Wie es zum ersten Irak-Krieg kam......
von Thomas Badtke

Am 25. Juli 1990 war u.a. in der „New York Times“ und bei den „ABC News“ folgendes zu lesen: „Herr Präsident [Saddam Hussein], ich will Ihnen nicht nur versichern, dass Präsident Bush [US-Präsident Bush sen.] bessere und tiefere Beziehungen mit dem Irak wünscht, sondern er will auch, dass der Irak zum Frieden und Wohlstand im Nahen Osten beiträgt. Präsident Bush [Bush sen.] ist ein intelligenter Mann. Er wird keinen Wirtschaftskrieg gegen den Irak erklären.“ Gesagt hatte dies die Botschafterin der USA im Irak, April Glaspie. Über den Grenzkonflikt zwischen Kuwait und Irak sagte die Botschafterin wieder wörtlich, „dass diese Frage Amerika nichts angehe. James Baker [damaliger US-Außenminister] hat unsere offiziellen Sprecher angewiesen, diese Instruktionen zu betonen.“

Folgenschwere Worte einer Frau, die damit einen Teil der Schuld am Tod von Hunderttausend Menschen trägt. Der irakische Präsident Saddam Hussein, der Kuwait übrigens nie als Staat anerkannt hatte, folglich auch nicht seine Grenze, hatte zuvor in einer Anfrage an die amerikanische Regierung unter Präsident George H. W. Bush, kurz Bush sen., deren Position im Falle eines Einmarsches des Irak in Kuwait erfahren wollen. Schließlich war man mehrere Jahre lang Verbündete gewesen. Hussein hätte allerdings bei den Worten Glaspies spätestens dann stutzig werden müssen, als es hieß, „Präsident Bush sei ein intelligenter Mann“. Falls Bush sen. wirklich intelligent war bzw. noch ist, scheint sein Sohn George W. Bush nicht sehr viel von seinem Vater aus dieser Richtung mitbekommen zu haben.

Der Auslöser für den Golfkrieg, den man auch den 1. Irakkrieg nennen kann, war gefunden. Der Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait am 2. August 1990. Die Gründe für den Krieg sind vielschichtig. Zum einen haben sich die Briten bei der Grenzziehung für den Irak keine Mühe gegeben. Ansonsten hätten sie den Staat Kuwait nicht das Licht der Welt erblicken lassen. Andererseits: das meiste Geld kann man halt doch mit Kriegen verdienen. Das wusste man schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf der britischen Insel. Zum anderen hatte der Krieg des Irak mit dem Iran, ersteren in eine Schuldenfalle getrieben und die irakische Wirtschaft zum Erliegen gebracht Hussein wollte mit Hilfe eines 40-Milliarden-US-Dollar-Programms diese wieder auf Vordermann bringen. Doch die Schulden des Landes waren zu hoch und daher existenzbedrohend. Parallelen zur deutschen Geschichte nach dem 1. Weltkrieg werden offensichtlich. Der Irak, ausgestattet mit den zweitgrößten Ölreserven der Welt, konnte diese nicht in dem Maß zum Schuldenabbau und zum Wirtschaftsaufbau nutzen, wie er wollte. Der Preis für Rohöl war im Keller. Andere Golfstaaten, allen voran Kuwait, hatten ihre Vorräte auf den Markt geworfen. Der Preisverfall raubte Hussein auch die letzte Chance, „zum Wohlstand in der Region beizutragen“, wie es Präsident Bush sen. kurz zuvor so süffisant ausdrückte; und das einstige wirtschaftliche Vorzeigeland der Region wieder auf Kurs zu bringen. Er sah sein Land und damit natürlich in erster Linie seine Machtposition bedroht. Daraufhin ließ er an der Grenze zu Kuwait, die er ja nie anerkannt hatte, seine Soldateska aufmarschieren. Durch die versprochene Nichteinmischung Amerikas fühlte er sich zudem in Sicherheit. Als Saddams Armeen am 2. August in Kuwait einfielen, sahen die Amerikaner ihre Vormachtsstellung im Nahen Osten und ihren Zugang zum Öl bedroht. Bereits einen Tag später verurteilte die UN bereits den Einmarsch der Irakis in der Resolution 660. Am 6. August wurden mit Hilfe der Resolution 661 Wirtschaftssanktionen gegen den Irak verhängt. Sie sollten dafür sorgen, dass die irakischen Truppen sich aus Kuwait zurückziehen sollten. Der Irak, der bereits vorher 70 Prozent seiner Lebensmittel im Ausland kaufen musste, sah sich nun dazu gezwungen, die Lebensmittel zu rationieren. Bereits im Dezember 1990 stieg die Sterblichkeitsrate der Säuglinge um das Doppelte an. Die Wirtschaftssanktionen entfalteten ihre volle Wirkung. Bis heute sind mehr als 500.000 Menschen diesen Sanktionen im Irak zum Opfer gefallen, unter dem Deckmantel der UN. Normalerweise nennt man so etwas Völkermord. Die Amerikaner nennen es „Kollateralschäden“. Ein Wort, das erst etwas später in die Köpfe der Weltbevölkerung vordrang und auch im Bosnienkrieg treffend einschlug.

