölpreis auch nur für kurze Zeit in die Höhe schnellen werde. Anschließend dürfte er sich im Bereich unterhalb der 25 US-Dollar je Barrel bewegen. Dies vernuten u.a. Meyer (Fed), Dudley (Goldman Sachs), DiClemente (Salomon Smith Barney) und Schneider (Deutsche Bank). Überdies sei ein kurzes kriegerisches Intermezzo mittelfristig von großem Vorteil für die Arbeitslosenquote der Vereinigten Staaten. Die Konjunktur würde auch schneller wieder in Gang kommen, als bei einem „Friedensszenario“. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber sinkende Arbeitslosenquoten mit dem Tod von Zehn-, wenn nicht sogar von Hunderttausenden von Menschen zu erkaufen, ist gelinde gesagt, nicht die feine Art. Es stinkt eher zum Himmel.

Aber natürlich gibt es bei dem Szenario, welches von den Vordenkern der CSIS präferiert wird auch Nachteile. Die recht zuversichtlichen Prognosen der Volkswirte fußen nämlich auf einer Reihe von höchst bedenklichen Annahmen: Zum einen unterstellen sie, dass Saudi-Arabien den zwischenzeitlichen irakischen Ölproduktionsausfall durch eine Erhöhung der eigenen Ölfördermengen ausgleichen wird. Hier besteht zwar das Problem, dass das saudische Königshaus immer mehr in die Schusslinie innenpolitischer Machtkämpfe gerät und ein Abrücken von der amerikanischen Linie durchaus im Bereich des Möglichen liegt, wenn die eigene Machtposition gefährdet wäre. Allerdings kann sich die Königsfamilie derzeit auch nur mehr oder weniger mit Hilfe der Amerikaner an der Macht halten. Was eine Neuorientierung und Unterstützung der Gegner der Amerikaner natürlich nicht ausschließt. Im Endeffekt ist die Loyalität der Saudis egal, denn nicht nur bei ihnen wird Öl gefördert. Und wer verzichtet schon gern auf Zusatzeinnahmen. Besonders arg in Bedrängnis ist hier in letzter Zeit das Venezuela von Hugo Chavez geraten. Auch die Russen könnten in Versuchung geraten, mehr Öl loszuschlagen. Auch deshalb weil ihre Vorverträge mit dem Irak bei einem Krieg hinfällig wären. Damit ist auch das „Nein“ der Russen und Franzosen im Sicherheitsrat zu verstehen, da beide bereits Verträge über Öllieferungen und über den Aufbau einer neueren Ölförder- und Verarbeitungsindustrie im Irak in der Tasche haben. Sowohl TotalFinaElf, als auch Gazprom haben damit die amerikanischen und britischen Größen ExxonMobil und Shell bzw. BP ausgestochen. Allerdings nur, wenn es nicht zu einem zweiten Irakkrieg käme.

Die zweite Annahme der amerikanischen Ökonomen von CSIS ist die, dass es bei einem Krieg nicht zu größeren Schäden an den Produktionsanlagen im Irak oder anderswo in der Region kommen dürfe. Das „anderswo in der Region“ sollte hier mehr interessieren. Die amerikanischen und britischen Luftstreitkräfte dürften wohl keine Probleme haben, die Ölbohrtürme und Raffinerien zu verfehlen. Schließlich will man mit noch mehr lasergesteuerten, sprich intelligenten, Bomben arbeiten. Kollateralschäden, wie sie bisher bei jedem Krieg der Amerikaner zur Genüge vorkamen, dürften damit zum Großteil der Vergangenheit angehören. Ich hoffe, man erkennt den Zynismus. Probleme dürften die Ölförderanlagen der Kuwaitis machen, deren Quellen bereits im Golfkrieg brannten. Sollte Saddam Hussein nämlich zum Äußersten gezwungen sein, wird er sicher nicht davor zurückschrecken, die Quellen in Kuwait wieder in Brand zu setzen. Das ist zumindest die herrschende Meinung in den Medien. Problematisch dürfte dabei nur sein, dass er vorher durch die südliche Flugverbotszone marschieren muss, in der derzeit ja bereits wieder bombardiert wird. Wenn man schon Waffen produziert, muss man sie auch einsetzen, meinen wohl Rumsfeld, Wolfowitz und Co. Der befürchtete Einsatz von Massenvernichtungswaffen könnte noch erschwerend hinzukommen. Allerdings sollten auch hier eher die Anglo-Amerikaner auf ihre Massenvernichtungswaffen aufpassen. Die Irakis haben nämlich keine mehr. Da lege ich mich jetzt mal fest. Sie können das gewagt nennen, aber ich stehe dazu.