In den ersten Wochen nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait war ein Großteil der Welt noch an einer friedlichen Lösung des Problems interessiert. Selbst der Papst machte Vermittlungsvorschläge. Obwohl damals noch nicht ein „Kampf der Kulturen“ absehbar war. Das amerikanische Volk stand, ebenso wie heute, nicht in der Mehrheit hinter einem Krieg. Und das obwohl der damalige US-Präsident Bush sen. Bereits 400.000 Mann an den Golf hatte verlegen lassen. Eine internationale Allianz wurde geschmiedet, Truppen stationiert und Stützpunkte aufgebaut, u.a. auch in Saudi-Arabien, der Heimat der heiligen islamischen Stätten Mekka und Medina. Während sich Amerika so gegen einen Feind rüstete, schuf es sich bereits seinen nächsten, Usama bin Ladin.

Die amerikanischen Drohgebärden erreichten am 9. Januar 1991 ihren Höhepunkt, als man dem Irak die völlige Vernichtung bei Nichtabzug aus Kuwait nahe legte. Bereits fünf Tage später begann die internationale Allianz, unter Vorherrschaft der Amerikaner, mit der irrwitzigen und unmenschlichen Bombardierung des Irak. 42 Tage lang flog man täglich jeweils 2.000 Einsätze. Dazu eine Anekdote aus dieser Zeit:

Zu Beginn des Konflikts wollten die Amerikaner nicht den Krieg. Zumindest der Kongress und die Zivilbevölkerung. Bei der Regierung sah es natürlich anders aus. Die Kriegspropaganda musste wieder hochgefahren werden. Dabei behilflich waren die Kuwaitis. Mit Hilfe von 10 Mio. US-Dollar engagierte man eine amerikanische PR-Agentur, deren Vizepräsident zuvor Büroleiter von George Bush sen. gewesen war. Sie sollte herausfinden, was die Amerikaner am meisten verabscheuen. Es war Babymord. Jetzt engagierte man ein damals 15-jähriges kuwaitisches Mädchen, pikanterweise die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA. Sie berichtete dann in jeder nur möglichen Show im Fernsehen von einem „grässlichen Babymord“, den sie mit eigenen Augen gesehen haben will. „Aus den Brutkästen hat man sie geholt und sie auf dem kalten Boden sterben lassen.“ Bestätigt wurde dies von einem kuwaitischen Chirurgen, der selbst 40 Neugeborene begraben haben will. Die weltweite Entrüstung war grenzenlos, als die Medienmaschinerie weltweit anlief. Schon kurze Zeit später entscheidet sich nicht nur der UN-Sicherheitsrat für militärische Gewalt gegen den mittlerweile in die Liga eines Hitler und Stalin aufgestiegenen Hussein; auch der US-Kongress plädiert, zwar knapp, aber für einen Krieg. Als man dann später der Sache nachgeht und Nachforschungen anstellt (WHO und Amnesty International), Ortsbesichtigungen, Besprechungen und Befragungen durchführt, kommt heraus, dass alles erstunken und erlogen ist. Doch der Zweck war erfüllt. Die Welt wollte einen Krieg. „Der Schlächter von Bagdad“ musste beseitigt werden.

Sicher, es hört sich etwas weit hergeholt an, aber nur als Anregung sei hier der Hollywood-Film „Wag the Dog“ erwähnt, der nicht nur dank der Schauspieler R. de Niro, D. Hoffman und A. Heche sehr sehenswert und bildend ist.