Kurz zusammengefasst: Der Ölpreis steigt kurz an, fällt dann auf ein niedrigeres Niveau, als wir es selbst heute haben. Die Arbeitslosenzahlen sinken. Zuerst in Amerika, dann dank des dortigen Konjunkturaufschwungs auch weltweit. Der Motor der Globalisierung läuft wieder auf allen Töpfen. Hurra. Am Ende machen die USA auch noch Gewinn durch einen Krieg. Wäre ja nichts neues. Denn bereits im Golfkrieg hatten sie die Kosten von rund 80 Mrd. US-Dollar zum Großteil auf die anderen Mitglieder der damaligen „Allianz“ abgewälzt. Die Kosten der Deutschen beispielsweise beliefen sich auf 16 Mrd. DM, für einen Krieg, gegen den damals mehrere Hunderttausende demonstriert hatten. Soviel zum kurzfristigen Szenario. Selbst die größten Optimisten werden wohl kaum damit rechnen, dass sich Saddam Hussein innerhalb eines Zeitraumes von drei bis vier Wochen ergeben wird. Eher dürften die Szenarien zum Tragen kommen, in denen horrende Verluste bei Häuserkämpfen drohen. Im ZDF-Videotext liest man die Zahl von 100.000 irakischen Elite-Soldaten, die in und um Bagdad zum Äußersten bereit seien. Amerikanische Bomben kommen hier nicht in Frage, will man die eh kaum vorhanden Akzeptanz in der weltweiten Bevölkerung für einen Krieg nicht mit toten Babys, Kindern oder Frauen übermäßig strapazieren. Eine internationale, auf UN-Recht basierte Allianz ginge dann auch schneller zu Bruch, als Bush „Achse des Bösen“ sagen kann.

Die langfristige Version eines erneuten Golfkriegs, vielmehr eines Irakkriegs, dürfte den neuen US-Finanzminister Snow vor erhebliche Probleme stellen. Und nicht nur ihn. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Nordhaus rechnet mit kurzfristigen Kosten (bei einer Dauer des Krieges von 30 bis 40 Tagen) von 121 Mrd. US-Dollar. Seine Berechnungen stützt Nordhaus auf Erfahrungen der Kriege im Libanon, auf dem Balkan und in Afghanistan, sowie auf zwei Studien des US-Kongresses. Er berücksichtigt dabei nicht nur die im Staatshaushalt anfallenden Kosten, sondern die wirklichen Kosten für die Volkswirtschaft. Beim für die USA noch „günstigen“ kurzfristigen Szenario kommt er auf direkte Militärausgaben von 50 Mrd. US-Dollar und 71 Mrd. US-Dollar an Folgekosten. Wobei der Großteil der Folgekosten aus Kosten für die Friedenssicherung besteht, für die die Amerikaner ja bereits die Europäer ins Boot ziehen wollten.
Der ehemalige Wirtschaftsberater des weißen Hauses Lindsey ging von Kosten von 100 bis 200 Mrd. US-Dollar für einen Krieg im allgemeinen aus. Die Haushaltsfachleute im Kongress rechnen mit 6 bis 13 Mrd. US-Dollar pro Monat. Nordhaus dagegen sieht bei einer langfristigen Kriegsvariante, die wohl am wahrscheinlichsten ist, Kosten von 1.595 Mrd. US-Dollar auf den US-Haushalt zukommen. 140 Mrd. US-Dollar direkte Militärausgaben, Folgekosten von 1.455 Mrd. US-Dollar, bei denen vor allem die Friedenssicherung und die negativen Reaktionen des Ölmarktes mit jeweils 500 Mrd. US-Dollar den Rahmen sprengen. Wenn Sie mich fragen, überwiegt hier klar das Risiko. Was diese Kosten für die Weltwirtschaft bedeuten, kann sich jeder an einer Hand abzählen. Während man bei einem Ein-Monats-Krieg noch auf positive wirtschaftliche Auswirkungen hoffen darf (auch wenn das schon arg weit hergeholt scheint), läuft man in der „normalen“ Kriegsversion Gefahr, die sich derzeit weltweit anbahnende bzw. bereits schon vorhandene wirtschaftliche Rezession auszubauen. Japanische Wirtschaftsverhältnisse paaren sich dann mit argentinischen Finanzverhältnissen.

Der von Huntington beschriebene, ja beschriehene „Kampf der Kulturen“ wäre in vollem Gange. Die USA müssten Schlachtfeld um Schlachtfeld eröffnen. Das Öl würde nicht hinten noch vorne ausreichen. Glücklich dürften nur die sein, die eine private Ölquelle oder ein Stück Wald ihr eigen nennen können. Im kommenden Winter könnte das bereits überlebensnotwendig sein. Der „worst case“ sieht entweder ein schnelles Ende des Krieges aber, hervorgerufen durch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen, sprich amerikanischen Atombomben, vor oder einen über Jahre wenn nicht sogar Jahrzehnte andauernden Kleinkrieg im Irak, der sich allerdings nach einer bestimmten Zeit auf die umliegenden Regionen ausweiten wird.