Nachdem die USA den acht Jahre dauernden Krieg des Irak gegen den Iran unterstützt, Hussein in jeder Weise gefördert, seine Verbrechen gegen die iranische Bevölkerung und gegen seine eigene systematisch ignoriert hatten, bekriegten sie ihn nun. Im Mittelpunkt stand dabei nicht der Einmarsch in Kuwait, sondern das Öl, dessen Fördermenge, dessen Preis und eine antiirakische Kreditblockade. Kredite machte man von der Privatisierung der Ölindustrie abhängig. Clever. Flächendeckende Bombardements zerstörten die irakische Industrie, Infrastruktur und die Truppen Saddam Husseins, deren Waffen gnadenlos veraltet waren. Die USA setzten dagegen auch bakteriologische Waffen ein, deren Folgen nach dem Ende des eigentlichen Krieges noch einmal nahezu 100.000 Menschen im Irak töteten. Trotz der Bombardements, die die oft in den Medien der damaligen Zeit zitierten „Kollateralschäden“ forderten, gab es keine Aufstände gegen Saddam Hussein selbst. Wenn es welche gegeben hätte, wären die Reporter von CNN („War-live on CNN“) die ersten gewesen, die darüber berichtet hätten. Sie hatten das damalige Sendemonopol weltweit für diesen Krieg inne. CNN haben wir auch die hübschen kleinen Überschriftenkästen rechts oben in der Bildschirmecke bei RTL und Sat1 zu verdanken, a la „Krieg dem Terror“. Damit wir als Medienkonsumenten auch ja nicht vergessen, auf welcher Seite wir zu stehen haben.

Einschläge lasergesteuerte Bomben waren tagtäglich auf dem Bildschirm zu sehen. Tatsächlich waren jedoch nur 9 Prozent der eingesetzten Bomben lasergesteuert. Davon verfehlten auch noch rund 40 Prozent ihr Ziel. Meist um Kilometer. Deswegen sprechen manche Quellen auch von 15.000 bis 20.000 zivilen Opfern unter den insgesamt rund 100.000 Toten, im Fachjargon kurz „Kollateralschäden“. Ein Wort, das man nicht oft genug hören bzw. lesen kann. Das Ausmaß dieser ungerechtfertigten Zerstörung und der Vernichtung der Zivilbevölkerung ist in der gesamten islamischen und arabischen Welt noch heute unvergessen und eine der Wurzeln des Hasses gegen die Vereinigten Staaten.

Vier Wochen nach dem Beginn der „Operation Wüstensturm“ akzeptierte der Irak bereits einen sowjetischen Friedensvorschlag. Vollständiger Rückzug aus Kuwait in Übereinstimmung mit den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates waren dessen Inhalt. Die USA lehnten jedoch ab. So wie der 2. Weltkrieg bereits Jahre vorher hätte beendet sein können, hätte auch der Irakkrieg ein Schnelles und vor allem unblutigeres Ende finden können. Hätte... Aber die Amerikaner hatten noch Lust einen Bodenkrieg zu führen. Wenn man die höchsten Rüstungsausgaben der Welt und das modernste Kriegsgerät der Welt hat, muss man es auch irgendwo einsetzen, oder etwa nicht? Warum also kein Einsatz von Bodentruppen?! Schließlich hatte man die Soldaten eh schon rund um den Golf positioniert. Zudem kann man so von innerpolitischen Schwierigkeiten ablenken, einer wirtschaftlichen Rezession zum Beispiel. Wie der Vater, so der Sohn, könnte man heute meinen. Also dann, auf in den Kampf.

Nach offiziellen Angaben standen sich rund 540.000 amerikanische und alliierte Angreifer und nach US-Berichten ebenso viele irakische Soldaten gegenüber. Auch hier hat die Kriegspropaganda nachgeholfen. In Wirklichkeit waren es nur rund 200.000 irakische Verteidiger. Selbst als sich die irakischen Truppen reihenweise ergaben und flüchteten, setzten die alliierten Truppen ihre Angriffe auf die fliehenden Soldaten fort, ein klarer Verstoß gegen die Vierte Genfer Konvention. „Turkey Shooting“ hieß so etwas unter den amerikanischen Soldaten. Während Saddam Hussein seine Elitetruppen sehr schnell aus Kuwait abgezogen hatte, setzte er dort jetzt Wehrpflichtige ein. Diese kamen in erster Linie aus dem kurdischen Norden oder dem schiitischen Süden. Man kann also auch in einem bereits verlorenem Krieg seine Machtposition stärken. Das Ergebnis: in den ersten sechs Wochen der Angriffe der Alliierten starben mehr Menschen der Opposition durch alliierte Truppen, als in den vorausgegangenen 12 Jahren der Unterdrückung durch Saddam Hussein.