Hier mal ein Beispiel:
Die USA greifen den Irak ohne UN-Mandat an, denn die Deutschen, die im Februar diesen Jahres den Vorsitz des Weltsicherheitsrates übernehmen, haben gegen einen Krieg gestimmt (bin ich naiv?). Die Amerikaner und Briten bomben, was das Zeug hält. Die Medien haben keine Chance investigativ zu berichten. Sie sind gleichgeschaltet worden, ähnlich dem Szenario beim 1. Golfkrieg. Man erfährt nichts von den Opfern unter der Zivilbevölkerung oder den Menschenrechtsverletzungen der US-Soldaten, was im Endeffekt auch keine Rolle spielt, da der Weltgerichtshof von den Amerikanern nicht anerkannt wurde. Es kommt zu Massakern, sowohl seitens der Amerikaner an der irakischen Armee, als auch von Seiten der Iraker an den Kurden und Schiiten. Saddam Hussein ist ebenso in Sicherheit, wie der derzeit gesuchte Usama bin Ladin nicht auffindbar ist. Die großen irakischen Städte müssen mit Fußsoldaten erobert werden. Die blutigen Gemetzel nehmen an Zahl von Tag zu Tag deutlich zu. Außerhalb des Irak kommt es zu ersten Übergriffen seitens der arabischen Bevölkerungsgruppen und Muslime auf amerikanische Stützpunkte. Das saudische Königshaus bittet um amerikanische Hilfe um eine aufkeimende Revolution im eigenen Land im Keim zu ersticken. Die Amerikaner müssen ihre Kräfte aufspalten. Bekommen die Situation trotzdem nicht unter Kontrolle. In Afghanistan wird Hamid Karzai ermordet und der Kampf unter den Warlords um die Vorherrschaft am Hindukusch bricht aus. Die Paschtunische Bevölkerungsmehrheit schließt sich mit den pakistanischen Paschtunen zusammen. Es kommt zu einem Bürgerkrieg in Pakistan. Der Militärmachthaber Musharraf wird gestürzt. Die Mullahs übernehmen die Macht. Sie sind im Besitz von Atomwaffen, sodass auch hier die Amerikaner mit Streitkräften einschreiten müssen. Die Inder helfen ihnen dabei, obwohl von Seiten der indischen Bevölkerung keinerlei Zustimmung vorliegt. Der Kaschmirkonflikt gerät außer Kontrolle. Sowohl Indien, als auch Pakistan, vormals ein einziges Land, bis sich die englischen Kolonialherren ein Lineal nahmen und eine Grenze durch das Land zogen, befinden sich im Kriegszustand. Die Amerikaner haben alle Hände voll zu tun. Die Situation gerät trotzdem außer Kontrolle. Israel wird von mehreren arabischen Staaten gleichzeitig angegriffen. Die Israelis wiederum überrennen die Palästinenser und die Spirale der Gewalt setzt sich so unaufhaltsam fort. Irgendwann zündet jemand eine Atombombe. Es ist egal, ob die Amerikaner oder die Israelis, die Inder oder die Pakistanis sie gezündet haben. Fakt ist: Sie wurde gezündet. Den Rest überlasse ich ihrer Fantasie.

Das kurz geschilderte Szenario ist nur eines von vielen. Allerdings kann keiner auf der Welt es ausschließen. Ebenso gut kann der geplante Krieg noch im Keim erstickt werden. Wie bereits mehrfach erklärt, die Hoffnung stirbt zuletzt. Allerdings werden sich die Amerikaner, nach all den Anstrengungen, nicht mehr so einfach die Butter vom Brot nehmen lassen. Die Welt marschiert in einen Krieg, den keiner braucht und der alles bisherige verändern wird. Vielleicht hilft folgendes dabei, ein wenig Licht in die verfahrene Situation zu bringen, in der sich die Menschheit derzeit befindet. Halten wir es mit dem taoistischen Yin und Yang, denn das Licht trägt in sich den Samen der Dunkelheit, während im Herz der Dunkelheit ein lichter Punkt ruht.

Zum Schluss noch zwei sehr bemerkenswerte Zitate. Denken sie einmal darüber nach. Noch haben wir die Möglichkeit unsere Zukunft friedlich zu gestalten.

Erinnert euch, dass ihr Menschen seid und vergesst alles andere.“ (Albert Einstein)

Der Zweifel ist eine der wichtigsten Funktionen des Denkens und ein Fundament unserer Kultur.“ (Tiziano Terzani)

 

Einführung
Historie
Wie es zum ersten Irak-Krieg kam......
Gründe für den 2. Irak-Krieg

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