Die Zahl der Opfer in der Zivilbevölkerung wuchsen jedoch noch an. Obwohl Bush sen. wusste, dass der Großteil des irakischen Volkes hinter Hussein stand (schließlich hatte auch der seine Propagandahausaufgaben gemacht), rief er die irakische Bevölkerung auf, sich gegen Saddam Hussein zu erheben, natürlich unterstützt von den amerikanischen und alliierten Truppen. Die Aufstände der Schiiten im Süden des Landes und der Kurden im Norden wurden innerhalb weniger Tage von den irakischen Elitetruppen Husseins gnadenlos niedergeschlagen. Auf die versprochene Unterstützung der amerikanischen und alliierten Truppen warten manche Schiiten und Kurden noch heute. Tausende kamen bei den Aufständen um. Auch Napalmbomben soll Hussein eingesetzt haben. Beweise gibt es allerdings nicht dafür. Warum versprachen die Amerikaner den aufständischen Bevölkerungsgruppen erst ihre Unterstützung, nur um sie dann im Stich zu lassen? Warum wurden abermals humanitäre Prinzipien auf dem Schlachtfeld der weltpolitische Interessen geopfert? Die Kurden ließ man im Stich, weil man ja auch noch einen NATO-Partner Türkei hat. Die Schiiten überließ man sich selbst, weil man einen Zusammenschluss der irakischen und der iranischen Schiiten fürchtete. Eine Dreiteilung des Irak wäre die logische Folge gewesen. Dazu mehr in den kommenden Woche.

Lediglich Flugverbotszonen wurden später, auf mannigfaltigen Druck eingerichtet. Jedoch dienten sie in der Zukunft nicht etwa dem Schutz der bedrohten Bevölkerungsgruppen der Kurden und Schiiten, sondern eher einer Fortführung des Irakkrieges „auf kleiner Flamme“ durch die „Sieger“ USA, Großbritannien und Frankreich.

Am 28. Februar einigten sich schließlich die Amerikaner und Alliierten mit dem Irak auf einen Waffenstillstand. Der Golfkrieg war zwar damit offiziell zu Ende, nicht jedoch die Kampfhandlungen. Am 2. März 1991 wurden Tausende irakischer Soldaten von der 24. US-Infanteriedivision getötet. Die USA hatten zwar einen Krieg geführt um Saddam Hussein aus Kuwait zu vertreiben, in den Nachwirkungen des Krieges aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass er an der Macht bleiben, ja diese noch festigen konnte. Der Diktator ließ sich als Sieger dieses Krieges feiern.

Die Wirtschaftssanktionen blieben auch nach dem offiziellen Kriegsende in Kraft. Sie hatten sich ja in gewisser Weise für die US-Regierung bewährt. Sie sehen gegen ein weltweit für alle Staaten, Unternehmen und Einzelpersonen geltendes Verbot jeglichen Import- und Exporthandels mit dem Irak vor. Ausgenommen ist die Lieferung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und sonstigen humanitären Hilfsgütern. Weitere Punkte sind eine Seeblockade am Persischen Golf zur Absicherung des Embargos, sowie ein Verbot irakischer Erdölverkäufe und das Einfrieren aller Auslandsguthaben des irakischen Staates. Wenn die Amerikaner jemanden am Wickel haben, dann aber richtig. (Fragen sie mal die Kubaner, deren Wirtschaftsembargo dauert nunmehr bereits seit mehr als 40 Jahren an.)
Andererseits: die Zivilbevölkerung leidet, während es sich Saddam Hussein in seinen Palästen gut gehen lässt. Demokratisierung auf amerikanisch? Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete im April 1991 die Resolution 681 und rief damit die UNSCOM samt ihrer Waffeninspekteure ins Leben. Bush sen. Verlor die Wahlen 1992 gegen William J. Clinton, obwohl George Bush sen. zur Halbzeit seiner Amtszeit von mehr als 60 Prozent der US-Bevölkerung, in Top-Zeiten sogar nahezu von 80 Prozent, eine hervorragende Arbeit bescheinigt worden war. Über ähnliche Werte verfügt heute sein Sohn George W. Und da sage noch einer, Geschichte wiederholt sich nicht...

Die seit Ende des Golfkriegs bis heute fortgeführten nadelstichartigen Bombardements und Angriffe amerikanischer Kampfflugzeuge auf irakische Luftabwehrstellungen gehören fast schon zum Alltag. Sie sind mittlerweile so banal geworden, dass die Medien nur noch ab und an über sie berichten. Die Inspektionsteams der UNSCOM haben nach Aussagen des ehemaligen UN-Inspekteurs Scott Ritter, konservativer Bush-Wähler, sämtliche Forschungs-, Herstellungs- und Lagerstätten für chemische, atomare und biologische Waffen ausfindig und unbrauchbar gemacht, bzw. zerstört. Bis 1998, als in Folge einer vorsätzlich herbeigeführten Krise der UNSCOM-Leiter Richard Butler die Inspektionsteams abzog. Mehr dazu dann in der nächsten Woche...

Einführung
Historie
Gründe für den 2. Irak-Krieg
Folgen

Weitere Artikel:
"6 Kriterien für einen gerechten Krieg"
Der Krieg hat begonnen - Bushs Erklärung zum Kriegsbeginn (Kommentar)
Der Krieg ist vorbei! (Kommentar)

zur Übersicht